Von Dmitri Bawyrin
Donald Trump hat Wladimir Selenskij als Person des Jahres von der Titelseite des Time Magazine verdrängt und spöttisch tänzelnd seinen Platz eingenommen. Ein entsprechendes Video von Donald Trump Jr., dem Sohn des designierten US-Präsidenten, wurde in den sozialen Netzwerken veröffentlicht. Ein weiterer Beweis dafür, dass Selenskij nichts Gutes vom Machtwechsel in den Vereinigten Staaten zu erwarten hat.
Die Quellen, die angaben, dass Trump und sein Gefolge den ukrainischen Machthaber verachten, scheinen nicht übertrieben zu haben.
Aber die Tatsache, dass das Time Magazine Trump zum Mann des Jahres 2024 ernannt hat (worum es in dem veröffentlichten Video geht), wird von seiner Familie überbewertet. Jeder, der die Präsidentschaftswahlen in den USA gewinnt, wird vom Time Magazine zur "Person des Jahres" ernannt, und wenn jemand zweimal gewinnt, wird er eben zweimal geehrt. Das ist ein Spiegelbild der US-amerikanischen Weltsicht, an der man sich außerhalb der USA nicht orientieren sollte.
Eine andere Sache ist, dass das Interview, das das Time Magazine mit dem designierten US-Präsidenten führte, unerwartet interessant war. Es ist selten der Fall, dass ein solches Gespräch für Russland und die Ukraine interessanter ist als für die Bürger der Vereinigten Staaten. Die US-Amerikaner werden für sich selbst daraus nichts Neues erfahren, aber die Russen und Ukrainer schon.
Fast die Hälfte des Gesprächs war unserem Konflikt gewidmet. Trump war in der üblichen Manier narzisstisch, oberflächlich und unartikuliert, aber wortgewandter als üblich. Seine Ausführungen sahen in etwa so aus:
"Wir werden uns bald an den Verhandlungstisch setzen. Hoffentlich bald. Dann werde ich Ihnen über alles berichten, was vor sich geht. Es gibt viele nützliche Dinge, die im Moment passieren. Ich schaue auf zwei Hauptbereiche, richtig? Wir haben Russland und die Ukraine und andere Themen. Aber wenn Nordkorea involviert ist, kommt ein weiteres Element hinzu, das die Dinge sehr verkompliziert. Ich kenne Kim Jong-un, wir kommen sehr gut miteinander aus. Ich bin wahrscheinlich die einzige Person, mit der er jemals wirklich zu tun hatte. Wenn ich es mir recht überlege, bin ich der Einzige, mit dem er jemals wirklich kommuniziert hat. Aber da gibt es eine Menge ernsthafter Faktoren, die die Lage sehr kompliziert machen. Aber wir werden uns zusammensetzen, und am Ende jeder dieser oder beider Angelegenheiten werde ich Ihnen zeigen, wie gut ich gearbeitet habe."
Dieser (sowie weitere) Ausfluss der Besinnung ist insofern wertvoll, als er die Trump'sche Aufrichtigkeit oder "neue Aufrichtigkeit", wie sie genannt wird, zum Vorschein bringt. Das geschieht, wenn man sagt, was man denkt, ohne Rücksicht auf Korrektheit oder möglichen Schaden durch seine Worte. Aber in manchen Fällen kommt es nicht darauf an, was Trump sagt, sondern in welchem Kontext.
Der "Streit der Slawen untereinander" hat Trump nie besonders stark beschäftigt, aber jetzt scheint er darauf fixiert zu sein. Selbst auf die Frage nach der Möglichkeit eines Krieges der USA mit Iran sagt Trump, "alles ist möglich", und kehrt zum Thema der Ukraine zurück. Innerhalb des Fragenblocks zum Nahen Osten wiederholt sich dies zweimal: Spekulationen darüber, ob der israelische Premierminister Trump Zusicherungen über das Ende der Kampfhandlungen im Gazastreifen gegeben hat, führen Trump erneut nach Osteuropa.
Das heißt, dieses Thema hat jetzt wirklich Priorität für ihn. Gleichzeitig gibt sich der designierte US-Präsident düster, und zwar so, dass Selenskij und Konsorten eine ungute Ahnung davon bekommen dürften, dass die USA die Ukraine ihrem Schicksal überlassen werden.
In Bezug auf die Frage, ob Trump seine Unterstützung für die Ukraine zurückziehen könnte, wird meist die Aussage Trumps zitiert: "Ich möchte eine Einigung erreichen, und die einzige Möglichkeit, eine Einigung zu erreichen, ist, sich nicht zurückzuziehen." Aber der Journalist musste seine Frage viermal (zweimal davon in diesem Wortlaut) wiederholen, um von Trump etwas zu erfahren, das als ein selbstgefälliges "Nein" interpretiert werden könnte. Dreimal zuvor hatte Trump eine direkte Antwort vermieden und darauf bestanden, dass der Konflikt in irgendeiner Weise beendet werden müsse.
Zweimal sprach er die Angriffe mit US-Raketen auf Russland an, dreimal nannte er sie einen Fehler, zweimal eine Verschärfung des Krieges und einmal eine Dummheit. Selenskij sollte sich darüber im Klaren sein, dass der Vorwurf der Dummheit an ihn gerichtet ist. Offiziell ist er derjenige, der Russland mit Raketen angreift, nachdem er die Erlaubnis von Joe Biden erhalten hat (der fast ein Jahr lang gezögert hatte).
Mit diesen Worten hat Trump einen der Rückzugswege zu den Falken abgeschnitten. Der Weg der Erpressung Russlands und der Nachsicht gegenüber der Ukraine, den man öffentlich als gefährlich und dumm bezeichnet hat, wird später schwerer zu beschreiten sein.
Es sieht also so aus, als ob Trump bereits alles für sich entschieden hat. Vielleicht nicht im Detail, aber im Großen und Ganzen hat er entschieden, dass er die Ukraine lieber ihrem Schicksal überlässt, als dem Beschuss Russlands mit westlichen Raketen zuzustimmen.
Außerdem hat er bereits damit begonnen, seine Entscheidung zu verteidigen, und er hat grünes Licht für seine Verteidigungsmethode gegenüber denjenigen gegeben, denen sie nicht gefallen wird. Dies ist eine Betonung des Humanismus und der Menschlichkeit: Die Hauptsache sei, das Blutvergießen zu beenden, alles andere sei zweitrangig.
Innerhalb eines aussagekräftigen Absatzes wiederholte Trump dreimal: "Ich will nicht, dass Menschen getötet werden." In einem anderen sagte er jeweils zweimal: "Die Zahl der Todesopfer ist erschütternd" und "Dieser Wahnsinn muss aufhören."
Die Methoden, die er einsetzen will, um "den Wahnsinn zu stoppen", bleiben noch im Verborgenen, abgesehen davon, dass Trump Interesse daran äußerte, die Weltmarktpreise für Erdöl zu senken. Die Idee, Russlands Wirtschaft auf diese Weise zu untergraben, gefällt ihm viel besser als Raketenangriffe.
Trump wollte keine Einzelheiten nennen, um eine mögliche Einigung nicht zu gefährden. Er deutete jedoch an, dass der Friedensprozess bereits in vollem Gange sei ("Eine Menge nützlicher Dinge passieren gerade.").
Gleichzeitig weigerte sich der designierte US-Präsident kategorisch, die Frage zu beantworten, ob er nach seinem Wahlsieg mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin kommuniziert habe.
Es ist anzumerken, dass es zwischen den Optionen "kommuniziert" und "nicht kommuniziert" einen Mittelweg gibt – Kommunikation durch Vermittler. Wenn man nun raten sollte, wer der Vermittler sein könnte, gibt es zwei offensichtliche Möglichkeiten: der Journalist Tucker Carlson und der ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán (ein eifriger Befürworter des Einfrierens des Konflikts und "der größte Trump-Anhänger in der EU"). Carlson flog kürzlich zu einem Interview mit dem russischen Außenminister Sergei Lawrow nach Moskau; Orbán rief nach einem persönlichen Treffen mit Trump in Moskau an.
Eine mögliche Erklärung dafür, warum Trump sich weigerte, die einfachste Frage, die ihm gestellt wurde, zu beantworten, ist der Widerwille, die "geheimen Quellen der Diplomatie" zu offenbaren, um sie nicht den Angriffen der Falken auszusetzen.
Im Übrigen haben wir es mit einem Mann zu tun, der erstens keine Angst hat, die ukrainischen Verantwortlichen vor den Kopf zu stoßen, sich ihnen gegenüber ablehnend verhält und dem Thema der weiteren Unterstützung für Kiew ausweicht.
Zweitens lehnt er kategorisch und offen Raketenangriffe gegen Russland als Methode ab.
Drittens diskutiert er im Voraus mit Kritikern von Friedensbedingungen, die, wie Selenskij zu sagen pflegt, "unfair für die Ukraine" sein werden, denn Frieden ist, wenn es nach Trump geht, ein Wert an sich und etwas Humanes.
Irgendwo muss es einen Haken geben – und den gibt es natürlich, selbst wenn wir Trumps Wunsch ignorieren, die Erdölpreise zu senken (was er ohnehin versuchen wird, da auch dies für ihn ein Wert an sich ist).
Zu einem späteren Zeitpunkt veröffentlichte ein anderes Medium – das den Republikanern nahestehende Wall Street Journal – einen Beitrag über Trumps wahrscheinliche Politik in der Ukraine. Darin wurden die Schlussfolgerungen aus seiner Haltung gegenüber Selenskij, die Einladung Kiews an die NATO und den Konflikt als solchen im Allgemeinen bestätigt. Allerdings befürwortet Trump angeblich die Entsendung eines militärischen Kontingents aus Europa in die Ukraine, um sicherzustellen, dass der Konflikt danach nicht wieder aufflammt.
Die Logik ist verständlich und ähnelt Trumps früherer Linie: Der militärische Teil des Konflikts muss beendet werden, und die Europäer können sich von nun an selbst um die Ukraine kümmern. Allerdings sind die Europäer inzwischen fast alle NATO-Mitglieder, und die Abwesenheit von NATO-Stützpunkten, -Kontingenten oder -Militärübungen in der Ukraine ist eine Voraussetzung für die Beendigung des Konflikts und eine grundlegende Aufgabe der militärischen Sonderoperation, wie von den russischen Behörden immer wieder betont wird.
Vielleicht ist das europäische Kontingent als Zugeständnis an Selenskij gedacht, der kürzlich darum gebeten hat (da er nicht in die NATO aufgenommen wird). Die Unannehmbarkeit eines solchen Zugeständnisses für Russland macht jedoch das ganze friedensstiftende Pathos von Trump zunichte.
Die Verachtung für Selenskij als den Mann, der den Konflikt in sein jetziges Stadium gebracht hat, ist zwar gut, aber nicht ausreichend. Es ist ein tieferes Verständnis für die Ursachen der Konfrontation notwendig, von denen viele nicht mit der Ukraine, sondern mit den Vereinigten Staaten selbst zusammenhängen. Und Donald Trump hat dieses Verständnis nie gezeigt.
Übersetzt aus dem Russischen. Der Artikel ist zuerst am 15. Dezember 2024 auf der Website der Zeitung Wsgljad erschienen.
Dmitri Bawyrin ist Analyst bei der Zeitung Wsgljad.
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