Eine neue globale Phase der Konfrontation zwischen Russland und dem Westen hat begonnen

Von Alexander Jakowenko

Der demonstrative "Oreschnik"-Raketenangriff auf das "Juschmasch"-Werk wird in den westlichen Hauptstädten als Beginn einer neuen Phase in der Konfrontation mit Russland angesehen. Dem kann man nur schwerlich widersprechen. Bisher beschränkte sich der geopolitische Konflikt – wenn auch nicht ausschließlich – auf das Gebiet der ehemaligen Sowjetukraine, die dank der speziellen Militäroperation ihre postsowjetischen Grenzen zurückerlangt.

Der Westen wagte es, diese Konfrontation über diese Grenzen hinauszutreiben und erhielt de facto eine geostrategische Antwort in Form eines qualitativ neuen Raketensystems "Oresсhnik". Im Ergebnis eskaliert der Konflikt potenziell zu einem gesamteuropäischen Konflikt und setzt das Problem der Unteilbarkeit der regionalen Sicherheit auf die Agenda der europäischen Politik.

Man kann nur bedauern, dass es nicht gelungen ist, diese einfache Idee durch Überzeugungsarbeit – angefangen mit der Münchner Rede von Wladimir Putin bis hin zur klassischen Diplomatie – in das Bewusstsein der westlichen Eliten zu bringen. Der ohnehin schon in der informationellen und wirtschaftlichen Dimension globale Konflikt nimmt in zwei weiteren Dimensionen einen globalen Charakter an: in der territorialen und der militärisch-politischen.

Was zeigt nun die Erprobung der "Oreschnik"-Rakete? Das gesamte europäische Territorium, einschließlich London, liegt in der Reichweite dieser Rakete. Außerdem wurde klargestellt, dass jedes Objekt – nach der vorzeitigen Ankündigung eines Raketenangriffs – von dieser Rakete getroffen werden kann.

Im Hinterkopf bleibt noch die nukleare Option dieser Rakete. Die Tatsache, dass es in den USA zu diesem russischen Raketensystem keine analogen Systeme gibt, könnte eine "unverantwortliche" nukleare Rhetorik seitens des Westens hervorrufen, für die er dann aber Moskau verantwortlich macht. Aber dann müsste sich der Westen mit seiner Wählerschaft auseinandersetzen, einschließlich der Jugend und der Grünen. Wäre es dann nicht besser, eine gütliche Einigung zu erzielen? Zumal ein einziger Treffer einer solchen Rakete die gesamte geopolitische Lage und die öffentliche Stimmung radikal verändern und alles auf den Kopf stellen könnte.

Wie geht es weiter? Bisher geht es um die Erprobungsphase dieses Raketensystems. Es ist noch nicht im Einsatz, und unser Moratorium wird wahrscheinlich bestehen bleiben, bis seine Entwicklung vollständig abgeschlossen ist. Eine Grundsatzentscheidung darüber scheint bereits getroffen worden zu sein. Damit bleibt ein Zeitfenster für die Einigung auf eine neue europäische Sicherheitsarchitektur. Eine solche existiert derzeit praktisch nicht. Allerdings täuscht die NATO durch die Rotation die Umsetzung ihrer Verpflichtung vor, keine "substanziellen Kampftruppen" dauerhaft auf dem Territorium ihrer neuen Mitglieder zu stationieren.

Ergänzt wird das Bild durch kontinuierliche Manöver an der gesamten Ostflanke des Bündnisses im Rahmen der 2014 gestarteten Operation Atlantic Resolute und die Stationierung von zwei bilateralen Stützpunkten des globalen Raketenabwehrsystems der USA in Rumänien und Polen.

In Zeiten der geopolitischen Entspannung argumentierte Washington, dass es auf die militärischen Kapazitäten und nicht auf die Absichten ankomme. Dies war damals die Grundlage für die bilaterale strategische Rüstungskontrolle. Heute stellt sich diese Frage für Russland und seine Sicherheitsinteressen in viel stärkerem Maße als während des Kalten Krieges (damals hatte Moskau noch den Warschauer Pakt). Das Territorium der europäischen NATO-Länder ist nichts anderes als ein strategischer US-Brückenkopf in der Nähe unserer Grenzen im Westen, Norden und Süden. Es wird von den Amerikanern zunehmend zur Förderung und zum Ausbau ihrer militärischen Infrastruktur genutzt, einschließlich der potenziellen Stationierung von Mittelstreckenraketen. Diese Vorhaben – einschließlich kollektiver Pläne der NATO – werden nicht verheimlicht. Als Vorwand dient die Verteidigung gegen eine "russische Aggression".

Es ist daher an der Zeit, die Frage nach den Kapazitäten zu stellen. Dies kann problemlos jetzt erfolgen, bevor wir mit der Stationierung unserer neuen Mittel- und Kurzstrecken-Raketensysteme beginnen. Das ist umso logischer, als Russland es sich – vor allem angesichts der derzeitigen offenen Feindseligkeit des Westens – nicht leisten kann, die Verlegung von US-Waffen dieser Klasse nach Europa zuzulassen. In diesem Fall müsste es präventiv handeln und den europäischen Verbündeten der USA klarmachen, dass dies nicht in ihrem Interesse ist. In diesem Fall wäre das Fortbestehen des Bündnisses eher unwahrscheinlich.

Genauso wichtig ist, dass die NATO derzeit die Stationierung von Eingreiftruppen von insgesamt 300.000 Mann – darunter auch amerikanische Truppen – entlang unserer Grenzen in den nächsten fünf Jahren plant. Dies stellt angesichts der Ausdehnung unserer Front (die wir mit Weißrussland als Teil des Unionsstaates teilen), die sich zudem mit dem NATO-Beitritt Finnlands und Schwedens dramatisch vergrößerte, eine mehr als unannehmbare Bedrohung für unsere Sicherheit dar. Sollten wir auf die Entstehung einer solchen Militärgruppierung warten, wie sie Hitler einst zu schaffen vermochte?

Wir sind imstande zu demonstrieren, dass wir kein fremdes Territorium beanspruchen, schon gar nicht das Territorium von NATO-Staaten. Eine andere Sache sind Präventivschläge von unserem Territorium sowie von See- und Meeresgewässern und dem darüber liegenden Luftraum aus gegen die entsprechende Transportlogistik, einschließlich Eisenbahnknotenpunkten, Häfen und Flugplätzen, die zur Verlegung von Truppen an unsere Grenzen genutzt werden können. Die "Oreschnik"-Rakete bietet dabei die Möglichkeit, dies ohne Blutvergießen und ohne den Einsatz von Atomwaffen zu tun. Wir können Informationen über unsere Raketenstarts im Voraus an die amerikanische Seite weiterleiten und gleichzeitig festlegen, dass diese Waffen Ziele östlich des Nullmeridians treffen, also kein US-Territorium bedrohen werden.

Dadurch ändert sich das geostrategische Bild in Europa und der euro-atlantischen Region grundlegend, was neue Herausforderungen und neue Möglichkeiten zu deren Bewältigung mit sich bringt. Auch werden Anreize für die Vereinbarung zwischen den Parteien geschaffen, deren Zustandekommen ganz besonders im Interesse der europäischen Länder – als potenzieller Kriegsschauplatz im Konflikt zwischen den USA und Russland – wäre. In derselben Lage befand sich Europa während des Kalten Krieges. Daran hat sich bis heute nichts geändert. Der Einsatz taktischer Nuklearwaffen sollte also hier erfolgen – nicht auf dem Territorium der UdSSR, denn das würde eine nukleare Antwort gegen die USA provozieren. Auch damals galt also das Mantra: "America First!" , aber niemand im Westen wagte es seinerzeit zuzugeben.

Nochmals: Wäre es nicht besser, sich jetzt zu einigen – angefangen mit dem Ukraine-Konflikt –, wo der Drang des Westens, sich einen strategischen Vorteil gegenüber uns zu verschaffen (dort heißt es "Moskau eine strategische Niederlage zufügen" – niemand hat die Amerikaner gezwungen, das auszusprechen!), zu seiner eigenen Niederlage "im Namen der NATO" mit weitreichenden Folgen führen könnte, die derzeit aber noch vermeidbar sind.

Übersetzt aus dem Russischen. Der Artikel ist am 27. November 2024 zuerst bei RIA Nowosti erschienen.

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