Friedensgespäche mit Orbán und Schröder in Wien: „Der Krieg ist verloren“ (VIDEO)

Hier die Berichterstattung von MANDINER über den Wiener Friedensgipfel „Frieden in Europa“ vom 31.10.2024, organisiert durch die Schweizer „Weltwoche“ – zwischen dem ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán und dem deutschen Ex-Bundeskanzler Gerhard Schröder in den Wiener Sofiensälen. Die Diskussion moderierte Roger Köppel, Inhaber und Chefredakteur der „Weltwoche“, welcher seit langem regelmäßig über Ungarn berichtet und den Ministerpräsidenten Anfang des Sommers auf seiner – in der EU umstrittenen -Friedensmission begleitete.

In einem Interview mit oe24, einem der meistgelesenen Online-Medien Österreichs, bezeichnete Köppel es gestern als Teil der wahnsinnigen Debattenkultur, dass Viktor Orbán wegen seiner friedensfreundlichen Haltung als Putinist bezeichnet wird.

Verhältnis von Orban und Schröder zueinander

Zu Beginn des Gesprächs fragte Köppel nach dem Verhältnis zwischen seinen beiden Gesprächspartnern, die aus ganz unterschiedlichen Ecken der europäischen Politik kommen.

Orbán:

„Ich werde altmodische Dinge sagen, ich weiß nicht, ob das Wort Respekt hier noch in Mode ist.“

Er und Schröder seien Kollegen,…

…“wenn Elefant und Maus Seite an Seite als Kollegen zählen können. Mit dem Bundeskanzler verbindet mich Respekt, nicht nur Respekt vor dem Älteren, sondern auch der berufliche Respekt“.

Schröder vollbrachte zwei Dinge, die seither keiner mehr erreicht hat: Nämlich die Errichtung einer europäischen strategischen Autonomie und die Rettung der deutschen Wirtschaft.

Schröder über den ungarischen Ministerpräsidenten:

„Wir haben immer gute Beziehungen gehabt, ich war viel und mit großer Freude in Budapest. Und das Gulasch ist mir besonders in Erinnerung geblieben.“

Er und Orbán wüssten auch: Für Europa ist es wichtig, faire Beziehungen zu unserem großen Nachbarn Russland zu pflegen.

Orbán erzählte dann eine Anekdote, welche mit einem Scheitern in seinem Leben und der von Schröder verbunden ist:

Nachdem er Ungarn als das am weitesten fortgeschrittene mitteleuropäische Land im Prozess der EU-Integration angesehen hatte, wollte er siealle  davon überzeugen, die ehemals sozialistischen Länder einzeln und nicht nach Gruppen aufzunehmen:

„Der Kanzler hat das abgelehnt. Er sagte mir, ich solle mir das quadratische Bild ansehen: Es ist unmöglich, dass Polen nicht in der ersten Gruppe der Erweiterung ist. Daher wird die Erweiterung in Gruppen stattfinden. Ich hatte fantastische Gegenargumente, keines davon hat funktioniert.“

– so Orbán.

Orban und Schröder werden in der EU angefeindet

Auf die Frage Köppels, wie beide damit umgehen, dass sie heute in der europäischen Politik heftig unter Beschuss stehen, antwortete Schröder: Man müsse in der Lage sein, sich über Angriffe zu erheben. Und laut Orbán…

…“ist es das Wichtigste, dass die Menschen geliebt werden. Denn ich habe eine Frau, fünf Kinder, sechs Enkelkinder, jemanden, den ich lieben kann“.

Da er zudem in den 1980er Jahren im antikommunistischen Widerstand aufgewachsen ist, wäre er es außerdem gewohnt, gegen die Macht zu stehen:

„Es kam fast nie in meinem Leben vor, dass der Wind von hinten wehte.“

Wie wird es Frieden geben?

Köppel fragte, ob beide ein Ende des Krieges in absehbarer Zeit für möglich halten.

Orbán:

„Heute hat Emmanuel Macron eine große Karriere gemacht, indem er über die strategische Autonomie Europas gesprochen hat. Aber Gerhard Schröder hat dies bereits vor zwanzig Jahren getan“,

indem er es schaffte, sich aus dem Irakkrieg herauszuhalten.

Heute jedoch…

…“sollte man optimistisch bleiben. (Denn) wir können Europa überhaupt nicht vertrauen, Europa kann heute Krieg schaffen, aber keinen Frieden.“

Unsere einzige Hoffnung sei, dass Donald Trump, wenn schon nicht Frieden, so doch zumindest einen Waffenstillstand „von der anderen Seite des Ozeans“ bringen werde.

Auch er, Schröder wäre er nach Kriegsbeginn an einem Friedensversuch beteiligt gewesen: Er sei aus der Ukraine über die Schweiz angesprochen worden, ob er bereit wäre, mit Wladimir Putin zu vermitteln:

„Ich habe es zuerst überprüfen lassen, um zu sehen, ob es ein Scherz war, und es stellte sich heraus, dass es ernst gemeint war.“

Damals stellten sich im Zusammenhang mit der Beendigung des Krieges zwei wichtige Fragen: die Donbas-Frage, welche vor allem kulturelle Probleme aufwirft, wie z. B. die Tatsache, dass das ukrainische Parlament die Zweisprachigkeit im Land abschaffte. Dann kam die Frage der NATO-Mitgliedschaft der Ukraine.

Schröder hätte es vorgezogen, wenn der UN-Sicherheitsrat gemeinsam mit Deutschland Sicherheitsgarantien für die Ukraine abgegeben hätte.

Dann habe die Ukraine die Zweisprachigkeit im Donbass großzügig wieder hergestellt. Gleichzeitig wäre es aber für Politiker, die nicht mehr im Amt sind, schwierig , einen adäquaten Zugang zu Politikern zu erhalten, die noch im Amt sind. Insofern wäre also am Ende nicht er, Schröder, sondern türkische Präsident Vermittler geworden:

„Ich möchte nicht darüber spekulieren, wie andere Großmächte involviert waren.“

Und so habe er, Schröder, „es großartig“ gefunden,…

…„dass Viktor Orbán versucht hat, in diese Richtung zu handeln.“

Allerdings hätten aber auch Frankreich und Deutschland nicht nur Waffen liefern, sondern dies auch noch mit einer diplomatischen Offensive verbinden.

Hat Boris Johnson den Frieden torpediert?

Auf Köppels Frage: Ob Russland noch bereit wäre, einem Frieden zuzustimmen, den Schröder im Rahmen der Istanbuler Friedensgespräche vorgeschlagen hatte, antwortete Orbán: Er habe die Dokumente der von der Türkei vermittelten Friedensgespräche gesehen. Deshalb wisse er:

„Es lag ein Vorschlag auf dem Tisch, der als Grundlage für einen Waffenstillstand und Friedensverhandlungen hätte dienen können.“

Schließlich aber „vergisst“ Schröder…

…“höflich, eine Schlüsselfigur in dieser Geschichte zu erwähnen: Nämlich den ehemaligen britischen Premierminister, der sich der Legende nach in diesen Prozess eingemischt und das Abkommen unmöglich gemacht hat.“

Mit Blick auf Boris Johnson sagte er:

„Ob genau das der Fall war, werden Historiker lösen. Aber halten wir fest: Im April 2022, waren wir, auch dank Bundeskanzler Schröder, kurz davor, zumindest einen Waffenstillstand zu erreichen.“

Orbans Friedensmission

Mit Blick auf die Friedensmission und den EU-Ratsvorsitz meinte Orban: Er hätte alles rein bürokratisch hätte handhaben können:

„Wir müssen Hunderte von Sitzungen abhalten. Und wenn man das gut macht, werden die Brüsseler Bürokraten uns auf die Schulter klopfen. Und das war die Hauptsache des Ratsvorsitzes: dass bloß nichts passiert.“

Dass…

„wir (aber) zur christlich-demokratischen Welt gehören“,…

…ginge aber auch mit einer Verantwortung einher. Und deshalb müsse etwas getan werden, wenn sich die Menschen an der Front gegenseitig umbringen:

„Wir haben ein Werkzeug dazu bekommen: Wir haben jetzt die rotierenden Präsidentschaft inne. Was gibt es also Wichtigeres, als sich für den Frieden einzusetzen?“

– fragte Orbán. Außerdem hätte er vor der Friedensmission eine Reihe führender europäischer Politiker konsultiert, die damals…

 …„sagten: ‚Versucht es mal!'“.

Sein,Orbans, Plan wäre es dann gewesen: Zuerst nach Kiew und Moskau zu reisen und zu versuchen, die beiden Kriegsparteien davon zu überzeugen, dass…

…“die Zeit füreinander arbeitet. Weswegen es also für alle besser ist,  jetzt einen Waffenstillstand zu schließen“.

Selenskyj gegenüber hätte Orban noch im Juli gesagt: Dass sich die Situation bis September noch mehr verschlimmern werde, worauf ihm jener mit…

…“Nein, wir werden gewinnen“…

…antwortete. Und der russische Präsident hielt sich auch für den Sieger.

Beide wollte außerdem im Falle eines Waffenstillstands Garantien dafür, dass der jeweils andere Gegner diesen Waffenstillstand nicht dazu nutzen wird, die Positionen des militärischen Widerstands zu verbessern. Da er eine solche Garantie natürlich nicht geben konnte, gelang es ihm nicht, die betroffenen Parteien von einer Einigung auf einen Waffenstillstand zu überzeugen.

Daher änderte Orban seine Strategie: Indem er versuchte, eine internationale öffentliche Meinung zu schaffen, die die Kriegsparteien zum Frieden zwingen würde.

Worauf er nach Washington, Peking und dann zu Präsident Trump nach Mar-a-Lago reiste und versuchte, die europäischen Staats- und Regierungschefs für diese Strategie zu gewinnen, an welche er auch einen Brief darüber geschrieben hatte. Dabei hätten laut Orban diese Idee sowohl China als auch die Türkei unterstützt. Trump etwa sagte, dass…

…“er ein Mann des Friedens ist. Wenn er die Wahlen gewinnt, können wir auf ihn zählen“.

Europa arbeitet gegen den Frieden

Aber die Europäer…

…„lehnten den Vorschlag ab, ein Friedenslager mit den Chinesen und Türken zu schaffen, das Druck auf die Kriegsparteien ausüben würde“.

Orbán weiter:

„Es ist eine sehr traurige Geschichte, dass die Europäer, die am meisten am Frieden interessiert sein sollten, nicht verstanden haben, dass es nicht ihre Aufgabe ist, sich auf die Seite des Krieges zu stellen und den Krieg in der Ukraine zu gewinnen“,

…,was zudem unmöglich ist:

„Ich habe kein großes europäisches Land davon überzeugen können.“

Und Orban fragte:

„Gibt es im Deutschen ein Wort für Streit?“

Ihm zufolge sind die europäischen Staats- und Regierungschefs

…“zerstritten: Sie wollen Russland besiegen, das ist es, was sie im Sinn haben“.

Laut Orban…

…“spielt die Präsidentin der Europäischen Kommission, von der Leyyen, eine Schlüsselrolle dabei: Sie geht voran, sie trägt die Fahne.“

Und alles, was in Richtung Frieden weist, wird als Verrat und Antidemokratie angesehen.

„Der Krieg ist verloren.“

Köppel wollte dann darüber diskutieren, ob der russische Präsident ein imperialistischer Diktator ist, der nur versucht, in der Ukraine den ersten Schritt zur Vorherrschaft in Europa zu machen.
Orbán:

„Die Situation verschlimmert sich, dieser Krieg ist von den Europäern verloren worden.“

Und weiter:

„Ich weiß nicht, was sie in der deutschen und österreichischen Presse schreiben. Aber ich habe noch keinen vernünftigen Militäranalysten gesehen, der sagen würde, dass die Ukraine diesen Krieg an der Front gewinnen könnte.“

Außerdem:

„Die Frage ist, wann wir zu einer Einigung kommen werden. Die Situation wird von Tag zu Tag schlimmer.“

Er, Orban, wolle zwar daher nicht darüber moralisieren,…

…“wie ein dauerhafter Frieden aussehen kann, und ob Putin imperialistisch ist. Das sind irrelevante Umstände“.

Das Wichtigste ist, dass…

…“wir einen Krieg verloren haben“.

Und die vernünftige Antwort darauf ist ein Waffenstillstand.

Und Orban weiter:

„Es ist sehr selten, dass ein Krieg ohne Kommunikation zwischen den gegnerischen Parteien verläuft. Die Tatsache, dass die Europäer stolz darauf sind, nicht mit Russen zu sprechen, ist diplomatische Barbarei.“

Ihm zufolge sendet diese Weigerung eine Botschaft an die Russen, wie damals im Zweiten Weltkrieg:

„Wir werden gehen, bis wir euch vernichtet, bis wir alles besetzt haben. Aber natürlich wollen wir Moskau nicht besetzen. Oder doch?“

Laut Schröder…

…“wären vor allem die europäischen Großmächte in der Pflicht, Viktor Orbán zu folgen“,…

…da der Krieg ja in Europa stattfindet. Allerdings: Wenn eine europäische Friedensinitiative nicht aus Frankreich oder Deutschland komme, werde sie „schwer umzusetzen“ sein. Europa muss also eine Friedensinitiative auf den Weg bringen, denn Amerika wird sich nicht für dieses Thema interessieren. Das Eingreifen der beiden europäischen Mächte wäre schon allein deshalb notwendig, weil…

…“die EU-Verwaltung – denn viel mehr ist es nicht – von sich aus nicht überzeugt werden kann, einen solchen Prozess aktiv zu unterstützen“.

Ist Putin imperialistisch?

Über die Frage, ob Putin imperialistisch sei, wollte Schröder nicht spekulieren:

„Ich bin kein Psychologe.“

Ihm zufolge liegt es eher im Interesse des russischen Präsidenten,

…“Russland als Ganzes zu erhalten“…

…und es vor Angriffen von außen zu schützen, seien diese militärischer oder wirtschaftlicher Art.

„Die Vorstellung, dass wir mit dem russischen Präsidenten nicht über Frieden sprechen sollten, ist absurd. Mit wem sollen wir sonst noch sprechen? Schließlich ist es niemandem gelungen, Russland mit Waffenlieferungen an die Ukraine zum Frieden zu zwingen.“

Führende europäische Mächte sollten nicht immer nur darüber reden,..

…“wer gewinnen und wer verlieren soll“,…

…sondern auch versuchen, mit Putin in eine Gesprächsposition zu kommen,..

…“der auch genau weiß, wie sinnlos dieser Krieg ist“.

Zwar würde Schröder selbst kaum für Trump stimmen würde, aber dieser wäre zweifellos…

…“der einzige derzeitige Kandidat, der ankündigt, dass Amerika unter seiner Führung zum Frieden beitragen wird“.

Ohne Deutschland und Frankreich geht nichts

Orbán machte auch deutlich, dass…

…“Ungarn allein keine Ergebnisse erzielen kann; Was erreicht werden konnte, ist erreicht worden. Denn heute sprechen wir in Europa über Frieden. Vor der ungarischen Präsidentschaft war es nicht möglich, darüber zu sprechen.“

Und weiter:

„Wenn wir mehr wollen, brauchen wir die Deutschen und die Franzosen.“

Kürzlich hätte er dem deutschen Bundeskanzler und dem französischen Präsidenten gesagt:

„Mit dem gebotenen Respekt, aber beeilen Sie sich, kontaktieren Sie die Russen“.

Und zwar…

..„nicht heimlich, sondern öffentlich. (Sonst) „wird ein Mann namens Donald Trump kommen und die Wahl gewinnen, und er wird sofort mit Putin verhandeln, und wir Europäer werden auf dem Hockey, dem Stoki sitzen“.

Laut Orbán kommen auch die heutigen demografischen Probleme Europas daher, dass sich die Europäer in den Weltkriegen gegenseitig vernichtet haben.

Und an die Zuhörer gerichtet: Ob sie nicht…

…“etwas tragisch Absurdes“ darin sähen, dass „in einem Krieg zwischen zwei christlichen europäischen Ländern Menschen sich gegenseitig umbringen, während wir auf der anderen Seite Menschen aus fremden Kulturen nach Europa lassen. Macht das Sinn?“

Er, Orban, hätte 26 Jahre unter sowjetischer Besatzung gelebt habe und die Russen immer noch…

…“aus der Zeit kennt, als sie noch Sowjets mit ihrem Mädchennamen genannt wurden“.

Europa versteht Russland nicht

Im Gegensatz zu anderen europäischen Staatsoberhäuptern, die heute im Amt sind.

„Ich sehe nicht die Tiefe, in der die europäischen Staats- und Regierungschefs, die heute im Amt sind, über Russland nachdenken.“

Sie alle wären im glücklichen Westen aufgewachsen. Somit wäre aber auch…

„das Verständnis Russlands ein intellektuelles Problem der europäischen Führer. Wie kann man sich damit identifizieren? Darüber wird überhaupt nicht nachgedacht.“

Lat Orban ist Russland ein christliches Land und ein Teil Europas. Aber es unterscheidet sich auch von uns, weil der Fokus ihres politischen Denkens nicht darauf liegt:

Wie können wir unseren Bürgern die größte Freiheit in größtem Wohlstand geben.“

…wie in Europa. Sondern:

„Wie können wir ein so riesiges Land zusammenhalten ,damit es nicht auseinanderfällt. (Indem) die Feinde im Osten, Westen, Süden die Ränder abbrechen. Wenn wir das verstehen, dann wissen wir, wie wir mit den Russen Politik machen können.“

 – so Orbán. Die Russen sprächen die Sprache der Gewalt,

…“weil ihr Land nicht durch Freiheit, sondern durch Stärke zusammengehalten wird“.

Wenn man mit ihnen verhandelt,…

…“muss man reich sein, man muss militärische Stärke haben, man muss eine politische Führung haben, die sie immer haben“.

In letzterer Hinsicht hatten wir Pech: Trump war nicht Präsident, und der deutsche Kanzler war neu – deshalb ist der Krieg passiert.

 Trump will Frieden

An dieser Stelle warf Köppel ein: Ob denn Trump in der Lage sein werde, die dafür notwendige intellektuelle Tiefe aufzubringen und mit Russland zu verhandeln,…

…“ohne dass die Russen ihn in die Tasche stecken“.

Orbán zufolge habe er heute Nachmittag mit Präsident Trump gesprochen:

„Wir bereiten uns vor.“

– sagte er zur Freude des Publikums. Ihm zufolge hätten die Republikaner, die eine Chance haben, die Wahl zu gewinnen, kein Interesse am Krieg in der Ukraine:

„Sie interessieren sich nicht für die Ukraine, sondern dafür, wie man diesen Konflikt aus der Weltpolitik herausholen kann. Sie werden sich in kürzester Zeit mit dem russischen Präsidenten zusammensetzen und ein russisch-amerikanisches Abkommen abschließen. Wo allerdings nicht klar ist, wo unser Platz sein wird, weil unsere europäischen Staats- und Regierungschefs den Moment verpassen.“

Und weiter:

Seltsamerweise ist es für Amerikaner, nicht schwer, Russisch zu verstehen, denn Amerikaner sprechen tatsächlich die Sprache der Gewalt.“

Ihm zufolge werden sich die Amerikaner mit den Russen verstehen:

„Nicht auf eine komplizierte, intellektuelle Art und Weise durch die Geschichte, sondern in der Sprache der Kraft: Größe, Macht… Da wird es Realpolitik geben. Die europäischen Intellektuellen schauen darauf herab, aber sie irren sich. Die Amerikaner erzielen Ergebnisse, und wir erzielen keine.“

 Und weiter:

Präsident Trump wird Russland so gut wie nötig verstehen und Vereinbarungen treffen. Das ist meine Meinung und meine Hoffnung.“

Europas Rolle in der multipolaren Weltordnung

Am Ende der Diskussion fragte Köppel, welche Rolle Europa in der entstehenden multipolaren Weltordnung spielen könnte.

Orbán:

„Natürlich können wir von einer multipolaren Welt sprechen, aber hier gibt es ein Problem: Jemand muss die deutsche Wirtschaft retten.

Es gibt eine multipolare Welt. Aber die Realität ist: Ein europäisches Unternehmen zahlt heute viermal so viel für Gas wie ein amerikanisches Unternehmen und doppelt so viel für Strom. Die europäische Wirtschaft ist mit solchen Energiepreisen zum Scheitern verurteilt.“

Laut Orban müsse jemand die europäische Wirtschaft mit einer neuen Strategie retten. Aber…

…“das wird nicht Ungarn sein, es muss jemand Großer sein. Man muss dort sein, nicht in einem multipolaren Weltsystem.“

Gerhard Schröder selbst werde mit seinen achtzig Jahren Deutschland wohl nicht mehr retten. Köppels Einwand, wonach der Altersunterschied zu Donald Trump nicht so groß sei, überzeugte ihn aber nicht. Gleichzeitig allerdings sei Deutschland nicht unbedingt „in einem zu rettenden Zustand“. Sei es doch nach wie vor die führende Volkswirtschaft Europas mit einem riesigen Mittelstand. Es würde also eine ordentliche politische Führung, die innerhalb der Koalition nicht mehr streitet, würde somit für das Wohl Deutschlands ausreichen.

Die Zukunft Europas

Für Orbán liegt der Schlüssel zum Problem darin, dass…

„Europa im Moment seine eigene Führung nicht beherrschen kann, es ist ein Führungsproblem“.

Während Amerika, China und Russland stabile Führungsstrukturen und eine starke Führung haben. Die europäische Demokratie bringe heute keine starken Führer hervor,…

…“weil die Brüsseler Bürokraten alles gefangen haben“

Dann Orbans rhetorische Frage:

Aber warum fangen wir sie nicht ein?“

Die europäische Politik habe Geburtswehen:

„Wenn wir einen Hügel hinaufgehen und von dort aus auf die europäische Politik schauen…: Dann sehe ich, dass die traditionelle Struktur der europäischen Politik, auf der europäischer Erfolg, europäische Parteiensysteme und starke Regierungen aufgebaut wurden, verschwindet.“

Früher habe es in Europa Links und Rechts gegeben, und beide hatten starke Führer. Heute freilich stünden aber ganz neue Themen auf der Tagesordnung, nicht: Fragen des Kapitals, der Arbeit, der Verteilung und der gerechten Löhne. Sondern: Krieg und Migration, Gender, die Zukunft unserer Kinder, das muslimisch-christliche Zusammenleben.

„Das sind keine Links-Rechts-Themen.“

 – betonte Orbán. Tatsächlich nämlich…

„löst sich die traditionelle europäische Rechts-Links-Parteienstruktur auf, und etwas Neues wird geboren“.

Seiner Ansicht nach müsse dieser Prozess in allen europäischen Ländern vorangetrieben werden, vor allem aber in den Schlüsselländern, Deutschland und Frankreich, wo die Transformation so schnell wie möglich erfolgen sollte:

„Das neue Zentrum ist bereits in den Herzen der Menschen geboren worden, aber die politische Elite muss es jetzt verfolgen und vertreten.“

– so Orbán.

Gerhard Schröder meinte: Man müsse…

…“den Leistungswillen so stark in den Menschen verankern, wie er es nach dem Krieg oder während der Agendapolitik war“.

Die europäischen Staats- und Regierungschefs müssten es wagen, schmerzhafte, aber wichtige und nützliche Entscheidungen zu treffen, auch wenn sie die nächste Wahl deswegen nicht gewinnen können.

„Manchmal müssen die Interessen der Menschen, des Landes Vorrang vor dem eigenen politischen Überlebenswillen haben.“

schloss Schröder.

Das ist es, was demokratische Führung ausmacht und was sie von anderen Formen der Führung unterscheidet.

Diese Zusammenfassung erschien zuerst auf MANDINER, unserem ungarischen Partner der Europäischen Medienkooperation. Die Zwischenüberschriften wurden von UME eingefügt.

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