Volksverpetzer: Blog gegen Desinformation verliert die Gemeinnützigkeit

Gemeinwohlorientierte, unkommerzielle Medienprojekte müssen in Deutschland immer wieder um ihre Gemeinnützigkeit bangen, wie der Fall des „Volksverpetzers“ zeigt. Eine Petition fordert jetzt die Ampel auf, endlich ihr Versprechen aus dem Koalitionsvertrag einzulösen.

Menschen stehen mit verschränkten Armen im Sonnenlicht auf einer Holzterrasse.
Die Redaktion des Volksverpetzers reagiert kämpferisch: „Wir schaffen das. Alle gemeinsam.“ – Alle Rechte vorbehalten Volksverpetzer.de

Das Finanzamt hat dem Volksverpetzer Ende April die Gemeinnützigkeit entzogen. Das etablierte Blog gegen Desinformation schreibt unermüdlich gegen rechtsradikale Verschwörungsmythen an und versucht mit Factchecking demokratiefeindliche Aussagen und Narrative zu widerlegen.

Das mehrfach ausgezeichnete Medium war seit 2019 gemeinnützig und dieser Status wurde 2021 vom Finanzamt bestätigt – bis jetzt. Für die Organisation bedeutet dieser Schritt, dass Spenden an sie nicht mehr steuerlich absetzbar sind und die Organisation nach eigener Aussage vermutlich zehntausende Euros an das Finanzamt zurückzahlen muss. Das Blog finanziert sich fast ausschließlich über Spenden, die Inhalte sind frei und ohne Paywall verfügbar.

In Deutschland ist Journalismus, der dem Gemeinwohl dient, noch nicht als eigener Gemeinnützigkeitszweck anerkannt. Gemeinwohlorientierte Medienprojekte brauchen daher einen anderen Gemeinnützigkeitszweck. Bei Fachmedien sind das beispielsweise Verbraucherschutz, Kunst- und Kulturförderung. Bei anderen ist die Gemeinnützigkeit mit der Förderung von Bildung abgedeckt. Und so besteht für Organisationen wie das Medienhaus Correctiv, das anfangs des Jahres mit einer aufsehenserregenden Recherche Millionen Menschen aufrüttelte und für Demokratie und gegen Faschismus auf die Straße brachte, immer eine gewisse Rechtsunsicherheit.

Wegen dieses Missstands haben sich Organisationen wie Correctiv, netzpolitik.org oder die Kontext:Wochenzeitung zusammen mit Stiftungen und Journalist:innnen-Verbänden zum Forum Gemeinnütziger Journalismus zusammengeschlossen. Sie wollen gemeinwohlorientierten, nicht kommerziellen Journalismus stärken und setzen sich dafür ein, dass diese Form des Journalismus als gemeinnützig anerkannt werden kann.

Ampel wollte gemeinnützigen Journalismus eigentlich absichern

Die Ampel-Koalition hatte sich in ihrem Koalitionsvertrag noch auf die Fahnen geschrieben, dass sie „Rechtssicherheit für gemeinnützigen Journalismus“ schaffen wolle – doch bislang ist nur wenig passiert. Die Bundesregierung plant offenbar nur eine untergesetzliche Regelung, die laut dem Forum Gemeinnütziger Journalismus keine Rechtssicherheit bringen und die gemeinwohlorientierte Redaktionen weiterhin der Auslegung der Ämter ausliefern würde.

Deswegen hat das Forum Gemeinnütziger Journalismus anlässlich des Volksverpetzer-Falls eine Petition gestartet. In dieser heißt es, dass der Fall des Volksverpetzers zeige: „Wir müssen das Gemeinnützigkeitsrecht dringend reformieren und endlich Rechtssicherheit für gemeinnützigen Journalismus in Deutschland schaffen.“

Weiter heißt es:

Als Forum erhoffen wir uns von der Rechtssicherheit für gemeinnützigen Journalismus einen Schub für demokratierelevanten Journalismus. Es bieten sich neue Chancen für neue Medien, für Medienmacher*innen, Impulse für Demokratie und Öffentlichkeit.

Propagandamedien könnten bei geltender Rechtslage nicht Nutznießer einer Gemeinnützigkeit von Journalismus werden. Die Vorgaben der Abgabenordnung wie Extremismusverbot, Förderung von Toleranz und Völkerverständigung sowie Allgemeinwohl schlössen dies aus. Im Gegenteil geht das Forum davon aus, dass gemeinnütziger Journalismus eine nachhaltige Wirkung für Öffentlichkeit, Diskurs und Demokratie entfalten würde.

Beim Volksverpetzer gibt man sich derweil kämpferisch: „Wir lassen uns nicht von dem Hass, den Drohungen, den vielen SLAPP-Klagen, DDOS-Attacken, Sendungen von „Mein Kampf“ an Privatadressen und was nicht alles einschüchtern. Und der Verlust der Gemeinnützigkeit wird auch daran nichts ändern.“

Offenlegung: netzpolitik.org ist Mitglied des Forums Gemeinnütziger Journalismus.


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