Truppenkollaps in Syrien: Experte über die Chancen von Baschar al-Assad, an der Macht zu bleiben

Der russische Nahost-Experte Kirill Semjonow hält es für verfrüht, Berichten über den Vorschlag der jordanischen und ägyptischen Behörden an den syrischen Präsidenten Baschar al-Assad zu glauben, das Land zu verlassen und einen Übergangsrat zu bilden, dem auch Vertreter der Opposition angehören würden. Es sei schwer, Fälschungen von dem zu unterscheiden, was hinter den Kulissen durchsickere. Die jordanische Botschaft in Washington hat offiziell Informationen über das Angebot an Assad dementiert. "Es gibt eine Menge widersprüchlicher Informationen, sodass es schwierig ist, die Art der aktuellen Ereignisse zu verstehen und zu erkennen, wer tatsächlich in der Lage ist, die Situation in Syrien zu beeinflussen", erklärte der Experte, der den Rat für Auswärtige Angelegenheiten berät. 

Unklar bleibe auch, ob die Türkei Einfluss auf Hayat Tahrir al-Scham (HTS, früher bekannt als Dschabhat al-Nusra) habe und ob Ankara verlangen könne, dass die Terroristen weitere Offensiven einstellen. "Es scheint mir, dass die Türkei den Vormarsch nicht stoppen kann, da Ankara keine so engen Beziehungen zu den Rebellen hat, um ihnen irgendwelche Anweisungen zu geben. Unter Umständen können sie sich in Worten auf eine Sache einigen, aber vor Ort wird sich die Situation völlig anders darstellen", fügte Semjonow hinzu.

Auch Iran hat in dem Konflikt keine entscheidende Stimme. "Teheran hat keine Truppen entsandt, solange die Grenze zwischen Syrien und dem Irak offen war. Jetzt ist die Grenze geschlossen. Außerdem haben die pro-iranischen Truppen selbst ihre Stellungen pro-kurdischen Formationen überlassen und sich nach Homs, Latakia, Damaskus und in den Irak zurückgezogen", sagte der Experte und fügte hinzu, dass auch die libanesische schiitische paramilitärische Organisation Hisbollah nicht in der Lage sei, Truppen von der Frontlinie nach Syrien zu verlegen, da der Krieg mit Israel jederzeit wieder aufgenommen werden könne.

Semjonow teilt die pessimistischen Prognosen bezüglich der Chancen Assads, an der Macht zu bleiben. "Die Terroristen haben Homs kampflos erreicht, die Selbstverteidigungsmilizen sind für sie eine größere Bedrohung als die nationale Armee. So war es auch in Hama, wo Verstärkung auftauchte und die Stadt dann aufgegeben wurde. Daher bedeutet die Konzentration einer großen Gruppe von Regierungstruppen an einem Ort nicht, dass diese Truppen zu kämpfen beabsichtigen. Wir haben gesehen, wie sich eine Kolonne von Regierungstruppen zur Befreiung von Aleppo bewegte, und dann wurden die Panzer und die Artillerie aufgegeben und die Truppen verschwanden", erinnerte der Gesprächspartner.

Die russische Luftwaffe fliegt weiterhin Angriffe, aber die Zahl der Flugzeuge reicht nicht aus, um den Vormarsch der Militanten zu stoppen. "Nach 2015 sind die russischen Verbände kleiner geworden. Es gibt keine Möglichkeit mehr, massive Luftangriffe durchzuführen. Selbst wenn die Größe der russischen Gruppierung beibehalten würde, ist es unmöglich, die Offensive zu stoppen, wenn niemand am Boden kämpft", bemerkte der Orientalist.

Wie sich die Ereignisse rund um Damaskus entwickeln werden, sei schwer vorherzusagen. "Wir wissen nicht, wie viele kampfbereite Kräfte Assad hat, die bereit sind, für ihn zu kämpfen. Wie wird sich die 4. Panzerdivision (die taktische Eliteeinheit der Syrischen Arabischen Armee), die Republikanische Garde oder jemand anderes verhalten?", fragt sich der Experte.

Semjonow glaubt jedoch, dass die Alawiten in Latakia und Tartus, sofern sie über Waffen verfügen, kämpfen und sich ernsthafte Gefechte mit den Terroristen liefern werden. In Latakia befindet sich der Flugplatz Hmeimim, auf dem die russische Luftwaffe stationiert ist, und in Tartus ein russischer Marinestützpunkt.

"Die Küste ist die stabilste Region in Syrien. Die Militanten wissen, dass sie dort nicht willkommen sind, anders als in anderen Regionen, wo es der Bevölkerung egal ist, wer an der Macht ist. In Tartus ist während des gesamten Bürgerkriegs kein einziges Stück Land verloren gegangen. Latakia und Tartus gelten als Hochburgen der Regierung", so Semjonow.

Russland, die Türkei und Iran führen am heutigen Samstag im katarischen Doha Gespräche über die Lage in Syrien. Moskau ist durch den russischen Außenminister Sergei Lawrow vertreten. Nach Angaben des syrischen Verteidigungsministeriums setzt die nationale Armee mit Unterstützung der russischen Luftwaffe die Offensive gegen die Terroristen in den Provinzen Hama und Homs fort. Es werden Artillerie- und Raketenangriffe auf die Stellungen der Kämpfer geführt. Lawrow bestätigte dies bei dem Treffen in Doha. 

"Wir versuchen alles zu tun, um zu verhindern, dass die Terroristen die Oberhand gewinnen. Auch wenn sie sagen, dass sie keine Terroristen mehr sind. Militärisch unterstützt Russland die syrische Armee mit Hilfe der in Hmeimim stationierten Luftwaffe, und wir helfen der syrischen Armee, terroristische Angriffe abzuwehren", sagte der Außenminister.

Seit Ende November haben die Kämpfer die Provinz Idlib, die Städte Aleppo und Hama im Norden und Deir ez-Zor im Osten unter ihre Kontrolle gebracht. Am Samstag gaben die Rebellengruppen bekannt, dass sie die Kontrolle über die Stadt Daraa übernommen hätten, die als symbolischer Ort für den Beginn des Aufstands gegen Assad im Jahr 2011 gilt.

Mehr zum Thema - Die Katastrophe in Syrien nimmt Fahrt auf

Übersetzt aus dem Russischen. Zuerst beim Wsgljad erschiehen

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