Selenskij sauer über Telefonat mit Putin: "Olafs Anruf ist die Büchse der Pandora"

Der ukrainische Machthaber Wladimir Selenskij hat sich verärgert über das Telefonat zwischen dem deutschen Bundeskanzler Olaf Scholz und dem russischen Präsidenten Wladimir Putin gezeigt. Der Staatschef, dessen reguläre Amtszeit im Mai abgelaufen ist, warf dem SPD-Politiker vor, mit dem Telefonat die "Büchse der Pandora" geöffnet zu haben. In einem am Freitagabend veröffentlichten Video sagte Selenskij, dass der Kanzler ihn vorab über das Telefonat in Kenntnis gesetzt habe:

"Und noch eine Sache. Kanzler Scholz hat mir heute mitgeteilt, dass er Putin anrufen wird. Olafs Anruf ist meiner Meinung nach die Büchse der Pandora. Nun könnte es weitere Gespräche und Anrufe geben. Nur eine Menge Worte. Das ist genau das, was Putin schon lange gewollt hat. Es ist wichtig für ihn, um seine und Russlands Isolation zu überwinden. Und Verhandlungen aufzunehmen, gewöhnliche Verhandlungen, die zu nichts führen werden. Wie er es seit Jahrzehnten getan hat. Dies hat Russland erlaubt, an seiner Politik nichts zu ändern, nichts Substanzielles zu tun, und letztlich hat das zu diesem Krieg geführt." 

Man habe die Herausforderungen jetzt verstanden und wisse, wie zu agieren sei. Er wolle jeden warnen, es werde kein "Minsk 3" geben. Man brauche wirklichen Frieden. Der frühere Fernsehkomiker schloss seine Ansprache wie üblich mit dem faschistischen Gruß "Slawa Ukraini".

Scholz und Putin hatten am Freitag zum ersten Mal seit fast zwei Jahren miteinander telefoniert. Den Pressemitteilungen beider Seiten zu dem Gespräch war wenig Neues zu entnehmen. So hieß es in der Erklärung des deutschen Regierungssprechers:

"Bundeskanzler Olaf Scholz hat heute Nachmittag mit Russlands Präsident Wladimir Putin telefoniert.

Der Bundeskanzler verurteilte den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine und forderte Präsident Putin auf, diesen zu beenden und Truppen zurückzuziehen.

Der Bundeskanzler drängte auf eine Bereitschaft Russlands zu Verhandlungen mit der Ukraine mit dem Ziel eines gerechten und dauerhaften Friedens und betonte die unverbrüchliche Entschlossenheit Deutschlands, die Ukraine in ihrem Abwehrkampf gegen die russische Aggression so lange wie nötig zu unterstützen."

In der russischen Erklärung wurde betont, dass das Gespräch auf Initiative der deutschen Bundesregierung zustande gekommen sei. Inhaltlich auch hier wenig Überraschendes:

"Es fand ein ausführlicher und offener Meinungsaustausch über die Lage in der Ukraine statt. Wladimir Putin erinnerte daran, dass die gegenwärtige Krise ein direktes Ergebnis der langfristigen aggressiven Politik der NATO ist, die darauf abziele, einen antirussischen Brückenkopf auf ukrainischem Territorium zu schaffen, während die Interessen unseres Landes im Bereich der Sicherheit ignoriert und die Rechte der russischsprachigen Einwohner mit Füßen getreten würden.

Zu den Aussichten auf eine politische und diplomatische Beilegung des Konflikts stellte der russische Präsident fest, dass die russische Seite die Wiederaufnahme der Verhandlungen, die vom Kiewer Regime unterbrochen wurden, nie abgelehnt hat und weiterhin offen ist. Die Vorschläge Russlands sind bekannt und wurden insbesondere in einer Rede im Juni im russischen Außenministerium dargelegt. Mögliche Vereinbarungen sollten die Interessen der Russischen Föderation im Bereich der Sicherheit berücksichtigen, von neuen territorialen Realitäten ausgehen und vor allem die Ursachen des Konflikts beseitigen."

Bemerkenswert war der Hinweis, dass nicht Russland, wie von Scholz und anderen deutschen Politikern gern behauptet, seine Gaslieferungen an die Bundesrepublik eingestellt hatte, und dass man in Moskau weiterhin zur Kooperation bereit sei:

"Auch der Stand der Dinge in den russisch-deutschen Beziehungen wurde angesprochen. Wladimir Putin wies auf ihre beispiellose Verschlechterung in allen Bereichen als Folge des unfreundlichen Kurses der deutschen Behörden hin. Es wurde betont, dass Russland seine vertraglichen Verpflichtungen im Energiesektor stets strikt erfüllt habe und zu einer für beide Seiten vorteilhaften Zusammenarbeit bereit sei, wenn die deutsche Seite daran Interesse zeige."

Scholz steht seit der Wahl Donald Trumps in den USA und dem Ende der Ampelkoalition innenpolitisch unter Druck. Die Kontaktaufnahme zu Putin könnte Beobachtern zufolge ein Versuch sein, vor den anstehenden Neuwahlen gegenüber der in den Umfragen weit vorn liegenden und beim Ukraine-Thema eskalationsfreudigen Union als kompromissbereite "Stimme der Vernunft" zu punkten. Am Sonntag wird Scholz beim G20-Gipfel in Brasilien erwartet, bei dem auch Russland in Person von Außenminister Sergei Lawrow vertreten sein wird.

Mehr zum Thema"Demnächst zur richtigen Zeit" – was bedeutet Scholz' endloses Gerede über Telefonate mit Putin?

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