Linksklick: Unter dem Deckmantel des „besorgten Geschichtsfans“

„Besorgte Geschichtsfans“ kritisieren mal wieder ein Videospiel. Wer allerdings genauer hinsieht, erkennt: Es geht ihnen eigentlich um etwas ganz anderes. Und das muss beim Namen genannt werden.

Darstellung eines Sumo-Kampfes, einer der Kämpfer ist Schwarz
Diese Darstellung von Sumo-Ringern stammt aus dem 17. Jahrhundert. – Public Domain unbekannt

Noch im November diesen Jahres wird das Riesenstudio Ubisoft sein nicht minder riesiges Franchise „Assassin’s Creed“ mit einem neuen Titel fortsetzen: „Shadows“ führt die Rollenspielreihe nach dem antiken Griechenland, dem alten Ägypten und dem nordischen Norden ins feudale Japan – ein lang geäußerter und herbeigesehnter Wunsch der Fangemeinschaft geht damit in Erfüllung. Seit dem allerersten Assassin’s Creed 2007 riefen viele nach dem Land der Samurai und Ninja.

Unter die Freude einiger Spielerinnen und Spieler mischten sich in den sozialen Netzwerken allerdings schnell auch Ärger, Frust und sogar Wut. Das hatte einen ganz besonderen Grund: Einer der beiden Protagonisten ist ein schwarzer Samurai. Und das sei ein „woker Schienbeintritt“ gegen die japanische Geschichte, die Ubisoft im Klammergriff seiner politischen Agenda gefangen halte.

Vorwürfe dieser Coleur stammen aus mehreren hundert Federn, die überall im Internet geschwungen wurden. Der schwarze Samurai erregte innerhalb weniger Stunden so viele Gemüter, dass es sich lohnt, diese Debatte einmal etwas genauer zu betrachten. Und, wie heißt es so schön: Das Ergebnis dieser Analyse wird Sie, liebe Leserinnen und Leser, überraschen. Vielleicht aber auch nicht.

Geschichtsbuch raus, es wird vorgelesen

Wir beginnen mit einer ganz naiven Grundannahme: Was, wenn es diesen verärgerten Kommentatoren wirklich und wahrhaftig um die Gefahr der Geschichtsverfälschung geht? Wenn diese Menschen tatsächlich befürchten, dass Spielerinnen und Spieler eine falsche Vorstellung vom feudalen Japan, seiner Gesellschaftsstruktur und den Samurai bekommen könnten?

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Auf der Suche nach Antworten auf diese Sorgen müssen wir gar nicht erst den langen Weg zur großen und komplizierten Debatte um Spiele als Kunstwerke und künstlerische Freiheit gehen. Es genügt, ein Geschichtsbuch aufzuschlagen. Vielleicht ahnen Sie es schon: Der schwarze Samurai Yasuke in „Assassin’s Creed: Shadow“ basiert tatsächlich auf der gleichnamigen historischen Figur. Darüber ist sich die Geschichtsforschung einig.

Nicht einig ist sich allerdings, nur am Rande, Wikipedia: Der Wiki-Eintrag von Yasuke ist mittlerweile zum digitalen Schlachtfeld mutiert, auf dem sich unterschiedliche Editoren mit Artikel-Updates bekriegen. Die einen löschen Belege des Samurai-Status für Yasuke, die anderen fügen sie wieder hinzu. An der Wahrheit kann dieser Kleinkrieg allerdings nicht rütteln.

Das heißt: Geschichtsverfälschung – wenn man diesen Vorwurf an ein Rollenspiel, in dem Feuerpfeile, weltverschwörerische Templerorden und Aliens (!) existieren, überhaupt anbringen kann – liegt hier nicht vor. Puh, Glück gehabt, alles in Ordnung? Die Kommentatoren können also beruhigt aufatmen, oder?

Leider nein, denn an genau diesem Punkt offenbaren die „besorgten Geschichtsfans“ ihr wahres Gesicht: Sie beharren in den sozialen Netzwerken weiter auf die Unmöglichkeit, dass dieses Spiel so mit japanischer Geschichte umgehen kann.

Dieses Beispiel zeigt erneut: Man kann diesen Menschen noch so viele Forschungsergebnisse, historische Belege oder gut durchdachte Argumentationen entgegenbringen, sie werden nicht von ihrem Generalverdacht der „woken Agenda“ abrücken. Eben nicht, weil es um „besorgte Geschichtsfans“ geht, sondern Rassismus.

Natürlich darf man über die Wahl des Protagonisten enttäuscht sein

Auch ich war überrascht von Yasuke als einer der beiden spielbaren Hauptrollen. Nichts, was ich erwartet hätte. Aber ich befülle nicht Kommentarbereiche mit wütenden Parolen, dass mir ein schwarzer Samurai mein Spiel kaputtmachen würde und tarne diese Gedanken mühsam mit falschem Geschichtsinteresse.

Ich bin gespannt auf dieses Spiel, freue mich über das Schlaglicht, das Ubisoft auf einen unbekannteren Teil der japanischen Vergangenheit wirft und lache auch weiterhin jeden Gamer aus, der sich „besorgter Geschichtsfan“ nennt. Denn diese Menschen sind das einzige, was an dieser Diskussion wirklich zum Kopfschütteln ist.


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