Depression, Angststörungen, Traumata: Bei mehr als 140 ehemaligen Content-Moderator:innen wurden schwere Folgeschäden ihrer Arbeit festgestellt. In Kenia verklagen sie ihre ehemaligen Arbeitgeber, den Plattformkonzern Meta und die Outsourcing-Firma Sama.
Im Gerichtsverfahren gegen ihre früheren Arbeitgeber haben zahlreiche Content-Moderator:innen in Kenia vorgebracht, dass sie unter schweren posttraumatischen Belastungsstörungen leiden. Diese seien durch ihre Arbeit verursacht worden, berichtet der Guardian. Die mehr als 140 Sicherheitsexpert:innen werfen dem Sozialen Netzwerk Facebook und der Outsourcing-Firma Sama aus den USA vor, sie nicht ausreichend vor den traumatisierenden Auswirkungen ihrer Tätigkeit geschützt zu haben.
Um die Social-Media-Plattform des Meta-Konzerns sicher zu halten, mussten die Arbeiter:innen in den Jahren 2019 bis 2023 acht bis zehn Stunden am Tag verstörende Inhalte sichten und moderieren. Dazu gehören Darstellungen von Tierquälerei, Gewalt, Vergewaltigung, Folter und Hinrichtungen. Angestellt waren sie nicht bei Facebook direkt, sondern bei dem Outsourcing-Dienstleister Sama, der damals Samasource hieß.
Bereits Anfang 2023 hatten insgesamt 184 Moderator:innen die beiden Firmen verklagt, nachdem sie überraschend entlassen worden waren. Sama beendete damals sein Geschäft im Bereich der Content-Moderation, nachdem Whistleblower Daniel Motaung die schlechten Arbeitsbedingungen öffentlich machte und es heftige internationale Kritik gab. Die entlassenen Fachleute für Social-Media-Sicherheit werfen den Unternehmen unter anderem unrechtmäßige Kündigungen, eine unfaire Beschäftigungspraxis, psychologische Folgeschäden, moderne Sklaverei und Menschenhandel vor.
Schlechte Bezahlung, schlechter Schutz
Dem Guardian zufolge untersuchte der Leiter der Abteilung für psychische Gesundheit am Kenyatta National Hospital in Nairobi, Dr. Ian Kanyanya, insgesamt 144 der Kläger:innen. Der Mediziner sei zu dem Schluss gekommen, dass es unter ihnen keine Person gäbe, die nicht schwere Folgen zu spüren habe, darunter auch Angststörungen und Depressionen. Mindestens 40 der Betroffenen hätten infolge der Erkrankungen Probleme mit Alkohol und Drogen entwickelt.
Die schlechten Arbeitsbedingungen im Tech-Outsourcing, wozu neben Content-Moderation auch Datenarbeit hinter KI-Anwendungen wie ChatGPT zählen, sind seit Jahren Anlass für Kritik. Die Kläger:innen in Kenia berichten nicht nur von mangelnden Schutzmaßnahmen und fehlender psychologischer Betreuung, sondern auch von erheblichem Arbeitsdruck, permanentem Monitoring und schlechter Bezahlung. Sie hätten um ein vielfaches weniger verdient, als Facebook-Moderator:innen in den USA.
Whistleblower Daniel Motaung, der Sama und Meta ebenfalls verklagt hat, wirft den Unternehmen auch vor, ihn und andere Kolleg:innen unter Vorspielung falscher Tatsachen aus ihren Heimatländern für den Job nach Kenia gelockt zu haben. Unterstützt werden die Moderator:innen von der britischen Nichtregierungsorganisation Foxglove Legal.
Vermittlungsgespräche waren gescheitert
Im August 2023 hatte ein Gericht in Nairobi die Parteien aufgefordert, sich außergerichtlich zu einigen. Die Unternehmen seien jedoch kaum auf die Forderungen der Moderator:innen eingegangen und hätten auf Zeit gespielt, sagte damals Mercy Mutemi, die Rechtsanwältin der Gruppe. Ende 2023 waren die Vermittlungsgespräche gescheitert.
Meta versuchte in dem Verfahren, die Verantwortung für die Arbeitsbedingungen von sich zu weisen. Da der Konzern lediglich der Auftraggeber war und die Moderator:innen bei Sama beschäftigt gewesen seien, trage er keine Verantwortung als Arbeitgeber und unterliege nicht der kenianischen Gerichtsbarkeit. Erst im September 2024 wies das Berufungsgericht in Nairobi die Beschwerde von Meta ab und machte so den Weg frei für das ordentliche Verfahren. Klargestellt ist inzwischen auch, dass Meta Verantwortung als Arbeitgeber trägt, weil es die Standards, Prozesse und Software für die Arbeit vorgegeben hat.
Auf Anfrage von netzpolitik.org teilte eine Meta-Sprecherin mit, das Unternehmen kommentiere keine laufenden Verfahrehn. Sama reagierte auf eine kurzfristige Presseanfrage am Donnerstagvormittag nicht. Wir tragen die Antwort hier ggf. nach.
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