Vergangene Woche Dienstag ließ die Bundesanwaltschaft acht Neonazis festnehmen. Ihnen wird vorgeworfen, unter dem Namen “Sächsische Separatisten” geplant zu haben, mit Waffengewalt Teile des Freistaats Sachsens zu erobern. Darauf sollten dann “ethnische Säuberungen” folgen. Mehrere der mutmaßlichen Rechtsterroristen waren Mitglieder bei der AfD und/oder deren Nachwuchsverband. Besonderes Aufsehen erregte ein Foto, das den Thüringer AfD-Landeschef und Faschisten Björn Höcke mit mindestens fünf der Rechtsterroristen zeigt. Die AfD will die Leute aus der Partei werfen und so tun, als hätte sie mit solchen Plänen nichts zu tun und habe von nichts gewusst – schließlich wären das erdrückende Argumente für ein AfD-Verbot. Stimmt das aber?
Diese Neonazis waren bei der AfD
Nun ist es nichts Neues, dass in Deutschland nach wie vor Menschen mit neonazistischem Gedankengut durchs Land ziehen. Erschreckend ist jedoch, dass einige dieser enttarnten, gewaltbereiten Rechtsextremen Mitglieder einer ebenfalls rechtsextremen Partei sind, die bei den Landtagswahlen in Sachsen beinahe zur stärksten Kraft wurden – genau dem Bundesland, in dem sie ihre militärischen Umsturzpläne beginnen wollten. In Thüringen gewann ihre Partei sogar die Wahl.
Hier eine kurze Übersicht zu den mutmaßlichen Terroristen, von denen bekannt ist, dass sie AfD-Mitglieder waren:
Kurt Hättasch – das Mitglied der Gruppe, welches die Polizei in einem Dorf nahe Grimma im Landkreis Leipzig festgenommen hatte, wobei Schüsse gefallen waren. Hättasch war Schatzmeister der Jungen Alternative Sachsen und saß im Kreisvorstand der AfD Leipzig Land. Außerdem war er Fraktionschef der AfD im Grimmaer Stadtrat.
Hans-Georg Pförtsch – ebenfalls Teil des AfD-Kreisverbandes, er war unter anderem auf Vorschlag der AfD Mitglied des Stadtbezirksbeirats Leipzig-Ost.
Kevin Richter – er ist ebenfalls AfD-Mitglied, er spielte beispielsweise gemeinsam mit Hättasch auf einer Gedenkveranstaltung der AfD, wie die Rechercheplattform zur Identitären Bewegung dokumentierte.
“Sächsische Separatisten” im Kreisverband: Hätte die AfD es wissen müssen?
Nun hat die AfD natürlich eifrig alle Parteimitglieder, die als Mitglieder der “Sächsischen Separatisten” enttarnt wurden, ausgeschlossen. Die rechtsextreme Partei möchte damit zeigen, dass sie auf gar keinen Fall etwas mit den mutmaßlichen Terroristen zu tun haben will. Die Botschaft: Wir achten darauf, alle diejenigen schnell auszuschließen, die erwischt werden, wie sie den Staat stürzen wollen, bitte prüft auf gar keinen Fall, ob wir verboten werden sollen! Denn wenn der AfD eine “aggressiv-kämpferische Haltung” nachgewiesen werden würde, also ob die AfD also auch aktiv versucht, mit Gewalt unsere Demokratie abzuschaffen, dürfte das der letzte Beweis sein, der ihr Verbot endgültig rechtfertigen würde. Doch gerade angesichts der Überlegungen zum AfD-Verbotsverfahren wäre es natürlich interessant zu wissen: Wie viel oder wenig wusste die AfD tatsächlich? Viele Indizien sagen: Mehr, als sie zugeben wollen.
Kurt Hättasch nahm beispielsweise laut einer taz-Recherche schon im Juni an einer rechtsextremen Sonnenwendfeier teil. Auf diesem wurden Lieder der Hitlerjugend gesungen und ein SS-Standartenführer geehrt. Demnach waren auf der Feier neben dem festgenommenen Hättasch auch weitere AfD-Kommunalpolitiker anwesend. Das wusste die Partei auch schon vor der vergangenen Woche.
Nicht die einzige Nazi-Gruppe
Nur ein Fehltritt? Wohl kaum. Auch, dass Hättaschs Frau nach taz-Informationen Tochter des ehemaligen Anführers der “Skinheads Sächsische Schweiz” (SSS), einer 2008 verbotenen Neonazi-Gruppe, ist, kann nicht allen in der Partei entgangen sein. Außerdem war Hättasch schon vor einigen Jahren bei Veranstaltungen des rechtsextremen ThinkTanks “Instituts für Staatspolitik”. Dessen Leiter Götz Kubitschek löste das Institut dieses Jahr auf, wohl vor allem um einem Verbot zuvorzukommen.
Angesichts all dieser Informationen ist es erschreckend, dass Hättasch bis letzte Woche immer noch Mitglied einer Partei sein konnte, die in Deutschland zu Wahlen antreten darf. Doch die AfD ist nicht nur inhaltlich rechtsextrem – auch personell sind solche extremen Besetzungen keine Einzelfälle, sondern haben System. Die ganze sächsische AfD ist schließlich gesichert rechtsextrem – also jeder einzelne.
Reichsbürger & Neonazis meets AfD: Kein Einzelfall
Ganz abgesehen davon, dass die AfD mittlerweile selbst in drei Bundesländern als gesichert rechtsextremistische Bestrebung gilt und deutschlandweit als Verdachtsfall beobachtet wird, hat die Partei schon länger viele Kontakte zur Reichsbürger- und Neonazi-Szene. Beteiligte werden von Seiten der AfD dabei in der Regel nicht bestraft, wie folgende Beispiele (eine kleine Auswahl!) zeigen:
- Dezember 2022: Die AfD-Bundestagsabgeordnete Birgit Malsack-Winkemann wird als Teil einer Razzia gegen Umsturzpläne der “Reichsbürger” verhaftet. Sie wird im Gefängnis offenbar von mehreren AfD-Abgeordneten besucht.
- Im Zuge der Ermittlungen kam heraus, dass Malsack-Winkemann einige der Verschwörer bereits im September 2022 unter Ausnutzung ihrer Rechte als AfD-Abgeordnete im Bundestag herumführte.
- Juli 2023: AfD-Politiker Maximilian Krah ist im Podcast beim rechtsextremen Verleger Götz Kubitschek zu Gast. Darin unterstützt er unter anderem die islamistischen Taliban, da diese mit ihrem Einmarsch in die afghanische Hauptstadt Kabul die einzig “richtige Antwort” auf den von der US-Botschaft ausgerufenen CSD in Afghanistan geliefert hätten.
- 25. November 2023: Bei einem Geheimtreffen in Potsdam besprechen Rechtsextreme um den Identitären Martin Sellner die massenhafte Vertreibung auch deutscher Staatsbürger:innen. Mit dabei:
- Der ehemalige AfD-Bundestagsabgeordnete Roland Hartwig (damals persönlicher Referent der AfD-Bundessprecherin Alice Weidel).
- AfD-Bundestagsabgeordnete Gerrit Huy.
- Pressesprecher der AfD-Fraktion im Landtag Brandenburg, Tim Krause. Krause trat bei den Landtagswahlen in Brandenburg 2024 wieder für die AfD an.
- Fraktionsvorsitzender der AfD im Landtag Sachsen-Anhalt, Ulrich Siegmund. Er ist auch weiterhin (Stand: November 2024) Fraktionsvorsitzender der AfD.
- Geschäftsführer der AfD-Fraktion im Landtag Sachsen-Anhalt, Patrick Harr. Harr ist auch der verbotenen “Heimattreuen Deutschen Jugend” (HDJ) zuzuordnen.
- Februar 2024: Auf Kleine Anfrage einer sächsischen Landtagsabgeordneten der Fraktion “Die Linke” wird bekannt, dass mehrere sächsische AfD-Mitglieder und auch Funktionäre eng mit der Reichsbürger-Szene, der Identitären Bewegung, dem rechtsextremen “Compact”-Magazin und den rechtsextremen “Freien Sachsen” vernetzt sind.
- Juni 2024: In Roßlau wird ein AfD-Politiker, der ebenfalls früher Mitglied bei der HDJ war, zum Bürgermeister gewählt.
Es gab warnungen – die ignoriert wurden
Die AfD hätte also sehr wohl etwas tun können – und es waren bei weitem keine bedauerlichen “Einzelfälle”. Doch auch wir als demokratische Mehrheitsgesellschaft müssen etwas dagegen tun. Denn im Falle der enttarnten mutmaßlichen Terrorgruppe wurde, wie so oft, erst gehandelt, als es fünf vor zwölf war.
Dabei gab es schon seit langem Hinweise. Ein Sozialarbeiter aus Grimma war bereits vor 10 Jahren an Hättasch geraten. Das war noch lange bevor dieser mit den anderen Rechtsextremisten der “Sächsischen Separatisten” einen Umsturz geplant haben soll. Er war schon damals, noch als Schüler, mit rassistischen und menschenfeindlichen Sprüchen aufgefallen. Der Sozialarbeiter aus Grimma und seine Kolleg:innen wurden mit ihren Warnungen damals nicht ernst genommen.
Viele Sozialarbeiter:innen und politisch Aktive kennen das. Ihre Warnungen werden bestenfalls wegrelativiert. Im schlimmsten Fall gibt es sogar Häme, Ablehnung und Hass für ihre Arbeit. Wer vor Rechtsextremismus und Neonazis warnt, bekommt Gegenwind, gerade (aber nicht nur) dort, wo große Teile der Bevölkerung selbst rechtsextrem wählen. Wer mahnt, bekommt schnell die “Nazi-Keule-Keule” ab. Nach aufwendigen Recherchen bekommen Aktivist:innen, Journalist:innen oder Sozialarbeiter:innen gesagt, dass sie “ja überall Nazis sehen” würden. Der Sozialarbeiter, der vor Hättasch warnte, wurde damals als “Nestbeschmutzer” beschimpft. Und wenn sie dann eben doch Recht hatten, wie in diesem Fall, tun alle so, als hätte man nichts wissen können.
Fazit: Mahnungen zuhören, Betroffenen glauben, AfD-Verbot prüfen!
Also: Hört denjenigen zu, die vor Radikalisierung und Rechtsextremismus warnen. Auch und gerade dann, wenn ihr es vielleicht nicht glauben wollt, dass gerade in eurer Stadt, in eurem Ort, sogar in eurem Verein Radikalisierung passiert! Wir alle müssen genau hinschauen und Probleme benennen, wenn wir unsere Zivilgesellschaft gegen schleichende rechtsextreme Übernahme abhärten wollen. Diejenigen die warnen, werden solange ausgelacht und ignoriert, bis es zu spät ist und dann behaupten alle, man “hätte es nicht wissen können”. Doch, kann man!
Gleichzeitig ist auch die Politik gefragt. Die Prüfung des AfD-Verbots droht in der aktuell turbulenten Phase unterzugehen. Doch um den Rechtsextremismus zu besiegen, müssen wir auch seinen politischen Arm bekämpfen. Bevor hier gleich wieder die wütenden Kommentare auftauchen: Ja, uns ist bewusst, dass das Problem größer ist als die AfD. Hättasch und die anderen “Sächsischen Separatisten” sind nicht wegen der AfD zu Neonazis geworden. Wir müssen auch die strukturellen Probleme bekämpfen.
Doch in der AfD haben Hättasch und mindestens zwei andere “Sächsische Separatisten” eine politische Unterstützungsstruktur gefunden. Sie konnten in Gremien innerhalb der Partei und ihrer Jugend mitentscheiden. Mindestens im Fall von Hättasch konnten sie über das Vehikel AfD sogar demokratisch legitimiert einen Fraktionsvorsitz in einem sächsischen Stadtrat ergattern. Genau das ist der Grund, warum wir ein AfD-Verbot prüfen lassen sollten. Es kann nicht sein, dass diese Partei als Struktur, Posten- und Geldgeber für Neonazis agiert, die mit militärischer Gewalt Land erobern und ethnische Säuberungen durchführen wollen. Es gibt mittlerweile zahlreiche Indizien, dass die AfD systematisch als Vehikel für Rechtsextreme genutzt wird. Genau deswegen muss das Bundesverfassungsgericht prüfen, ob diese Partei wirklich noch im Einklang mit unserer Demokratie steht.
Artikelbild: Foto mit Höcke: Kurt Hättasch (2.vl) und Hans-Georg Pförtsch (1.vr) sowie Jörg S, Jörn S. und Karl K. im Hintergrund, Markierungen und Unkenntlichmachung von Volksverpetzer. Rechte: vuecriticque
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