Von Rainer Rupp
Der Krieg in der Ukraine hat nicht nur die geopolitische Landschaft Europas verändert, sondern auch tiefgreifende Lehren für die militärische Planung und Taktik weltweit geliefert. Besonders die US-Streitkräfte haben begonnen, die Erfahrungen aus dem Konflikt intensiv zu analysieren und sich auf mögliche zukünftige Herausforderungen vorzubereiten.
Ein zentraler Aspekt dieser Analyse ist die verstärkte Nutzung von Drohnen und unbemannten Systemen sowie die Neuausrichtung der Streitkräfte auf eine flexiblere und effizientere Kriegsführung. Dies haben die Russen bereits vorbildlich gelöst und sie demonstrieren das jeden Tag. Der Schlüssel dazu ist die übergangslose Integration der Drohnen in das schnelle Zusammenwirken der einzelnen Teilstreitkräfte gegen identifizierte Ziele, die innerhalb kürzester Zeit nach ihrer Entdeckung von den Russen zerstört werden, und zwar von einer zu diesem Zweck am besten geeignete Waffe (Artillerie, Rakete, Flugwaffe etc.).
Wie die US-Streitkräfte von den Erfahrungen in der Ukraine lernen wollen, kann man einigen Veröffentlichungen der US-Online-Zeitschrift Defense One entnehmen, die dem Pentagon nahesteht. Im Folgenden die Links zu drei entsprechenden Veröffentlichungen: eins, zwei und drei. Demnach scheint man sich auch auf amerikanischer Seite einig zu sein, dass die Einführung von Drohneneinheiten eine Revolution in der Kriegsführung darstellt. Das sei eines der auffälligsten Ergebnisse aus dem Ukraine-Krieg.
Die US-Armee hat diesen Berichten zufolge das Konzept der Drohnenkriegsführung aufgenommen und will es in ihren eigenen Reihen umsetzen. In einer neuartigen Einheit, der (LUS) platoon, (wobei LUS für "Lethal Unmanned Systems", also "Unbemannte Tödliche Systeme" steht) werden Soldaten darin ausgebildet, Drohnen nicht nur zur Aufklärung, sondern auch für direkte Angriffe gegen den Gegner einzusetzen, was in der Ukraine seit zweieinhalb Jahren passiert, für die US-Army aber eine Neuigkeit zu sein scheint. Diese neue Formation wurde speziell eingerichtet, um die taktischen Vorteile unbemannter Luftfahrzeuge (UAVs) in realistischen Übungsszenarien zu testen, heißt es.
Die LUS-Einheit, die Teil der 101. Luftlandedivision "Schreiende Adler" ist, die zurzeit in Rumänien und in Polen stationiert ist, wurde mit moderner Drohnentechnologie ausgestattet. Die Drohnen, darunter Skydio- und Parrot-Systeme, haben sich als wertvoll erwiesen, um feindliche Truppen zu lokalisieren und den Weg für indirektes Feuer freizumachen. Während der Übungen sei klar geworden, dass diese Technologie erhebliche Vorteile in dichten Waldgebieten bietet, ähnlich wie es im Ukraine-Konflikt zu beobachten ist. Doch es gebe auch Herausforderungen: Die Reichweite der Drohnen sei begrenzt und in einer realen Kriegsumgebung könnten sie schnell ausfallen. Dennoch habe sich gezeigt, dass die Integration solcher Technologien das Potenzial habe, den Verlauf auf dem Schlachtfeld grundlegend zu verändern. Zugleich zeigt dieser Bericht über die LUS-Einheit, dass die Amerikaner noch ganz am Anfang stehen und das Ganze eher unbeholfen und amateurhaft wirkt.
General Darryl Williams, Kommandant der US-Armee für Europa und Afrika, will das energischer anpacken. Seinem Befehl zufolge haben in Europa stationierte US-Einheiten in den letzten Monaten ihre Strategien auf Basis der Lehren aus der Ukraine umfassend angepasst. Er betonte, dass kleine Teams von Soldaten regelmäßig in die Ukraine reisen, um wertvolle Erkenntnisse zu sammeln. Diese Informationen fließen direkt in die Entwicklung neuer Ausrüstungen und Taktiken ein.
Ein zentrales Element dieser Anpassungen sei die Einführung von Drohnentechnologie und Kommunikationssystemen, die nicht unbedingt Teil regulärer Beschaffungsprogramme sind. Besonders hervorgehoben wurde die Rolle der 10. Gebirgsdivision und deren "Strike Company", die direkt auf den Erfahrungen der Ukraine aufbaut. Diese Einheit verknüpft Drohnen mit Mörsern und "Loitering Munition" (stundenlang in der Luft umherlungernde Drohnen), die in Echtzeit Ziele angreifen können. Es handele sich dabei um eine neue Art der Kriegsführung, die schnell und flexibel auf Bedrohungen reagieren könne, heißt, wobei so getan wird, als hätten die Amerikaner gerade das Rad neu erfunden.
Ein weiterer Aspekt, der zu Recht von Defense One in den Fokus gerückt wird, betrifft die Sicherheit von Kommandoposten. Angriffe auf ukrainische Stellungen hätten gezeigt, wie verwundbar traditionelle Kommandostrukturen seien. Daher seien Maßnahmen ergriffen worden, um die US-Kommandoposten in Europa schwerer auffindbar zu machen. Dies erfolge unter anderem durch kleinere, mobilere Einheiten, die ihre Positionen schneller wechseln können.
Aber, so dringt zwischen den Zeilen der Defense One-Artikeln die Frage durch, ob das ausreicht? Dabei wird auch auf kritische Stimmen in den USA verwiesen, die bemängeln, dass die Lehren aus dem Ukraine-Krieg nicht umfassend genug gezogen würden. Eine Untersuchung habe zudem ergeben, dass nur wenige Analysten der verschiedenen US-Militärorganisationen sich intensiv mit der Auswertung der Ukraine-Erfahrungen befassen. Das könnte dazu führen, dass wichtige Erkenntnisse übersehen werden.
Ein zentraler Kritikpunkt ist, dass der Ukraine-Krieg oft als ein Konflikt zwischen zwei "sowjetischen Armeen" angesehen wird – einer großen und einer kleineren. Diese Sichtweise könnte die US-Streitkräfte dazu verleiten, die Lehren zu ignorieren, da sie glauben, dass zukünftige Konflikte anders verlaufen würden. General Brett Sylvia von der 101. Luftlandedivision vertritt die Meinung, dass der Grabenkrieg in der Ukraine wenig mit der Multi-Domain-Strategie der USA zu tun hat, bei der verschiedene militärische Domänen wie "Luft, Boden und Cyber" eng miteinander verknüpft sind. Hier kommt wieder der bereits systemimmanente US-amerikanische Hochmut bezüglich ihrer angeblichen technologischen Überlegenheit durch.
Einige skeptische Analysten gehen jedoch davon aus, dass trotz der angenommenen technologischen Überlegenheit der US-Streitkräfte diese dennoch von den taktischen Innovationen der Ukraine lernen könnten, insbesondere in Bezug auf den Einsatz von Drohnen und die Verteidigung gegen unbemannte Systeme. Die Tatsache, dass die US-Militärpräsenz in der Ukraine begrenzt ist, erschwere allerdings den direkten Zugang zu wertvollen Informationen von der Front.
Die Einführung von einigen wenigen Drohneneinheiten in der US-Armee wird höchstwahrscheinlich nur der erste Schritt auf dem Weg zu einer umfassenden Modernisierung der US-Streitkräfte sein. Insbesondere in Bezug auf die Logistik und die Integration neuer Technologien gebe es noch viele Herausforderungen zu bewältigen. Die Ukraine hat gezeigt, wie wichtig eine flexible und anpassungsfähige Kriegsführung ist, und die USA müssten sicherstellen, dass sie in der Lage sind, auf unerwartete Bedrohungen schnell zu reagieren, so der Konsens in den Defense One-Beiträgen.
Ein Bereich, in dem die USA bereits Fortschritte gemacht hätten, sei die Entwicklung neuer Ausrüstungen und Taktiken, die auf den Erfahrungen der Ukraine basieren. Dazu gehören fortschrittliche Drohnen, die für präzise Angriffe eingesetzt werden können, sowie Gegenmaßnahmen, um feindliche Drohnen zu stören oder zu zerstören. Es ist zu erwarten, dass die US-Armee in den kommenden Jahren noch stärker in diese Technologien investieren wird, um ihre Truppen auf zukünftige Konflikte vorzubereiten.
Zusammenfassend wird aus den hier diskutierten Beiträgen deutlich, dass der Krieg in der Ukraine das Pentagon aufgerüttelt hat und entsprechend tiefgreifende Auswirkungen auf die militärische Strategie der USA haben wird. Während einige Aspekte des Konflikts nicht direkt auf die US-Streitkräfte übertragbar sind, gibt es doch viele Lehren, insbesondere in Bezug auf den Einsatz von Drohnen und die Flexibilität von Kommando- und Kontrollstrukturen. Die USA stehen vor der Herausforderung, diese Lektionen in ihre zukünftige militärische Planung zu integrieren und sicherzustellen, dass sie auf moderne Kriegsführung vorbereitet sind.
Aber der Weg dahin ist lang, angesichts der Schwerfälligkeit des US-Beschaffungssystems und in Anbetracht der Neigung der privaten Rüstungskonzerne, dem US-Militär mithilfe ihrer Lobbyisten-Generäle immer die neueste und daher auch teuerste Technologie aufzuschwatzen, wird das auch viel Geld kosten. Auch aus einem weiteren Grund: Ungetestet werden sich die neuen Technologien von morgen in der Praxis regelmäßig als zumindest teilweise fehlerhaft erweisen. Deshalb muss von der Industrie mit großem Aufwand nachgebessert werden, was die Sache am Ende um ein Vielfaches teurer macht als ursprünglich geplant. Dafür gibt es endlos viele Beispiele, auch in Deutschland.
Der Plan, vollständig transformierte, den neuen Anforderungen gemäße Landstreitkräfte zu bekommen, wird in den USA nicht so schnell umsetzbar sein. Aktuell steckt die Transformation noch in den Kinderschuhen. Wenn jedoch Washington seinem hegemonialen Drang nicht abschwört und weiter Länder im Globalen Süden militärisch überfällt, wird es ein böses Erwachen geben. Denn um dem Aggressor USA empfindliche Schläge zu verpassen, reichen bereits die passenden Drohnen, die zudem auch noch billig in der Herstellung sind. Das Pentagon braucht da nicht von der Ukraine zu lernen, sondern die Huthi im Jemen haben Washington bereits eine entsprechende Lektion erteilt.
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