Wegen AKW-Ausfällen: Frankreich “bettelte” Habeck um Strom an

Cicero, BILD und Jens Spahn erfinden schon wieder einen Skandal um Habeck und Atomkraft. Diesmal werden die Fakten komplett auf den Kopf gestellt. 2022 fiel die Hälfte der französischen AKW aus, Habeck wollte wissen, ob Deutschland ihre Stromversorgung im Zweifel sichern müssen. Die rechten Desinformationsmedien Cicero und BILD behaupten jetzt dreist, dass es genau andersherum war und tun so, als “bettelte” Habeck um französischen Strom. Es ist nicht der erste erfundene Skandal um Habeck und AKW dieser Medien. Politiker wie Jens Spahn teilen dennoch diese Desinformation.

BILD, Cicero und Spahn täuschen mal wieder die Öffentlichkeit

Gestern war es wieder so weit: Jens Spahn sprang schon wieder auf dreiste Desinformation von Cicero und BILD auf. Wie meistens, wenn der von der Union als „Experte“ bezeichnete Spahn sich zu Energiefragen blamiert, zitiert er den Desinformation-Verbreiter Felix Rupprecht vom parteiischen Kampagnen-Blatt BILD. Energieversorgung ist ein kompliziertes Thema. Nicht umsonst gibt es dazu sehr viel hochwertige Informationen von Netzbetreibern, Bundesnetzagentur und Forschungsinstituten, tonnenweise Statistiken und Machbarkeitsszenarien. 

In diesem Fall ist die Realität allerdings ziemlich einfach. Was die Behauptungen von Spahn, BILD und Cicero nur umso peinlicher machen. Denn: Wenn überhaupt, hat Frankreich 2022 Deutschland um Strom “angebettelt”. 2022 war Deutschland Nettoexporteur und hat nur nach Österreich noch mehr exportiert als nach Frankreich. Cicero selbst (!) zitiert aus den Dokumenten: 

“ betont, auf Unterstützung bei Stromversorgung im kommenden Herbst/Winter angewiesen zu sein. ist es wichtig, dass wir im Winter ausreichend Strom nach liefern.” 

Da steht es schwarz auf weiß. Frankreich “bettelte” Deutschland an, nicht umgekehrt. Trotzdem behaupten die rechten Kampagnenmedien Cicero und BILD in ihren jeweiligen Überschriften exakt das Gegenteil.

Jens Spahn hingegen scheint mit Zahlen und Fakten auf Kriegsfuß zu stehen. Statt seriöser Informationen orientiert er sich schon wieder an Medien, die bekannt dafür sind, Desinformation zu verbreiten. Wieso informiert sich ein ehemaliger Bundesminister so schlecht zu wichtigen Themen für unser Land? Und warum verbreitet er verantwortungslos diese Fake-News einfach weiter und stellt sie nicht richtig? Kommt seine nächste Analyse zur Stromversorgung aus der Blitz-Illu oder der Leserbrief-Sparte der Bravo?

Was ist genau passiert: Habeck wollte wissen, ob Frankreich wegen AKW-Ausfällen Hilfe braucht

Aufhänger des neuesten Pseudoskandals ist ein Brief von Robert Habeck an seine französische Amtskollegin Agnès Pannier-Runacher vom August 2022, in dem er nachfragte, ob die französischen Kernreaktoren wie geplant 40 Gigawatt im November 2022 und 50 Gigawatt Leistung im Januar 2023 erreichen werden.

Hintergrund der Rückfrage war das französische Atomkraft-Krisenjahr 2022. Jedes zweite AKW in Frankreich stand aufgrund von Wartung oder Pannen (Risse in sicherheitsrelevanten Leitungen) still, der französische Betreiberkonzern EDF musste verstaatlicht werden, fuhr einen Nettoverlust von 5,3 Milliarden Euro ein und – aus deutscher Perspektive am wichtigsten – musste die Prognose für die Atomstromerzeugung in den kommenden Monaten drastisch senken.

Die Produktion der französischen Kernkraftwerke brach im dritten Quartal 2022 um fast 40 % gegenüber dem Vorjahr ein, das Maximum der Leistung überstieg im gesamten August 2022 nicht die 27 Gigawatt, im Jahr 2021 lag dieser Wert noch bei 43 Gigawatt. Als deutscher Energieminister also ein triftiger Grund, sich mit der Kollegin in Frankreich mal dazu auszutauschen, denn Frankreich bezog bereits in den Wintermonaten der Jahre 2015 bis 2021 deutlich mehr Strom aus Deutschland als in den Sommermonaten:

In der winterlichen Heizperiode steigt der französische Strombedarf auch wegen des alten Bestands an Elektro-Heizungen stark an, sodass er trotz der im Vergleich zu Deutschland kleineren Bevölkerung und trotz des kleineren Industrieanteils höher liegt als der deutsche Strombedarf.

„Wenn die Temperatur im Winter um ein Grad fällt, braucht es die Leistungskraft von zweieinhalb Kernreaktoren, um den zusätzlichen Bedarf zu decken.“ schreibt der DLF.

Die Situation war so ernst, dass es in Frankreich entsprechende Appelle gab, den privaten Stromverbrauch zu reduzieren. Unternehmen wurden verpflichtet, einen Energiesparplan vorzulegen, die Premierministerin Élisabeth Borne schwor ihre Landsleute am 31. August darauf ein, im größten Notfall auch in Wohnvierteln für jeweils 2 Stunden den Strom abschalten zu müssen. Wegen der übermäßigen Abhängigkeit von der unzuverlässigen Atomkraft.

Deutschland lieferte viel Strom nach Frankreich

Zu diesen Abschaltungen ist es glücklicherweise nie gekommen, der Winter 2022/2023 war recht mild, zudem haben Deutschland und Frankreich sich als europäische Nachbarn gegenseitig ausgeholfen, indem Deutschland besonders viel Strom an Frankreich lieferte und Frankreich in Deutschland mit dem hier knappen Erdgas aushalf.

Diese Lieferungen mussten aber gewährleistet werden, während der deutsche Atomausstieg auf Druck von Markus Söder (CSU) den 31.12.2022 als finales Datum für das gleichzeitige Herunterfahren von 3 Reaktoren vorsah. In diesem Kontext wurde der berühmte Stresstest der deutschen Netzbetreiber in Auftrag gegeben, um die Stabilität des deutschen Stromnetzes sicherzustellen.

Darin fanden sich mehrere Szenarien, in denen das Netz hohen Belastungen ausgesetzt war. Das Brisanteste darunter sah einen Importbedarf Frankreichs von 3 Gigawatt vor (Seite 56), wodurch es dann schon eng würde. Ein Blackout wäre auch dann nicht zu befürchten gewesen, aber im Zweifel hätten einzelne energiehungrige Unternehmen vom Netz getrennt werden müssen, was unter allen Umständen verhindert werden sollte. Auch wegen dieses Szenarios wurde sich letztendlich für einen Streckbetrieb der deutschen Reaktoren bis in den März 2023 hinein entschieden. Kürzlich erschien übrigens eine Nature-Studie, die zeigte, dass Energienetze, die überwiegend mit Erneuerbaren versorgt werden, Blackouts unwahrscheinlicher machen.

Aus dieser Gemengelage haben die Bild und Jens Spahn nun die Lügengeschichte entwickelt, Deutschland hätte um Atomstrom „gebettelt“. Abgesehen von dieser wiederholt kindischen Formulierung war es genau andersrum: Deutschland hat 2022 besonders viel Strom an Frankreich exportiert, weil gerade deren Atomkraftwerke in einem schlechten Zustand waren.

Wirtschaftsministerium zerlegt Spahn auf Twitter

Spahn schreibt dazu, vollkommen an der Realität vorbei:

„Um Atomstrom aus Frankreich betteln. Aber Kernkraftwerke in Deutschland abschalten. Die grüne Energiepolitik ist voller Widersprüche und hat unserer Wirtschaft nachhaltig geschadet! Das Schreiben an die franz. Energieministerin zeigt deutlich, dass bei der Abschaltung der Kernkraftwerke grüne Parteiideologie über den Interessen des Landes stand.“

Daran ist wirklich alles falsch. Die Kernkraftwerke wurden mit den Stimmen von CDU/CDU, SPD, FDP und Grünen, auch mit der Stimme von Jens Spahn abgeschaltet. Atomstrom hat Deutschland immer schon importiert, vor und nach dem Atomausstieg. Das Schreiben zeigt gar nichts, in der Folge liefen die deutschen Kernkraftwerke 3 Monate länger als von der CDU beschlossen.

Das Bundesministerium stellte auch prompt die Desinformation von Spahn richtig – und erhielt viel mehr Likes als der CDU-Politiker. Spahn ignoriert das einfach und scheint sich nicht richtig stellen zu wollen. Ist dem Mann die Wahrheit egal, solange es seinen politischen Gegnern schadet? Das wären Methoden wie von der AfD.

“Bettelt” man, wenn man Strom kauft?

Es wäre übrigens genauso bekloppt, umgekehrt Frankreich „Bettelei“ vorzuwerfen, wie wir es in der Überschrift satirisch überspitzt getan haben, denn hier wurde nichts erbettelt oder verschenkt. Frankreich hat für den deutschen Strom Geld bezahlt und Deutschland genauso für französisches Erdgas. Es ist ein wunderbares Beispiel europäischer Zusammenarbeit, für Solidarität unter befreundeten Ländern, die zusammen stärker sind als allein.

Dass ausgerechnet die Union hier wiederholt europäischen Stromhandel und Zusammenarbeit schlechtredet, ist unter dem Gesichtspunkt, dass rechtsextreme Populisten ohnehin EU und andere Partnerschaften von innen heraus zerstören wollen, so verantwortungslos wie gefährlich.

Dementsprechend wenig spielen Fakten in dieser Geschichte eine Rolle. Es wird wild gemutmaßt, ob die französische Ministerin für Energiewende Robert Habecks Verbündete war (vollkommen irrelevant), ob sie den deutschen Atomausstieg befürwortet (den Jens Spahn im Bundestag mitentschieden hat) und erzählt das vielfach wiederholte Märchen, Deutschland sei auf Stromimporte aus Frankreich angewiesen, weil diese im April 2023 ja wieder angestiegen sind.

Das mag Leute überraschen, die sich aus unerklärlichen Gründen immer noch auf Desinformation aus der BILD beziehen, weil sie so schön passende Lügen über die Grünen liefert, aber dass unsere Stromimporte aus Frankreich im Frühling sprunghaft ansteigen, war schon 2016, 2018, 2019, 2020 und 2022 der Fall. Frankreich braucht an warmen Tagen einfach viel weniger Strom (2,5 AKW weniger pro Grad) und kann dann mehr exportieren. Es wäre dumm, wenn Deutschland dann nicht einen Teil davon kaufen würde.

Nicht das erste Mal, dass Cicero einen Skandal erfand

Diese dreiste Fehlinterpretation des Briefes von Habeck wurde von BILD und dem offensichtlich inzwischen genauso unseriösen Cicero veröffentlicht. Dort schafft man es, dass man selbst die Vermerke liest, in welchen steht, dass Habeck wissen wollte, ob Frankreich Strom aus Deutschland braucht, um das dann einfach zu ignorieren und genau das Gegenteil dreist zu behaupten.

Es ist nicht das erste Mal, dass Cicero durch (absichtliche?) Fehlinterpretationen von derartigen Dokumenten einen Skandal um Robert Habeck erfindet. Im Frühjahr taten sie das gleiche mit der Inszenierung um “AKW-Files”. Bis heute halten sie jedoch an ihrer Desinformation fest. Und das, obwohl Volksverpetzer das längst als Pseudo-Skandal enthüllt hatte. Und das weiß Cicero auch: Sie gingen gerichtlich gegen uns vor – und verloren. Unser Faktencheck zu den Atom-Unterlagen darf unverändert bleiben und wir dürfen unter anderem weiter schlussfolgern, dass die AKWFiles zeigen, dass “Cicero hier einfach Dinge dazugedichtet hat, um einen Skandal zu erfinden”.

Jetzt versucht es das Desinformationsmagazin anscheinend erneut, einen Skandal zu erfinden, wo keiner ist.

Rechte Medien täuschen euch dreist

Was bleibt also von der ganzen Lügengeschichte? Energieminister Habeck hat während des russischen Angriffskriegs, einer angespannten Gasversorgung und einer historischen Atomkraft-Krise in Frankreich, die französische Kollegin gefragt, wann mit welcher Leistung aus der Atomkraft gerechnet werden kann, um sich auf die Exporte vorzubereiten.

Es spricht für Habeck, dass diese absolute Nichtigkeit tatsächlich das Skandalöseste ist, was die Bild für ihre Schmutzkampagne gefunden hat. Wenn das so weitergeht, geht es im nächsten Skandal vermutlich darum, dass Robert Habeck zum Frühstück ein Graubrot gegessen hat oder einen Pullover angezogen hat. Oh halt, letzteres ist wirklich passiert.

Das ist nicht nur kein Skandal, es wäre absolut fahrlässig gewesen, sich im August 2022 NICHT mit Frankreich abzusprechen. Möchte Jens Spahn sich in einer solchen Situation also nicht mit der Kollegin abstimmen? Er möchte immerhin selbst Minister in der nächsten Regierung werden.

Ob rechte Fake News Erfolg haben, liegt an uns

Spahn hat buchstäblich den Atomausstieg im Jahr 2011 selbst mit beschlossen, Robert Habeck nicht. Robert Habeck war seit 2011 der einzige Wirtschaftsminister, der die Laufzeit von Atomkraftwerken verlängert hat (gegen die eigene Parteibasis). Ihm daraus einen Strick drehen zu wollen, noch dazu, in dem man komplett die Realität verdreht, wirkt insbesondere von Jens Spahn, während dessen Amtszeit als Bundestagsabgeordneter 13 Atomkraftwerke abgeschaltet wurden, ohne dass er dagegen irgendeinen Protest geäußert hätte, so verlogen wie heuchlerisch.

Dass sein Tweet mit der Desinformation nach wie vor online ist und auch wie seine anderen der Lüge überführten Tweets nicht gelöscht werden wird, zeigt, dass die Union sich leider mehr und mehr an Donald Trumps Strategie, den Diskurs mit Desinformation zu vergiften, orientiert. Fakten werden so lange verwässert, bis niemand mehr sicher ist, was eigentlich stimmt.

Offenbar denkt Spahn, dass die Deutschen sich ähnlich leicht von Desinformation manipulieren lassen, wie die US-Amerikaner. Ob diese Strategie Erfolg hat, liegt aber an uns. Wir sollten auch den Teilen der CDU, die diese Strategie ausprobieren, zeigen, dass sie sich nicht lohnt, in der Hoffnung, dass man von diesem Irrweg ablässt. Teilt diesen Faktencheck, konfrontriert Spahn, Klöckner und die in der CDU, die Desinformation verbreiten, mit den Fakten und stellt klar, dass wir solche Methoden nicht wollen.

Artikelbild Kay Nietfeld/dpa

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