Urteil in Österreich: Wer bei Shitstorm mitmacht, haftet alleine für den Gesamtschaden

Das oberste Gericht in Wien hat zugunsten eines Tiroler Polizisten entschieden, der auf Facebook Opfer eines Shitstorms wurde. Der Beklagte muss den Schadensersatz alleine zahlen. Einen Teil der Strafe kann er sich von anderen Teilnehmer:innen am Shitstorm zurückholen.

Hasssymbole auf einem blauen Blatt
Shitstorms können in Österreich teuer werden – Gemeinfrei-ähnlich freigegeben durch unsplash.com Mika Baumeister

Wer sich in Österreich an einem sogenannten Shitstorm beteiligt, muss damit rechnen, für den dadurch entstehenden Gesamtschaden belangt zu werden. Das geht aus einem Urteil des Obersten Gerichtshofs (OGH) in Österreich hervor.

Das Gericht hat den Fall eines Tiroler Polizisten verhandelt. Er hatte Klage erhoben, nachdem es auf Facebook zu einem Shitstorm gegen ihn gekommen war. Das Gericht entschied zugunsten des Polizisten. Der Beklagte muss nun 3.000 Euro Schadensersatz zahlen.

Der Fall des Polizisten

Der Polizist war im Jahr 2021 auf einer Demonstration gefilmt worden. Die Person, die den Film erstellt hatte, postete das Video mit folgendem Begleittext auf Facebook:

„Lasst dieses Gesicht des Polizisten um die Welt gehen. Dieser Polizist eskalierte bei der Demo in Innsbruck. Ein 82-jähriger unschuldiger Mann wurde zu Boden gerissen, verhaftet, und Stundenlang verhört. Dieser Polizist ist schuldig.“

Tatsächlich war der Polizist an der Verhaftung des Mannes nicht beteiligt,  sondern nur Teil der polizeilichen Absperrkette. Dennoch erhielt er etliche Hasskommentare, die sich gegen seine Person richteten.

Der Beklagte hatte einen Screenshot des Postings geteilt. Der Beitrag war für die Dauer von sechs Tagen auf dessen Facebook-Seite zu sehen. Der Polizist konnte insgesamt 406 Personen ausmachen, die den Beitrag auf ihren Facebook-Profilen geteilt und mitunter herabwürdigend kommentiert hatten.

Der Polizist zog vor Gericht und forderte eine Schadensersatzzahlung in Höhe von 3.000 Euro. In der Vorinstanz bekam er nur 450 Euro zugesprochen. Der Kläger legte Revision ein, der der OGH stattgab. Der Beklagte ist nun zu einer Zahlung von 3.000 Euro verpflichtet, unter anderem wegen der „Bildnisschutzverletzung nach dem Urheberrechtsgesetz“ und der Verletzung des Datenschutzes.

Mehr Opferschutz im Netz

Der Angeklagte muss die auferlegte Strafzahlung nicht allein tragen. Der OGH kommt zu dem Schluss,

dass das Opfer eines Shitstorm nicht zu jeder von ihm erlittenen Kränkung oder Gefühlsbeeinträchtigung, etwa durch Konfrontation damit in seinem Umfeld, die konkrete „Quelle“ der herabsetzenden Äußerung als Ursache benennen und belegen muss. Es genügt der Nachweis des Klägers, Opfer eines Shitstorm gewesen zu sein, und dass sich der konkret belangte Schädiger daran rechtswidrig und schuldhaft beteiligt hat.

Somit sind Geschädigte nicht dazu verpflichtet, nachzuweisen, welche Personen an einem Shitstorm beteiligt gewesen sind. Sie müssen nur beweisen, dass sie Opfer eines Shitstorms geworden sind und ihnen mindestens eine andere Person rechtswidrig einen Schaden zugefügt hat.

Der Beklagte hat die rechtliche Möglichkeit, sich von anderen Personen, die an dem Shitstorm beteiligt waren, einen Anteil der Kosten zurückzuholen.

„Die Schwierigkeit, andere Schädiger ausfindig zu machen, und das Risiko der Uneinbringlichkeit (bei einzelnen Schädigern) ist von den Schädigern zu tragen“, so der OGH. „Die einzelnen Poster, die zumindest teilweise untereinander vernetzt sind und wissen, an welche ‚Freunde‘ sie den Beitrag weitergeleitet haben, haben die Schadensaufteilung im Regressweg untereinander vorzunehmen.“


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