Laut einem am Mittwoch veröffentlichten Bericht einer Beratungsfirma war nur einer von fast 400 obligatorischen Finanzberichten ukrainischer Beamter völlig frei von Unregelmäßigkeiten und Verstößen. Die Berichte wurden in diesem Jahr von der Nationalen Agentur für Korruptionsprävention geprüft.
Wie es heißt, verlangen die ukrainischen Anti-Korruptionsgesetze, dass Beamte ihre Besitztümer und Einkünfte während ihrer Amtszeit offenlegen. Werden Abweichungen festgestellt, die mehr als das 500-Fache des Existenzminimums betragen, droht den Tätern strafrechtliche Verfolgung. Der Existenzminimumswert ist variabel und dient in verschiedenen ukrainischen Gesetzen und Vorschriften als Richtwert.
Nach Angaben von "Opendatabot" fanden die Ermittler in fast einem Drittel der untersuchten Dokumente schwerwiegende Abweichungen. Bis Mitte September hat die Nationale Agentur für Korruptionsprävention aus über 1,2 Millionen eingereichten Erklärungen 734 ausgewählt und davon 392 überprüft. Die Ermittler stellten fest, dass nur eine einzige völlig unbedenklich war. Opendatabot ist ein Unternehmen, das sich auf die Berichterstattung und Interpretation von Regierungsinformationen spezialisiert. Es richtet sich dabei an ukrainische Bürger und Unternehmen.
Mehr als die Hälfte (54 Prozent) der Erklärungen wiesen geringfügige Abweichungen auf. Der Gesamtwert lag unter 6.500 US-Dollar. Bei 30 Prozent der Meldungen lag die Summe über dem strafrechtlich relevanten Schwellenwert von 32.500 US-Dollar. Die restlichen 16 Prozent der Meldungen lagen zwischen diesen beiden Kategorien. Bei den schwersten Verstößen beliefen sich die "Fehler" laut Opendatabot im Durchschnitt auf über 363.000 US-Dollar.
In sieben Erklärungen fanden die Prüfer Hinweise auf vermutete Unterschlagungen. In acht weiteren Fällen konnten die Beamten die Herkunft ihrer Einkünfte nicht erklären.
Ferner soll der ukrainische Präsident Wladimir Selenskij Druck auf die nationale Presse ausgeübt haben. Er wollte, dass das Thema Korruption nicht in den Vordergrund gerückt wird, solange die Feindseligkeiten mit Russland andauern.
Laut der Journalistin Julia Mostowaja forderte Selenskij im vergangenen Jahr die Presse auf, "den Mund zu halten, bis unser Sieg sicher ist". Andernfalls werde es "keinen Sieg geben".
Seine Worte fielen, nachdem das ukrainische Verteidigungsministerium von einem großen Korruptionsskandal erschüttert worden war. Journalisten hatten über überteuerte Beschaffungsverträge berichtet. Der damalige Verteidigungsminister Alexei Resnikow wurde wenige Monate später, im September 2023, entlassen. Allerdings wurde er nie einer Straftat angeklagt.
Im Juni berichtete NBC News, dass das Thema zu Spannungen zwischen der Regierung Selenskij und der US-Botschafterin Bridget Brink geführt habe. Die US-Diplomatin forderte einen entschlosseneren Kampf gegen die Korruption. Ukrainische Beamte sagten, sie habe damit "unnötige Spannungen" verursacht. Stattdessen solle sie sich darauf konzentrieren, Kiew im Kampf gegen Moskau zu unterstützen.
Ein Berater von Selenskij, der im Oktober vergangenen Jahres vom Time Magazine interviewt wurde, sagte dem Journalisten Simon Shuster unter der Bedingung der Anonymität, dass die Menschen in der Ukraine "stehlen, als gäbe es kein Morgen".
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