Von Jewgeni Posdnjakow
Dem russischen Verteidigungsministerium zufolge gelang es Russland, die Militärpläne des Gegners für das Jahr 2025 zu vereiteln. Dennoch verfügt die Ukraine nach wie vor über erhebliche Mobilisierungsressourcen, und viele ukrainische Soldaten nehmen zurzeit an militärischen Ausbildungsmaßnahmen in NATO-Ländern teil. Hilft dies den ukrainischen Streitkräften bei der Durchführung neuer Militärangriffe im nächsten Jahr, und mit welchen Bedrohungen könnte Russland dabei konfrontiert werden?
Die russische Armee habe faktisch die gesamte Militärkampagne der ukrainischen Streitkräfte für das Jahr 2025 durchkreuzt, sagte der russische Verteidigungsminister Andrei Belousow bei einer Inspektion der Nord-Gruppierung. Ihm zufolge wurden die besten Einheiten der ukrainischen Streitkräfte vom russischen Militär bereits "zermahlen". Er wies auch darauf hin, dass sich das Vormarschtempo der russischen Streitkräfte erheblich beschleunigt habe.
Dennoch ist das Büro von Wladimir Selenskij weiterhin in der Lage, die Militärausbildung der Reservekräfte durchzuführen. Bereits im Sommer wurden die Pläne der ukrainischen Streitkräfte zur Bildung neuer mechanisierter Brigaden bekannt. Wie das Portal Militaryland berichtete, sollten diese Militäreinheiten aus gut vorbereiteten und im Westen militärisch ausgebildeten Kämpfern bestehen. So wurde eine dieser Militäreinheiten in Polen trainiert.
Nach Angaben von Forbes wird die Zahl einer derartigen Militärbrigade 2.000 Mann betragen. Um die Soldatenzahl zu erhöhen, wurde in der Ukraine sogar ein Prozess zur Verschärfung der Mobilisierungsgesetze eingeleitet. Laut Financial Times beläuft sich die Mobilisierungsreserve der ukrainischen Streitkräfte auf etwa 3,7 Millionen Mann, sodass Selenskijs Büro wohl in der Lage sein wird, die fehlenden Soldaten zu rekrutieren.
Gleichzeitig bilden die NATO-Länder weiterhin eine große Zahl ukrainischer Militärs aus. So wurde in Großbritannien das Ausbildungsprogramm für die ukrainischen Streitkräfte – an dem bereits 45.000 Kämpfer teilnahmen – bis Ende 2025 verlängert, und in der spanischen Stadt Toledo sollen allein bis Ende Dezember rund 3.000 Spezialisten für den Einsatz der Hawk- und Patriot-Systeme ausgebildet werden.
In Deutschland laufen weiterhin Programme für die Vorbereitung von Sturm-Pionierkräften. Bis zum Winterende soll die Gesamtzahl der im Rahmen dieses Programms ausgebildeten ukrainischen Streitkräfte 75.000 erreichen. Ein weiteres Augenmerk liegt auf der Vermittlung von taktischem Wissen: So führen die Polen beispielsweise Kurse zur Gefechtsplanung für ukrainische Streitkräfteführung durch.
Frankreich wiederum organisierte eine Militärausbildung für die 155. Brigade der ukrainischen Streitkräfte. Nach Ansicht der Experten wird die Ukraine im nächsten Jahr trotz des anhaltenden Mobilisierungspotenzials und einer Vielzahl von Militärausbildungsprogrammen seitens des Westens mit solchen Problemen wie der geringen Motivation der Soldaten und dem Mangel an militärischen Fachkräften konfrontiert sein.
Der Militärexperte Maxim Klimow beschreibt die Lage so:
"Die russische Armee hat die ukrainischen Streitkräfte in diesem Jahr ernsthaft in Bedrängnis gebracht. Für eine Entspannung ist es jedoch noch zu früh: Der Gegner ist immer noch stark und bereitet sich intensiv auf die nächste Saison vor. Erstens behält die ukrainische Armee erhebliche UAV-Ressourcen. Einigen Angaben zufolge verfügt sie über insgesamt etwa 1,3 Millionen Drohnen.
Zweitens verfügt Selenskijs Büro weiterhin über erhebliche Mobilisierungskapazitäten. Darüber hinaus stehen ihm gleich mehrere 'Quellen' zur Beschaffung militärischer Kräfte zur Verfügung. Es gibt eine große Zahl von Kriegsdienstverweigerern in der Ukraine, die von den territorialen Militärkommissariaten einfach noch nicht erreicht wurden. Die Anstrengungen zur Bekämpfung dieser Personenkategorie werden sicherlich zunehmen."
Klimow weiter:
"Ferner gibt es eine große Anzahl ukrainischer Bürger im Ausland. Sie sind größtenteils in der Europäischen Union versammelt. Und Brüssel könnte den ukrainischen Streitkräften durchaus bei der Heimkehr potenzieller Kriegsdienstpflichtiger in die Ukraine 'helfen'.
Den Betroffenen werden möglicherweise Aufenthaltsgenehmigungen oder Visumsverlängerungen verweigert. Ausreden lassen sich immer finden. Diese Menschen haben praktisch keine Wahl: in ihr Heimatland zurückzukehren oder – wenn sie Russland gegenüber loyal sind – zu uns zu kommen. Leider werden sich aufgrund der laufenden Propagandakampagne nur wenige Menschen für die zweite Option entscheiden."
Auch eine weitere Gegenoffensive will Klimow nicht ausschließen:
"Nach wiederholten Äußerungen von Selenskij verfügen die ukrainischen Streitkräfte zudem noch über Brigaden, die bislang nicht in die Kämpfe einbezogen wurden. Höchstwahrscheinlich handelt es sich um 10 bis 14 Brigaden. Sie sind sowohl in der Westukraine als auch in NATO-Ländern stationiert. Dort werden sie auch weiterhin militärisch ausgebildet.
Meiner Meinung nach werden diese Reserven im nächsten Jahr an die relevanten Frontabschnitte herangezogen. Die Überlegenheit an Mannstärke sowie die westliche Unterstützung könnten Selenskij eine weitere Chance zur Gegenoffensive verschaffen. Vielleicht werden wir im Jahr 2025 einen ernsthaften Offensivschlag in Richtung Süden erleben.
Der Gegner wird sicherlich versuchen, Russlands Verteidigung in den Gebieten Cherson und Saporoschje zu durchbrechen. Das Maximalprogramm besteht in dem Durchbruchsversuch zum Asowschen Meer, um Russland einen Landkorridor zur Krim zu entziehen. Viele im Westen betrachten dies als eine wichtige Aufgabe aus wirtschaftlicher, politischer und militärischer Sicht. Deshalb sollte man den Gegner nicht unterschätzen. Es ist wichtig, sich auf die heimtückischsten Angriffe vorzubereiten."
Der Militärexperte Alexei Anpilogow vertritt einen etwas anderen Standpunkt. Ihm zufolge war das laufende Jahr für den Ukraine-Konflikt von kritischer Bedeutung:
"Ja, man darf sich keine Illusionen machen: Wir haben es immer noch mit einem starken Gegner zu tun, der jahrelang für den Kampf gegen Russland vorbereitet wurde. Dennoch zeichnen sich einige bedauerliche Entwicklungen für die ukrainischen Streitkräfte ab.
Die Qualität der ukrainischen Streitkräfte hat in diesem Jahr erheblich nachgelassen. Selenskijs Büro war zu sehr auf das Abenteuer in dem Gebiet Kursk erpicht und hat die stärksten Armee-Einheiten dorthin verlegt. Jetzt formieren sich die Gegnertruppen in einer kritischen Situation: Die neuen Militäreinheiten setzen sich überwiegend aus unerfahrenen Kämpfern zusammen."
Anpilogow weiter:
"Die Ukraine hat eine riesige Menge an erfahrenen Soldaten verloren. Und obwohl das Mobilisierungspotenzial des Landes noch lange nicht ausgeschöpft ist, ist es äußerst problematisch, die Veteranen der ersten Konfliktmonate durch Kriegsdienstverweigerer zu ersetzen. Die vor der Mobilisierung Versteckten weisen nicht nur keine militärische Vorbildung auf, sondern sind auch wenig motiviert.
Und die psychologische Stabilität eines Soldaten stellt einen wichtigen Faktor bei jedem Kampfeinsatz dar. Es ist kein Zufall, dass die Zahl der Deserteure aus den ukrainischen Streitkräften in letzter Zeit zugenommen hat. Man kann natürlich auch junge Menschen unter 25 Jahren zum Kriegsdienst heranziehen, aber das käme bereits einer 'Mobilisierung der Verzweiflung' gleich. Dies wird sich nicht positiv auf die Effizienz der Truppen auswirken.
Was die in NATO-Ländern ausgebildeten Militärs angeht, so ist auch dieser Faktor kein Allheilmittel. Zur Erinnerung: Im Jahr 2022 wurden nach Europa oder in die USA diejenigen geschickt, die die ersten Monate des Konflikts bereits hinter sich hatten. Das waren Berufssoldaten und sie konnten mehr als sechs Monate in Deutschland verbringen.
Nach ihrer Rückkehr wurden sie den neuen Rekruten zugeteilt. Das war zugegebenermaßen kein schlechter Plan für die Bildung von Militäreinheiten. Jetzt können sich die ukrainischen Streitkräfte diesen Luxus nicht mehr leisten. So werden frisch mobilisierte Kämpfer nach Westen geschickt, wobei die Ausbildungszeit auf einige Wochen verkürzt wurde. Im Grunde genommen durchlaufen sie eine Art 'Jungkämpferkurs', der allerdings im Ausland stattfindet."
Das Resümee des Experten:
"Meines Erachtens wird sich die Ukraine unter diesen Bedingungen nicht zu einer groß angelegten Offensive bereitfinden. Aber die ukrainischen Streitkräfte werden nicht einfach herumsitzen. Höchstwahrscheinlich werden sie versuchen, mehrere neue abenteuerliche Aktionen zu unternehmen, die im Westen die Illusion eines Erfolgs hervorrufen und für Russland eine gewisse Erschwernis darstellen werden.
Es geht um potenzielle Invasionsversuche in Transnistrien und Weißrussland. Die Gefahr neuer Aktionen zum Eindringen in unser Grenzgebiet schließe ich auch nicht aus. Außerdem könnte es Aktionen geben, um die Kontrolle über die Kernkraftanlagen zu erlangen. Natürlich ist es nicht sicher, dass dies alles gelingen wird, aber wir sollten uns auf solche Angriffe seitens der ukrainischen Streitkräfte im Jahr 2025 vorbereiten."
Übersetzt aus dem Russischen. Der Artikel ist am 22. November 2024 zuerst auf der Seite der Zeitung Wsgljad erschienen.
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