Von Waleria Werbinina
In Frankreich greifen Demonstranten ein Heiligtum an: Es geht um einen Streik der Beschäftigten des weltberühmten Cognac-Herstellers Hennessy. Wie ist es dazu gekommen? China hat die Zölle auf importierten Cognac in Flaschen um 35 Prozent erhöht, und Hennessy ist nach Angaben von BFMTV eine Marke, die "extrem abhängig von Exportlieferungen" ist.
Für die Holdinggesellschaft LVMH (Louis Vuitton Moët Hennessy) brechen bereits schwierige Zeiten an. Im dritten Quartal dieses Jahres sank der Umsatz dieses aus zahlreichen Modemarken (Dior, Guerlain, Givenchy und anderen) und Herstellern von Luxusalkohol bestehenden Unternehmens um 4,4 Prozent und betrug weniger als 20 Milliarden Euro. Diese Tendenz entwickelte sich nicht plötzlich – auch im ersten Halbjahr 2024 war ein Rückgang in fast allen Segmenten zu verzeichnen, wobei der Absatz von alkoholischen Getränken sogar um zwölf Prozent zurückging.
Zum besseren Verständnis der Situation sollte man bedenken, dass ein Viertel aller französischen Cognac-Exporte nach China geht. Es ist der zweitwichtigste Markt für die französischen Hersteller, und mit China befindet sich die EU derzeit in einem inoffiziellen Handelskrieg.
Die Europäische Kommission gab am 4. Oktober die Entscheidung der EU-Länder zur Einführung von Zöllen auf chinesische Elektroautos bekannt. Je nach Hersteller werden die Zölle nun bis zu 36,3 Prozent betragen. In Reaktion darauf kündigte China erstens eine künftige Automontage in Europa an und schlug zweitens mit der Zollerhöhung auf Brandy und Cognac zu, die hauptsächlich in Frankreich hergestellt werden. Aber das war nur der Anfang.
Die Hennessy-Geschäftsführung entschied, dass der Verlust des chinesischen Marktes zu teuer wäre, und reagierte in typisch französischer Manier: Nach sorgfältiger Prüfung dieser Zollbestimmungen stellte die Holding fest, dass sie nur für in Flaschen eingeführten Cognac gelten.
Wenn der Cognac also nicht in Flaschen, sondern beispielsweise in Fässern nach China geliefert wird, fällt der Zoll nicht an. Keine Flaschen – keine Überzahlung.
Früher wäre es der Hennessy-Geschäftsleitung natürlich nie in den Sinn gekommen, ihre Produkte wie im 18. Jahrhundert in Fässern zu transportieren. Aber wenn man nicht zu viel bezahlen will, muss man sich etwas einfallen lassen. Und die Lösung des Problems wurde gefunden: Der Cognac sollte in großen Behältern (Fässern oder Spezialtanks) nach China geliefert und vor Ort in Flaschen abgefüllt werden. Doch dann erkannten die örtlichen Gewerkschaftsvertreter die Situation und beschlossen, dass sie es nicht dabei belassen würden.
So teilte Frédéric Merceron, ein Vertreter der Gewerkschaft Force Ouvrière, gegenüber den Hennessy-Beschäftigten mit:
"Wir wurden von der Geschäftsleitung darüber informiert, dass sie Behälter testen werden, weil die Abfüllung nun in China stattfinden wird. … Man kann sich vorstellen, zu welchem Personalabbau das führen wird."
"Zum ersten Mal macht ein so bekanntes Unternehmen etwas Derartiges", sagte Mathieu Devers, Mitglied der Gewerkschaft CGT. Der Gewerkschafter ist der Meinung, dass Hennessy nur ein Testballon und andere Hersteller diesem Beispiel folgen werden, um die Kosten zu senken.
Bis Ende 2024 sollte ein "Exporttest" durchgeführt werden, um sicherzustellen, dass sich die Produktqualität beim Transport in den neuen Behältern nicht verschlechtern würde. Laut Mathieu Devers wurden die Beschäftigten über die geplante Mitlieferung von "verwandten Materialien" – wie Flaschen, Etiketten, Korken, Verpackungskarton – nach China informiert, wo die Abfüllung und alle bisher ausschließlich in Frankreich durchgeführten Arbeiten stattfinden sollten.
Nach offiziellen Angaben der Hennessy-Geschäftsleitung "wird das Projekt einer Produktionsverlegung von Cognac aus dem Departement Charente kategorisch abgelehnt". Dennoch musste Hennessy zugeben, dass es die Möglichkeit in Betracht zieht, einige seiner Produkte in China abzufüllen und zu verpacken:
"Die durchzuführende Studie betrifft nur den Abfüllservice, der vorübergehend an einen in China ansässigen Dienstleister ausgelagert werden könnte. Dies wird von den Ergebnissen der laufenden Studien abhängen. … Das Unternehmen ist bestrebt, an allen Fronten zu kämpfen, um Lösungen zu finden, die sowohl seine Interessen als auch das Cognac-Ökosystem als Ganzes schützen."
Das Nationale Interprofessionelle Cognac-Büro (auch ein solches gibt es in Frankreich) veröffentlichte ein Kommuniqué zu den Vorgängen. Darin hält es einerseits fest, dass seine Aufgaben nicht die "Kommentierung einzelner strategischer Unternehmensentscheidungen" umfassen; andererseits stellt es klar, dass "in der sich verschlechternden Situation … nicht ausgeschlossen ist, dass einige Hersteller alle möglichen Mittel zur Erhaltung ihrer Position auf dem chinesischen Markt einsetzen müssen".
"Wir wollen, dass der Cognac in Cognac bleibt", witzelte einer der zahlreichen streikenden Hennessy-Beschäftigten in typisch französischer Manier. Und ergänzte, dieses Mal ernsthaft:
"Wir sind hier, weil wir nicht entlassen werden wollen."
Nach Aussage eines anderen Streikenden kämpfen sie nicht nur für ihre Arbeitsplätze, sondern auch für andere Bürger und Einwohner der Region, da die Entscheidung der Hennessy-Geschäftsführung unweigerlich nicht nur die direkt Beschäftigten, sondern auch Zulieferer, Spediteure und Einzelhändler betreffen wird. "Selbst die teilweise Produktionsverlegung an einen anderen Standort bedeutet, dass wir morgen Hunderte Arbeitsplätze verlieren werden", bekräftigt der Gewerkschaftsvertreter Patrick Monnier.
Laut TF1 könnte die Cognac-Abfüllanlage La Vignerie, die jährlich mehrere zehn Millionen Flaschen produziert, ihren Betrieb einstellen. Allein in diesem Werk könnten auf einen Schlag 300 Arbeitsplätze wegfallen.
Insgesamt verdienen 80.000 Menschen in der Region direkt oder indirekt durch die Cognac-Produktion ihren Lebensunterhalt. Nach Schätzungen des Nationalen Interprofessionellen Cognac-Büros sind 14.500 Menschen direkt an der Produktion beteiligt. Berücksichtigt man die indirekten Arbeitsplätze, sind es sogar 72.500, und das nicht nur im Departement Charente. Und das betrifft nicht nur Hennessy, sondern auch andere Cognac-Hersteller: Sollte sich das Experiment zur Verlegung der Abfüllung und Verpackung nach China als erfolgreich erweisen, werden dem Beispiel von Hennessy früher oder später auch andere folgen.
Im Bewusstsein des Ernstes des Cognac-Problems kündigte der französische Präsident Emmanuel Macron an, er habe mit Xi Jinping vereinbart, "einen für beide Seiten vorteilhaften Kompromiss zu finden". Premierminister Michel Barnier werde zu diesem Zweck Anfang 2025 nach Peking reisen. Aber wie immer hinken die Bürokraten bei der Entscheidungsfindung hinterher.
Lokalen Veröffentlichungen zufolge soll der erste 1.000-Liter-Container mit Cognac für China Mitte Dezember ausgeliefert werden. Am Ankunftsort wird seine Qualität geprüft, und wenn der Cognac als standardkonform anerkannt wird, wird er in Flaschen abgefüllt. In den Vorschriften für die Cognac-Herstellung gibt es zudem keine Klausel, die erfordert, dass das berühmte alkoholische Getränk unbedingt am Herstellungsort abgefüllt werden muss. Dies lässt den Markeninhabern weitgehend freie Hand.
Einige Streikende fordern eine Überprüfung der Produktionsstandards, wobei der bereits erwähnte Mathieu Devers unverblümt erklärte, dass nichts die Chinesen davon abhalten werde, "Kopien unserer Flaschen und unserer wertvollsten Produkte zu verkaufen".
Eine andere Streikende, Cecile, drückte es noch deutlicher aus: "Jeder hier lebt vom Cognac und für den Cognac. Nimmt man uns den Cognac weg, kommt das Leben in der Stadt zum Erliegen." Dies ist die Hauptmotivation der Streikenden, aber die Motivation der Unternehmensleitung ist eine ganz andere: Sie will ihre Position auf dem Markt nicht verlieren, und zwar um jeden Preis.
Zwischenzeitlich gelangte eine Information über eine inoffizielle Entscheidung zur Verlegung von etwa zehn Prozent der Hennessy-Produktion nach China in die Presse. Und obwohl Mathieu Devers seinen Mitbürgern Angst macht, dass "wir am Ende chinesischen Brandy in unseren Regalen sehen werden", scheint niemand seine Aussage ernst zu nehmen.
Anscheinend werden Cognac-Liebhaber bald die Etiketten genauer unter die Lupe nehmen müssen, um herauszufinden, wo eine bestimmte Flasche abgefüllt wurde. Eventuell werden die in Frankreich produzierten und abgefüllten Chargen sogar im Preis steigen, während der in China abgefüllte Cognac dem lokalen Markt vorbehalten bleibt. Auf alle Fälle werden die Absatzzahlen in einiger Zeit zeigen, ob die Strategie des Hennessy-Managements berechtigt war. Und wenn sich diese Erfahrung der teilweisen Produktionsverlegung nach China als erfolgreich und vor allem als rentabel erweist, wird sie ausgeweitet werden. Und daran können auch keine Streiks der französischen Arbeitnehmer etwas ändern.
Übersetzt aus dem Russischen. Der Artikel ist am 24. November 2024 zuerst in der Zeitung Wsgljad erschienen.
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