Die AfD wird immer radikaler – und damit wächst auch der Druck, ein Parteiverbotsverfahren einzuleiten. Spätestens seit dem letzten Parteitag in Riesa brodelt die Debatte um ein AfD-Verbot wie selten zuvor: Dort bekannten sich die Faschisten offen zum rechtsextremen Konzept der „Remigration“, also Vertreibungen von Millionen von Menschen. Auch die Aufnahme von Kopftuch- und Muezzinruf-Verboten ins Parteiprogramm zeigt, dass die AfD nicht davor zurückschreckt, Religionsfreiheit und Menschenwürde zu attackieren. Kein Wunder also, dass sich die Partei schon länger im Visier des Verfassungsschutzes befindet. Diese Dinge waren es, die die Gerichte bereits als hinreichende Begründung ansahen, dass die AfD ein rechtsextremer Verdachtsfall war. Die AfD steigert sich weiter in die Verfassungsfeindlichkeit herein, statt sich zu mäßigen.
Das „inhaltlich stellen“, was viele statt einem AfD-Verbot machen wollte, funktioniert offensichtlich nicht – oder aus irgendeinem Grund kann oder will das keiner tun. Doch wie realistisch ist ein AfD-Verbot aktuell vor der Wahl tatsächlich? Und könnten die Vorstöße aus Riesa das Verfahren beschleunigen?
Ein Verbotsverfahren: Wie steht es um den aktuellen Antrag?
Bereits seit Monaten wird öffentlich darüber debattiert, ob ein Parteiverbotsverfahren gegen die AfD eingeleitet werden kann. Tatsächlich liegt dem Bundestag inzwischen eine fraktionsübergreifende Beschlussvorlage unter Führung von Marco Wanderwitz (CDU) vor, in der insgesamt 113 Abgeordnete fordern, dass der Bundestag beim Bundesverfassungsgericht (BVerfG) die Verfassungswidrigkeit der AfD feststellen lässt. Würde dieser Beschluss angenommen, hätte der Bundestag grundsätzlich den Weg frei, offiziell einen Verbotsantrag zu stellen.
Allerdings ist das Verfahren langwierig: Zuerst müssen Verfahrensbevollmächtigte bestellt werden, die eine umfassende Antragsschrift ausarbeiten und beim BVerfG einreichen. Erst dann wäre das eigentliche Parteiverbotsverfahren formell eröffnet. Schon unter normalen Umständen würde das viel Zeit in Anspruch nehmen. Darüber hinaus soll – um das Gebot „strikter Staatsfreiheit“ zu wahren – zwei Monate gewartet werden, bevor die Bevollmächtigten überhaupt loslegen. Mit Blick auf mögliche Neuwahlen und das damit verbundene Ende der aktuellen Legislaturperiode droht der Prozess zwischenzeitlich sogar in einer Sackgasse zu enden.
Zeitdruck und Sackgasse: Warum ein schnelles Verbot unrealistisch ist
Der springende Punkt ist der verfassungsrechtliche Grundsatz der Diskontinuität des Bundestages: Alle parlamentarischen Vorgänge, die nicht abgeschlossen sind, „verfallen“, sobald eine Wahlperiode endet und ein neu gewählter Bundestag zusammentritt. Das gilt für Beschlussvorlagen und Beschlüsse, sofern sie den Bundestag weiterhin zu wesentlichen Schritten verpflichten (etwa den formellen Vollzug per Antragsschrift beim BVerfG).
Für das geplante AfD-Verbotsverfahren bedeutet das:
- Kommt es gar nicht mehr zur Abstimmung in dieser Wahlperiode, fällt die Vorlage der Diskontinuität anheim.
- Selbst wenn der Bundestag noch zustimmt, das Verfahren aber nicht vollständig auf den Weg bringt (also die Verfahrensbevollmächtigten beauftragt und die Antragsschrift tatsächlich eingereicht), droht dasselbe Schicksal.
Ein Szenario „Verbotsantrag noch vor der Wahl“ ist deshalb sehr unwahrscheinlich. Wer sich also fragt, ob das AfD-Verbot unmittelbar bevorsteht, wird enttäuscht: Das Verfahren dürfte kaum schnell genug anlaufen, um noch in der laufenden Legislaturperiode zum Zuge zu kommen. Zwar möchten Wanderwitz und seine Mitstreiter Ende Januar in den letzten Sitzungswochen dieser Legislaturperiode den Antrag noch im Plenum einbringen, aber selbst, falls es zeitlich noch zu einer Abstimmung kommen würde – und diese positiv ausfällt – gäbe es nicht genug Zeit für das Einbestellen von Verfahrensbevollmächtigten.
„In Riesa hat man’s gesehen“: Weitere Radikalisierung – und der Widerstand wächst
Während das Verbotsverfahren also in einer Art Warteschleife steckt, sorgte die AfD in Riesa für neuen Zündstoff. Auf ihrem Parteitag – dem letzten großen Showdown vor der Wahl – wollte sie sich eigentlich in eine ihrer Hochburgen zurückziehen und Großdemonstrationen umgehen. Doch das gelang nur bedingt: 15.000 Menschen gingen in der Kleinstadt Riesa (mit ihren knapp 30.000 Einwohnern) auf die Straße, um ein deutliches Zeichen gegen Hass, Hetze und Demokratiefeindlichkeit zu setzen. Sitzblockaden verzögerten den Parteitag um fast zwei Stunden, rechtsextreme Parteigrößen wie Hans-Thomas Tillschneider steckten in Blockaden fest.
Alice Weidel und Faschist Höcke kündigten den Abriss aller (ja, aller) Windkraftanlagen – ein direkter Angriff auf die wirtschaftliche Stabilität und Unabhängigkeit Deutschlands. Und die AfD legte ein Jahr nach den Enthüllungen von Potsdam offiziell „Remigration“ als Parteilinie fest. Vor einem Jahr hätte das in ihrer Partei noch für Unmut gesorgt – und die größten Proteste der Bundesrepublik seit der Wiedervereinigung – inzwischen wird zugestimmt und eifrig applaudiert.
Hinzu kommt das neu aufgenommene Kopftuch- und Muezzinruf-Verbot. Laut Gericht in Münster, das entschied, dass die AfD zu Recht ein rechtsextremer Verdachtsfall ist, ein Beleg für verfassungsfeindliche Diskriminierung und Missachtung der Religionsfreiheit. Dass auf dem Parteitag kein Widerspruch von innen kam, unterstreicht die Beobachtung vieler Experten: Die AfD mutiert mehr und mehr zu einer autoritären Kaderpartei, innerparteilicher Widerstand ist kaum noch vorhanden. Und die Entfernung zum Grundgesetz wird immer größer. Falls die Partei im letzten Jahr „inhaltlich gestellt“ worden sei, scheint das nicht funktioniert zu haben. Sie radikalisiert sich immer weiter.
Könnte das AfD-Verbot von anderer Seite kommen?
In der Tat gibt es für das Verbotsverfahren noch einen Ausweg aus der Sackgasse. Denn neben dem Bundestag sind auch die Bundesregierung und der Bundesrat antragsberechtigt. Der Grundsatz der Diskontinuität gilt für diese Organe nicht. Der Bundesrat als „ewiges Organ“ könnte also den Beschluss fassen, selbst ein Parteiverbotsverfahren einzuleiten – unabhängig von möglichen Neuwahlen zum Bundestag. Vor bald einem Jahr empfing der Bundesrat Volksverpetzer, um unsere Forderung nach einer Prüfung eines AfD-Verbots anzunehmen. Damals hieß es, man müsse das Urteil in Münster abwarten. Das jetzt acht Monate her ist.
Ebenso könnte eine amtierende Bundesregierung den Prozess starten. Ob sie das tatsächlich tut, hängt natürlich von den jeweiligen Koalitionskonstellationen und Mehrheiten ab. Doch in weiten Teilen von SPD und Grünen mehren sich die Stimmen, die der AfD ebenfalls stärker entgegentreten wollen.
Dasselbe könnte auch für eine kommende Bundesregierung gelten: Wer nach der Wahl die Regierungsverantwortung übernimmt, entscheidet maßgeblich über die Zukunft eines AfD-Verbotsverfahrens. Die Eskalation in Riesa, die vom Verfassungsschutz beobachtete rechtsextreme Radikalisierung der Partei sowie das stete Wachsen des demokratischen Protests gegen die AfD setzen jedenfalls ein klares Signal: Die Partei steht politisch, rechtlich und gesellschaftlich mehr denn je unter Druck. Vielleicht kann nach der Wahl endlich die vom Verfassungsschutz wohl bereits in der Schublade liegende Hochstufung als gesichert rechtsextrem erfolgen. Und dann gibt es keinen Grund mehr, zu warten.
Fazit: Radikalisierung schreitet fort – doch der Weg zum Verbot bleibt kompliziert
Der AfD-Parteitag in Riesa hat eindrucksvoll gezeigt, wie rechtsextrem und radikal die Partei längst agiert. Und wie groß zugleich der Protest aus der Zivilgesellschaft ist, der sich ihr entgegenstellt. Jeder radikale Vorstoß, ob gegen Religionsfreiheit oder demokratische Grundrechte, befeuert die Debatte über ein AfD-Verbot. Doch die komplizierten verfassungsrechtlichen Abläufe und Fristen in Kombination mit der vorgezogenen Bundestagswahl lassen einen raschen Ausgang des Verfahrens vor der Wahl unwahrscheinlich erscheinen.
Ohne Beschlussfassung und Einreichung der Antragsschrift beim Bundesverfassungsgericht wird das Verbotsverfahren in der laufenden Wahlperiode wohl nicht mehr zu Ende gebracht. Der Ball liegt also beim neuen Bundestag oder bei den anderen antragsberechtigten Organen (Bundesregierung, Bundesrat). Ob sich dort eine Mehrheit für einen Verbotsschritt findet, hängt unter anderem vom Ausgang der bevorstehenden Wahl ab.
Klar ist: Die AfD radikalisiert sich weiter. Und ebenso klar ist: Die Demos gegen die AfD wirken. In Riesa geriet die AfD gehörig ins Stolpern. Massenhafte Mobilisierung bleibt eines der wirksamsten Mittel, der schleichenden Normalisierung von Hetze und Demokratiefeindlichkeit entgegenzutreten. Kürzlich legte die AfD wieder weiter in Umfragen zu – aber sie befindet sich immer noch unter einem Niveau, das sie vor den Correctiv-Enthüllungen hatte. Wenig hat in den letzten Jahren mehr gegen die Faschisten gewirkt, als Massenprotest.
Fast 900.000 Menschen haben bereits unsere Petition zur Prüfung eines AfD-Verbots unterzeichnet. Wegen der vorgezogenen Neuwahl wird es kein Verbot mehr in dieser Legislaturperiode geben. Ob es nach der Wahl möglich ist, hängt auch davon ab, wer und welche Partei wie stark in den Bundestag gewählt wird. Es liegt also an den Wählern.
Teile des Artikels wurden mit maschineller Hilfe erstellt. Artikelbild: Sebastian Kahnert/dpa
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