Magdeburg: Saudis warnten deutsche Behörden dringend vor "extremistischen Ansichten" von Taleb A.

Ein 50-jähriger Saudi rammte am Freitagabend eine Menschenmenge auf einem Weihnachtsmarkt in Magdeburg und riss mindestens fünf Menschen in den Tod, darunter ein Kleinkind, Dutzende wurden schwer verletzt. Auf X (ehemals Twitter) war er als radikaler Islamgegner aktiv und verfügte über eine beachtliche Anhängerschaft. Sein Profilname auf X lautet Taleb Al Abdulmohsen. Viele seiner Posts veröffentlichte er auf Arabisch. Den saudischen Behörden fiel er offenbar schon früher als potenzieller Gefährder auf. Sie hätten zuvor die deutschen Behörden vor den extremistischen Ansichten des Verdächtigen gewarnt, so eine saudische Quelle gegenüber Reuters.

Diese Angaben werden von der Deutschen Presse-Agentur bestätigt. Das Königreich habe seine Auslieferung beantragt, darauf habe Deutschland nicht reagiert, hieß es in einer Meldung. Nach dpa-Informationen hatte es vor rund einem Jahr eine Art Warnhinweis zu dem Mann an die deutschen Behörden gegeben.

Wenn es zutreffe, dass der Täter "eine Gewalttat angekündigt hatte und es Warnungen von ausländischen Diensten gab, muss aufgeklärt werden, warum es so weit kommen konnte", sagte der frühere Bundesjustizminister und FDP-Generalsekretär Marco Buschmann dazu. Aus seiner Sicht müssten die Strukturen der inneren Sicherheit in Deutschland grundsätzlich reformiert werden. Zu viele Behörden in Bund, Ländern und Kommunen überschnitten sich bei der Erfüllung ihrer Aufgaben. "Das muss neu geordnet und die Ermittlungsbehörden dabei gestärkt werden", sagte er. 

Laut Medienberichten wandte sich Abdulmohsen noch Ende der 1990er Jahre vom Islam ab und kam 2006 nach Deutschland, wo er zehn Jahre später politisches Asyl erhielt. Er soll lange als Arzt in einer Psychiatrie mit Suchtkranken gearbeitet haben. Er war zudem als Fluchthelfer für Frauen aus arabischen Ländern tätig. Das geht aus einer BBC-Dokumentation aus dem Jahr 2019 hervor. Er soll hunderten Frauen geholfen haben, die sich vom Islam abgewandt und für ein Leben ohne männliche Bevormundung entschieden haben.  

Insgesamt trat Abdulmohsen öfters in den Medien in Erscheinung, auch bei der FAZ. Im Juni 2019 veröffentlichte die Zeitung ein langes Interview mit dem Aktivisten unter dem Titel "Ich bin der aggressivste Kritiker des Islams in der Geschichte". Damals habe es keine Anzeichen für seinen Verfolgungswahn gegeben, schreibt die FAZ nun dazu. Die Einträge des mutmaßlichen Attentäters in den sozialen Medien deuten darauf hin, dass er in den fünfeinhalb Jahren seither auch immer stärker mit Deutschland und dessen Migrationspolitik gehadert hat, so das Blatt.

Vor wenigen Tagen wurde ein weiteres Interview mit Abdulmohsen auf einer islamkritischen Webseite veröffentlicht. Im Artikel warf er westlichen Staaten und allen voran Deutschland eine Politik der Islamisierung vor und bezeichnete sich als Kritiker aus dem "linken Spektrum", der enttäuscht sei. Jihadisten würden in Deutschland willkommen geheißen und Ex-Muslime verfolgt, behauptete er mit Verweis auf Asylunterlagen, "dokumentierte Schikanen und Aussagen aus erster Hand". 

Dabei drohte der Aktivist auf X Deutschland und den Deutschen offenbar mit Gewalt. "Deutschland wird einen hohen Preis zahlen, einen sehr hohen", schrieb er in einem seiner zahlreichen Tweets. Viele Texte dieser Art hat der Telegram-Kanal Media Guerilla Berlin zusammengetragen und auf mehrere Videos aufmerksam gemacht, die Taleb A. kurz vor dem Anschlag veröffentlicht hatte. Darin beschuldigte er die deutsche Polizei, einen USB-Stick aus seinem Briefkasten gestohlen zu haben, nachdem er 2023 in Köln eine Strafanzeige eingereicht hätte. Abdulmohsen beschwerte sich auch darüber, dass es in Deutschland nicht erlaubt sei, eine Waffe zu kaufen oder zu tragen, und am Ende des Videos sagte er:

"Die Polizei selbst ist kriminell. In diesem Fall mache ich die deutsche Nation, ich mache die deutschen Bürger für das verantwortlich, was auf mich zukommt."

Weiteren Tweets zufolge sei der mutmaßliche Täter Anhänger Großisraels und habe die Machtübernahme in Syrien durch Islamisten begrüßt. Darauf weisen einige Tweets, die er repostet haben soll, hin. Auch soll er Auftritte von Alice Weidel und Elon Musk repostet haben. 

In den sozialen Medien kursieren weitere Hinweise auf angebliche Aussagen des mutmaßlichen Täters, die auf seine extremistischen Absichten hindeuten. So soll eine Frau im Jahr 2023 die deutsche Einwanderungsbehörde BAMF in englischer Sprache vor seinen Mordplänen gewarnt haben. Die Hinweise seien ignoriert worden. Das Welt-Rechercheteam prüft derzeit die Echtheit dieser Postings. Es hat zuvor schon bestätigt, dass eine E-Mail der Verfasserin an die Polizeistation der US-Stadt Berlin echt sei. 

Mitunter haben Reporter den Wohnort des mutmaßlichen Täters in Bernburg aufgesucht und mit Menschen gesprochen. So schilderte ein Nachbar im MDR-Interview den Mann als sehr zurückgezogen und verschlossen. Man habe natürlich gewusst, dass er Arzt im Fachklinikum Salus sei, und ihn ab und zu in der Stadt beim Einkaufen gesehen. "Aber für mich war er ein ganz normaler Nachbar, ein ganz normaler Bürger." Es sei eine beängstigende Situation, vor allem, weil man drei Jahre mit diesem Menschen in einem Haus gewohnt und gar nichts über ihn gewusst habe.

Mehr zum Thema ‒ Magdeburg: Auto rast in Weihnachtsmarkt – Terroranschlag in Landeshauptstadt von Sachsen-Anhalt

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