Faktastisch: Zu Fantastisch für Fakten?

Die Seite “Faktastisch” erfreut sich großer Beliebtheit. Mit über 8 Millionen Followern auf Instagram und 2,9 Millionen auf Facebook erreichen ihre Posts ein riesiges Publikum. Doch wie genau nimmt es die Seite mit der Recherche, die von sich behauptet, neben “unnützem Wissen” auch “Fakten” zu verbreiten? Wir haben einige ihrer Behauptungen unter die Lupe genommen. Anlass war, dass Faktastisch kürzlich auf Threads viel Aufregung erzeugt hatte mit der Falschbehauptung, dass Sonnencreme, die vor Hautkrebs schützt, nicht wirken solle und weder richtig stellte, noch auf Hinweise und Nachfragen reagierte.  

1. Sonnencreme schützt vor Hautkrebs

Sonnencreme ist ein wirksamer Schutz gegen Hautkrebs. Das ist wissenschaftlich gut belegt und wird von Dermatologen weltweit empfohlen. Mehrere Studien, unter anderem im renommierten Journal “Cancer Epidemiology, Biomarkers & Prevention” und im Lancet, haben die präventive Wirkung von Sonnencreme gegen manche Hautkrebsarten nachgewiesen. Hautkrebs entsteht eben unter anderem durch Sonnenbrand – und der wird durch Sonnencreme verhindert

Faktastisch behauptete jedoch in einem Post, dass Sonnencreme “laut einer Studie” nicht vor Hautkrebs schützen würde. Diese Aussage ist nicht nur falsch, sondern auch potenziell gefährlich. Auch sechs Tage später und trotz vieler kritischer Kommentare ist der Post noch online. Es wurde keine Quelle angegeben und auch nicht erwähnt, welche Studie das überhaupt sein sollte. Auch eine Rückfrage von Volksverpetzer blieb bis zur Veröffentlichung dieses Textes unbeantwortet.

Auch die Instagram-Seite von “Blick” verbreitete dazu ein sehr irreführendes Sharepic, welches den ursprünglichen Bericht verfälscht. In den Kommentaren feiern sich Verschwörungsideologen und sehen sich in ihren Lügen bestätigt, was unterstreicht, wie gefährlich auch jede derartige Falschmeldung ist.

keineswegs so, wie Faktastisch es darstellt

Die Realität ist komplexer, aber keineswegs so, wie Faktastisch es darstellt. Es stimmt, dass Menschen, die häufig Sonnencreme verwenden, oft auch mehr Zeit in der Sonne verbringen. Dadurch kann logischerweise ihr Hautkrebsrisiko steigen – aber nicht wegen der Sonnencreme, sondern trotz dessen!

Um das Ganze mit einem Beispiel zu erklären: Wenn in Australien die Eisverkäufe steigen, gibt es mehr Haiangriffe. Niemand würde behaupten, dass die Haie jetzt vom Eis angelockt werden. Sondern bei warmem Wetter sind einfach mehr Menschen im Wasser. Und mehr Menschen essen aus demselben Grund Eis. Genauso verwenden Menschen, die viel Zeit in der Sonne verbringen, mehr Sonnencreme. Und haben wegen der größeren Zeit in der Sonne ein größeres Risiko. Trotzdem hätten diese Menschen statistisch gesehen noch mehr Hautkrebs ohne Sonnencreme. Dieses “sunscreen paradox” ist in der Wissenschaft bekannt.

Natürlich muss Sonnencreme korrekt angewendet werden: regelmäßiges Nachcremen, Beachtung des Lichtschutzfaktors und trotzdem maßvoller Umgang mit Sonnenexposition sind entscheidend. Und man sollte auch keine abgelaufene Sonnencreme verwenden.

Faktastisch versäumt es, diese wichtigen Nuancen zu erwähnen und verbreitet stattdessen eine gefährliche Fehlinformation, die zu mehr Hautkrebs führen könnte, wenn ihre Follower ihnen glauben. Sonnencreme bleibt ein wichtiger Schutz gegen Hautkrebs – wenn sie richtig verwendet wird.

2. Schwarzer Tee schützt Nichtraucher

Schwarzer Tee hat tatsächlich gesundheitsfördernde Eigenschaften. Er enthält Antioxidantien, die freie Radikale im Körper neutralisieren können. Einige Studien deuten sogar darauf hin, dass regelmäßiger Teekonsum das Risiko für bestimmte Krebsarten senken könnte.

Faktastisch ging jedoch einen Schritt weiter und suggerierte in einem Post, dass schwarzer Tee ausgerechnet Raucher vor Lungenschäden schützen könnte. Diese Behauptung ist höchst irreführend und potenziell gefährlich.

Die Realität ist wesentlich differenzierter. Zwar gibt es Hinweise, dass schwarzer Tee gegen oxidativen Stress helfen kann, und einige Studien deuten auch an, dass er möglicherweise das Lungenkrebsrisiko senken könnte – aber vor allem bei Nichtrauchern. Für Raucher gilt nach wie vor: Der beste Schutz ist: nicht Rauchen! Oder am besten gar nicht erst anfangen.

Die Studie, auf die sich Faktastisch vermutlich bezieht – erneut haben sie keine Quelle angegeben -, zeigt zwar einen möglichen protektiven Effekt von schwarzem Tee, aber die Studie wurde an Meerschweinchen durchgeführt und betrachtet nur einen kurzen Zeitraum. Dass sich daraus ein langfristiger Schutz vor Lungenschäden bei Menschen ableiten lässt, ist spekulativ. Gleichzeitig zeigt eine andere Studie, dass Raucher durch das Trinken von Tee Speiseröhrenkrebs bekommen können. 

Indem Faktastisch diese wichtige Differenzierung nicht vornimmt – und keine Quellen angibt –, wiegt sie Raucher möglicherweise in falscher Sicherheit. Das könnte dazu führen, dass Menschen das Rauchen nicht aufgeben, in der irrigen Annahme, schwarzer Tee würde sie schützen. Eine gefährliche Fehlinformation, die lebensbedrohliche Konsequenzen haben kann.

3. E-Auto Umstieg: Zahlen ohne Kontext

Elektroautos gewinnen zunehmend an Popularität, und viele Menschen (38%) erwägen den Umstieg vom klassischen Verbrenner auf ein E-Auto bereits beim nächsten Autokauf. Im Jahr 2022 gaben 98% der E-Auto Käufer an, wieder ein E-Auto kaufen zu wollen. Laut einer neueren Umfrage von McKinsey erwägen immerhin 24% der E-Autobesitzer, wieder zum Verbrenner zurückzuwechseln. Ein Grund dafür ist vor allem die schlechte öffentliche Ladeinfrastruktur. Die Ergebnisse dürften ziemlich unterschiedlich ausfallen, je nachdem, ob Käufer ihr Auto zu Hause laden können oder nicht. 

In dieser Debatte behauptete Faktastisch allerdings, dass “mehr als die Hälfte” der Deutschen ihren E-Auto-Kauf bereuen würden. Eine aufsehenerregende Zahl, die im Widerspruch zu anderen Umfragen steht – aber stimmt sie auch?

Diese Zahl stammt von einer Online-Umfrage eines Unternehmens für Ladestationen – vom Analyseinstitut YouGov durchgeführt. Hier wurde immerhin eine Quelle auf dem Sharepic mit angegeben. Derartige Online-Umfragen werden als weniger seriös kritisiert. Die Befragten werden nicht zufällig ausgewählt, sondern selektieren sich teilweise selbst für die Umfrage. Dadurch ergeben sich automatisch Verzerrungen, durch die die Befragten nicht mehr zwingend ein Abbild der Bevölkerung darstellen. Dies beginnt bereits damit, dass all jene, die kein Internet nutzen, nicht in der Stichprobe repräsentiert sind. Mehr dazu, wo die Tücken von Online-Umfragen liegen können, haben wir hier erklärt:

E-Auto-Käufer sind insgesamt ähnlich zufrieden wie Verbrenner-Käufer.

Seriösere und methodisch fundierte Umfragen zeichnen ein deutlich differenzierteres Bild. Wie bereits erwähnt, bereuen etwa 24% der deutschen E-Auto Besitzer ihren Kauf und erwägen, wieder zurück zum Verbrenner zu wechseln. Das ist zwar immer noch eine beachtliche Zahl, aber weit entfernt von den “mehr als die Hälfte”, die Faktastisch anführt. Im Gegensatz zu der vermutlich von Faktastisch zitierten Umfrage liefern viele andere ganz andere Ergebnisse. Warum werden jene nicht zitiert?

Noch wichtiger ist jedoch der Kontext: Auch unter Verbrenner-Käufern gibt es natürlich Menschen, die ihren Kauf bereuen. Entscheidend ist der direkte Vergleich, und hier zeigt sich: E-Auto-Käufer sind insgesamt ähnlich zufrieden wie Verbrenner-Käufer.

Indem Faktastisch diese willkürlich herausgepickte Zahl ohne Kontext verbreitet hat, verzerrt sie die öffentliche Wahrnehmung. Solche vereinfachten und aus dem Zusammenhang gerissenen Statistiken tragen nicht zu einer fundierten Debatte bei, sondern schüren eher Verwirrung und Misstrauen.

4. Impfskepsis durch selektive Berichterstattung

Impfungen, insbesondere die Covid-19-Impfungen, sind ein sensibles und oft emotional diskutiertes Thema. Hier ist besonders sorgfältige und ausgewogene Berichterstattung gefragt. Bei der Durchsicht von Faktastisch-Beiträgen fällt jedoch eine Häufung von impfkritischen Posts auf. Dabei hat die Ablehnung der Impfung zahlreiche Nebenwirkungen, es gibt zahlreiche Fälle von prominenten Impfgegnern, die an Covid verstorben sind. 

Wer geimpft ist, hat ein viel geringeres (allgemeines) Todesrisiko (Al-Aly et al. 2022) als Ungeimpfte – teilweise um den Faktor 10 weniger (Raisi-Estabragh et al. 2022) – sogar noch ein Jahr nach Infektion (Ortega-Paz 2022 et al.). Eine große Meta-Studie von Cochrane (Graña et al. 2022) zeigte: Geimpfte haben ein viel geringeres Risiko gehabt, ins Krankenhaus zu müssen oder zu sterben.

Gefahr der Krankheit weitaus höher als die der Impfung

Impfungen sind, wie alle medizinischen Interventionen, nicht frei von Risiken. Es ist wichtig und richtig, auch über mögliche Nebenwirkungen zu informieren. Ebenso wichtig ist es aber, diese Informationen in den richtigen Kontext zu setzen. Denn in der Regel ist die Gefahr der Krankheit weitaus höher als die der Impfung, weshalb durch die Impfung de facto dein Risiko gesenkt wird. Es sind in Deutschland tausendfach mal mehr Menschen an Corona gestorben, als es anerkannte Todesfälle im Zusammenhang mit der Impfung gibt.

Faktastisch scheint hier jedoch eine Schieflage zu haben. Viele ihrer Beiträge betonen Nebenwirkungen oder negative Aspekte von Corona-Impfungen, ohne diese angemessen einzuordnen. So wird beispielsweise über sehr seltene Nebenwirkungen berichtet, ohne deren Häufigkeit im Vergleich zu den Risiken einer Covid-19-Erkrankung darzustellen. Beispielsweise thematisierte Faktastisch bei Covid-Impfungen das Risiko einer Herzmuskelentzündung. Das ist aber viel größer bei einer Infektion mit dem Virus bei Ungeimpften! Sprich: Corona erhöht das Risiko viel mehr als die Impfung.

Berichterstattung nur über die negativen Aspekte kann zu einer verzerrten Wahrnehmung führen und Impfskepsis fördern – und letztlich genau jene Risiken erhöhen, vor denen man Angst hat. In Zeiten einer globalen Pandemie, in der Impfungen ein entscheidendes Instrument zur Eindämmung des Virus waren, ist eine solch einseitige Darstellung besonders problematisch.

Seriöser Journalismus würde hier ausgewogen berichten, und dem Risiko von Impfungen ihren überwältigenden Nutzen gegenüberstellen, und dabei immer auf fundierte wissenschaftliche Quellen zurückgreifen. Faktastisch versäumt dies und trug damit zu einer Verunsicherung der Bevölkerung bei.

5. Voreilige meldungen: Das Sumatra-Nashorn

Artenschutz ist ein wichtiges Thema, und die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit ist entscheidend, um bedrohte Arten zu schützen. Umso wichtiger ist es, hier präzise und korrekt zu berichten.

Das Sumatra-Nashorn ist tatsächlich vom Aussterben bedroht. Es gibt nur noch wenige Exemplare, und jedes einzelne ist wichtig für den Erhalt der Art. Wissenschaftler und Naturschützer arbeiten hart daran, diese faszinierenden Tiere zu retten.

Faktastisch behauptete jedoch in einem Post, das Sumatra-Nashorn sei bereits ausgestorben. Diese Meldung ist schlichtweg falsch.

Die Realität ist, dass es zwar nur noch sehr wenige Sumatra-Nashörner gibt, aber die Art ist nicht ausgestorben. Solche voreiligen und falschen Meldungen können fatale Auswirkungen auf Artenschutzbemühungen haben. Sie können zu Resignation führen und den Eindruck erwecken, dass Schutzmaßnahmen sinnlos seien.

Zudem untergraben solche Fehlinformationen das Vertrauen in die Berichterstattung über Artenschutz im Allgemeinen. Wenn sich eine solche Meldung als falsch herausstellt, könnten Menschen auch anderen, korrekten Warnungen über bedrohte Arten weniger Glauben schenken. Faktastisch hat auch in diesem Fall langsam reagiert, in den Kommentaren zum Post wiesen laut Correctiv viele Menschen auf den Fehler hin, aber der Post wurde erst nach dem Correctiv-Faktencheck dann gelöscht. 

Das grundlegende Problem

Was all diese Beispiele eint: Faktastisch gibt oft keine oder nur unzureichende Quellen an. Dies macht es für Leser unmöglich, die Behauptungen zu überprüfen. Immer wieder sind Beiträge falsch oder ohne Kontext irreführend. Zudem werden komplexe Themen häufig stark vereinfacht dargestellt, was zwar in Social Media gut klickt, aber auch zu Missverständnissen führen kann.

In einer Zeit, in der Fehlinformationen und “Fake News” zu einem ernsthaften gesellschaftlichen Problem geworden sind, tragen solche Praktiken zur Verwirrung bei und untergraben das Vertrauen in seriöse Informationsquellen.

Fazit

Was lernen wir daraus? Seid kritisch, auch bei vermeintlichen “Faktenseiten” auf Social Media. Prüft Quellen, hinterfragt Methoden und sucht nach wissenschaftlichen Belegen. Nur so können wir uns vor Fehlinformationen schützen und zu einer besser informierten Gesellschaft beitragen.

Und an die lieben Leute von Faktastisch: Bitte nehmt eure Verantwortung ernst! Mit großer Reichweite kommt auch große Verantwortung. Recherchiert gründlich, gebt bitte regelmäßig eure Quellen an und stellt komplexe Themen differenziert dar. Wer “Studien” erwähnt, sollte sie auch herzeigen können! Eure Millionen von Followern verdienen korrekte und kontextualisierte Informationen.

Bleibt skeptisch, bleibt neugierig und vor allem: Bleibt kritisch!

Artikelbild: canva.com

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