Der Countdown hatte bereits begonnen. Doch nur wenige Wochen vor dem geplanten Start verzögert sich der verpflichtende Rollout der „elektronischen Patientenakte für alle“ auf unbestimmte Zeit. Viele der Beteiligten werden dies wohl mit Erleichterung aufnehmen.
Eigentlich sollte die elektronische Patientenakte (ePA) ab dem 15. Februar 2025 allen Versicherten und Leistungserbringern bundesweit zur Verfügung stehen. Susanne Ozegowski, die Leiterin der Abteilung 5, Digitalisierung und Innovation, im Bundesgesundheitsministerium, hat dem Bundesverband Gesundheits-IT nun aber in einem Brief mitgeteilt, dass der bisherige Zeitplan „trotz aller Bemühungen auf allen Seiten“ nicht zu halten sei.
Nach wie vor soll am 15. Januar der Start in Modellregionen in Franken (Bayern) und Hamburg erfolgen. Der bundesweit verpflichtende Rollout für alle Leistungserbringer soll jedoch erst dann beginnen, wenn „die Erfahrungen in den Modellregionen positiv sind“.
Die Sorgen der Ärzt:innen
Auch andere Einrichtungen im Gesundheitssektor, darunter die Kassenärztlichen Vereinigungen und die Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände, hat das Bundesgesundheitsministerium über die Verschiebung informiert.
Viele der Beteiligten werden die Entscheidung wohl mit Erleichterung aufnehmen. Das Ministerium hatte den Zeitplan vor einem Jahr veröffentlicht. Schon damals gab es Bedenken, dass die technische Umsetzung der ePA rechtzeitig zum geplanten Start erfolgen könnte.
Laut einer aktuellen Befragung im Rahmen des „Praxisbarometers Digitalisierung 2024“, die das Iges-Institut im Auftrag der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) durchgeführt hat, sorgen sich Ärzt:innen und Therapeut:innen, dass die ePA zu bürokratischem Mehraufwand und IT-Ausfällen führen wird.
IT-Ausfälle und Sicherheitsprobleme
Dass die Befürchtungen berechtigt sind, zeigen die Erfahrungen mit dem elektronischen Rezept (E-Rezept). Dessen verpflichtende Einführung zum Jahresanfang verlief überaus ruckelig. Inzwischen hat sich die Anwendung zwar etabliert, 95 Prozent der Praxen nutzen heute das E-Rezept. Allerdings kommt es weiterhin immer wieder zu Störungen der Telematikinfrastruktur.
Darüber hinaus haben Forschende des Fraunhofer-Instituts für Sichere Informationstechnologie (Fraunhofer SIT) Ende August das gematik-Konzept der ePA unter die Lupe genommen. Dabei haben sie schwere Schwachstellen ausgemacht, die vor dem Start der elektronischen Patientenakte noch geschlossen werden sollten.
Zwanzig Jahre Schattendasein
Mit dem Start der ePA erhalten alle gesetzlich Versicherten, auch Kinder, nach und nach eine sogenannte elektronische Patientenakte – es sei denn, sie widersprechen („Opt-out“). Langfristig will das Bundesgesundheitsministerium so erreichen, dass bis zu 80 Prozent der Versicherten die ePA aktiv nutzen. Verbraucherschützer:innen kritisieren, dass dieser Widerspruch nur mit Hindernissen möglich ist.
Die ePA soll alle Informationen rund um die Gesundheit von Versicherten gebündelt speichern – von vergangenen Behandlungen und Operationen über den Impfstatus, frühere MRT-Aufnahmen bis zu verschriebenen Medikamenten.
Die Geschichte der ePA reicht mehr als zwanzig Jahre zurück. Die damalige Gesundheitsministerin Ulla Schmidt schob das Vorhaben im Jahr 2003 mit dem Versprechen an, die ePA könne Milliardensummen einsparen und Leben retten. Über die Jahre verschlang das Vorhaben allerdings Milliarden. Derzeit nutzt sie nur gut ein Prozent der Versicherten.
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