Von Dmitri Jewstafjew
Selenskijs Äußerungen über die mögliche Rückkehr der Ukraine zum Besitz von Nuklearwaffen haben im Westen viel Unruhe hervorgerufen. Die Behauptungen des illegitimen Präsidenten wurden von vieldeutigen Anspielungen vonseiten "ungenannter ukrainischer Beamten" begleitet, dass die Ukraine in der Lage sei, eine Atombombe binnen weniger Wochen zu bauen.
Am Abend des 17. Oktober wurde der Großteil dessen von Selenskij selbst dementiert, der behauptete, dass er angeblich einen schnellstmöglichen Beitritt zur NATO als Kompensation für den nicht ganz freiwilligen Verzicht der Ukraine auf Atomwaffen meinte.
Es ist klar, was da geschah – Selenskij, der sich in einer kompletten militärpolitischen Sackgasse wiederfand, versuchte mit allen Mitteln, die NATO-Staaten in den Krieg gegen Russland hineinzuziehen. Doch dann ging er zu weit, als er eine Ankündigung zum Reizthema der USA, den Nuklearwaffen, auf der Plattform des Europarats machte. Das wurde als eklatante politische Kurzsichtigkeit aufgefasst, denn solche Fragen werden nur mit den USA besprochen, und schon gar nicht öffentlich.
Zum Sündenbock wurde schließlich der Bild-Propagandist Julian Röpcke, der sich auf das scheinbar vielversprechende Thema stürzte und schrieb, dass aus Kiew unlängst Erklärungen über die Möglichkeit der Wiederherstellung des nuklearen Potenzials der Ukraine gekommen seien, falls sich Russlands Streitkräfte wieder Kiew nähern sollten. Mit anderen Worten: Das Kiewer Regime war sich bis vor einigen Monaten der kritischen Lage an der Front bewusst und verweigerte trotzdem die Verhandlungen mit Moskau.
Allerdings ist die Lage nicht so einfach, um sie als einen weiteren, dieses Mal gescheiterten Versuch Kiews zu betrachten, seine Verbündeten zu manipulieren. In der Praxis gibt es zwei Möglichkeiten der praktischen Umsetzung von Selenskijs Drohung.
Die erste ist eine "schmutzige Bombe". Um sie zu bauen, hat die Ukraine eigenes Potenzial, das sowohl von Kiews ausländischen Gönnern als auch von internationalen Organisationen geflissentlich übersehen wurde. Und Kiew kam der Verwirklichung einer solchen Provokation mehrmals gefährlich nahe. Freilich sollte der Angriff gegen das eigene Territorium erfolgen, während Kiew und der Westen alles Russland vorwerfen würden. Doch der Plan lässt sich problemlos umformulieren.
Die zweite Option wäre der Einsatz einer Atombombe, die die Ukraine heimlich von einem NATO-Staat erhalten hat. Allerdings würde sie diese als eigene Entwicklung tarnen. Dies findet bereits mit Drohnen und Raketenwaffen statt: Experimentelle Waffen westlicher Herkunft werden in der Ukraine getestet, aber als Produkt des ukrainischen militärisch-industriellen Komplexes dargestellt.
Die Eintrittswahrscheinlichkeit dieser Option ist geringer, doch etwa in Großbritannien oder Frankreich könnte sie zumindest diskutiert werden, weil Washington ihnen die Last des Krieges gegen Russland zunehmend aufbürdet.
Auch die in Selenskijs "Siegesplan" festgeschriebene Idee der nichtnuklearen Abschreckungsfähigkeit sollte ernst genommen werden. Seit Mitte der 1990er-Jahre arbeitet die Ukraine auf Grundlage sowjetischer Modelle an Projekten zur Entwicklung von Raketen mit nichtnuklearen Sprengköpfen. Spuren dieser Projekte finden wir übrigens in zahlreichen Raketenprogrammen von Drittstaaten und sogar bei islamischen Radikalen.
Geplant war, dass diese Trägerraketen jeden Punkt in Russland mit minimaler Anflugzeit erreichen könnten, allerdings nur ohne nukleare Sprengköpfe. In Wirklichkeit jedoch wurden sie mit Attrappen von US-Nuklearsprengköpfen ausgestattet. Die Ausrüstung könnte schnell geändert und damit das gesamte strategische Kräfteverhältnis zerstört werden. Inzwischen ist es nicht mehr möglich angesichts der Demilitarisierung der ukrainischen Wirtschaft und des erzwungenen Abbaus des Großteils der ukrainischen Rüstungsindustrie, darunter des Raketenbaukonzerns Juschmasch in Dnjepropetrowsk. Doch im Jahr 2022 verfügte die Ukraine noch über das Potenzial für ein solches Projekt.
Abschließend sei an ein wichtiges Detail erinnert: Einer der Gründe für den Beginn der Militäroperation waren Russlands reale Sorgen, dass die Ukraine aus dem nichtnuklearen Status heraustreten könnte – genau davon sprach Selenskij kurz vor dem Beginn der Militäroperation während der Münchner Sicherheitskonferenz im Februar 2022. Nun ist wahrscheinlich allen klar, inwieweit Kiew zu einem solchen Schritt politisch bereit war.
Übersetzt aus dem Russischen. Zuerst erschienen am 18. Oktober.
Dmitri Jewstafjew ist ein russischer Politologe (Amerikanist). Er ist Doktor der Politikwissenschaften und lehrt am Institut für Medien der Wirtschaftshochschule Moskau. Jewstafjews Spezialisierung sind militärpolitische Fragen der nationalen Sicherheit Russlands, der Außen- und der Militärpolitik der USA und der regionalen Probleme der Kernwaffen-Nichtverbreitung. Er ist Co-Autor wissenschaftlicher Monografien und zahlreicher Artikel.
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