US-Hegemonie ist offiziell vorbei

Von Sergei Sawtschuk

Heute werden wir über ein Ereignis sprechen, das einen Wendepunkt in der jüngeren Geschichte zu sein verspricht. In den Medien wurde eine Sensation verkündet: Saudi-Arabien wird das bilaterale Abkommen mit den Vereinigten Staaten, das den gesamten arabischen Ölhandel in Dollar vorsah, nicht verlängern.

Um die Mechanismen der bevorstehenden tektonischen Bewegungen in der Weltwirtschaft zu verstehen, muss man zumindest kurz das historische Gedächtnis auffrischen.

Als der Zweite Weltkrieg 1944 noch in Europa tobte, beeilten sich die Vereinigten Staaten und Großbritannien, den Sieg zu ihren Gunsten zu verbuchen. Ein Jahr zuvor hatten amerikanische Finanziers damit begonnen, ein globales Finanzsystem zu entwickeln, das die Vereinigten Staaten zu einem globalen Hegemonen und Aufseher machen sollte, was dann auch tatsächlich geschah. Im Jahre 1944 trafen sich in der Stadt Bretton Woods im Bundesstaat New Hampshire die Vertreter der alliierten Länder. Die amerikanische Delegation wurde durch den Wirtschaftswissenschaftler Harry White vertreten, aus Großbritannien war sein Kollege John Keynes anwesend, die Sowjetunion schickte den stellvertretenden Kommissar für Außenhandel Michail Stepanow. Den Vorsitz führte US-Finanzminister Henry Morgenthau.

Die Amerikaner packten den Stier von Anfang an bei den Hörnern.

Mit dem Hinweis darauf, dass die Vereinigten Staaten über die größten physischen Goldreserven, die mächtigste Wirtschaft und Industrie verfügten und auf ihrem Territorium einfach keine Kriegshandlungen stattfanden, verlangte Washington von den Teilnehmern, den Dollar als einzige Weltreservewährung zu akzeptieren. Das bedeutete, dass künftig alle Waren auf dem Weltmarkt in US-Dollar denominiert sein mussten und der US-Dollar selbst an die Goldreserven und den Goldpreis in den Tresoren des Finanzministeriums gekoppelt werden musste. Die Briten waren mit dieser Finanzstruktur zufrieden, da das Abkommen sofort den Sonderstatus des Pfunds und gesonderte günstige Handelsregelungen vorsah. Die Sowjetunion erhielt lediglich die Verpflichtung, in amerikanische Wertpapiere zu investieren und die amerikanische finanzielle (und damit geopolitische) Hegemonie zu unterstützen. Obwohl sich Stalin der schwierigen Lage der sowjetischen Wirtschaft bewusst war, lehnte er dieses Angebot entschieden ab.

Als Ergebnis des Treffens gründeten die Amerikaner und die Briten den heute allen gut bekannten Internationalen Währungsfonds (IWF) und die Internationale Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (IBRD). Bretton Woods wurde zur Triebfeder für die Entwicklung der US-Wirtschaft, und nun arbeitete praktisch die ganze Welt daran, die US-Währung zu stützen, und Washington konnte tonnenweise Geld drucken, ohne eine Hyperinflation befürchten zu müssen.

Das ging so bis 1971, als der US-Dollar seine Potenziale insoweit ausschöpfte, als die Reserven an physischem Gold einfach zu Ende gingen. Doch die USA waren bereits auf den Geschmack der Weltmacht gekommen und hatten nicht vor, ein bequemes und äußerst profitables System wegen einer solchen "Kleinigkeit" aufzugeben. Aus diesem Grund hob Präsident Nixon den Goldstandard auf, und die Welt trat in die Periode des sogenannten Jamaika-Währungssystems ein, in der der Dollar nicht mehr an das "Gelbmetall" gebunden war, sondern von den Ressourcen der Entwicklungsländer gestützt wurde.

Unter Historikern herrscht weitgehend Einigkeit darüber, dass es die Spirale des Kalten Krieges zum Wandel der Weltwirtschaft führte, als die UdSSR von allen Seiten attackiert werden musste, einschließlich der finanziellen "Erdrosselung" des Landes. Und diese Gelegenheit bot sich.

Im Jahr 1974, als die Finanzkrise die Welt erschütterte, machten die Vereinigten Staaten Saudi-Arabien ein Angebot, das man nur schwer ablehnen konnte. Auf der arabischen Halbinsel waren vor Kurzem fantastische Ölvorkommen entdeckt worden, und das Öl begann seinen Siegeszug als Königin der Energie und verdrängte rasch die Kohle. Die US-Wirtschaft geriet damals ins Stocken und brauchte frisches Blut, um ihr Tempo zu halten – und das war das Öl. Die Vereinigten Staaten boten den Saudis an, ein Abkommen zu unterzeichnen, in dem sich die Amerikaner verpflichteten, Waffen zu liefern, neue Technologien einzuführen und bei der Industrialisierung, Medizin und Bildung zu helfen. Im Gegenzug verlangten sie eine "Kleinigkeit": Die Saudis sollten sich mit Washington über das Ölproduktionsvolumen einigen, es vorrangig an amerikanische Unternehmen verkaufen und die Gewinne in die amerikanischen Staatskassen investieren. Da die Beziehungen zwischen Saudi-Arabien und seinen Nachbarn zu dieser Zeit angespannt waren und die Frage des möglichen physischen Verschwindens des Landes im Raum stand, willigten die Scheichs ein. Das bilaterale Abkommen wurde automatisch alle fünf Jahre verlängert, doch nun hatte Saudi-Arabien anscheinend genug von dem Status als "Amerikas Benzinreservetank".

Und jetzt zum Wichtigsten.

Saudi-Arabien ist heute ein reicher und hoch entwickelter Staat, dessen Erfolg auf den enormen Kohlenwasserstoffreserven beruht, und die dortige Führung irrt sich nicht darin. Die gesamte Welt konnte in den letzten zehn Jahren erkennen, dass Amerika nicht mehr so stark ist und auf seine Meinung "gespuckt" werden kann, was durch das riesige kalte Russland mit der nicht gerade größten Bevölkerung eindeutig bestätigt wird. Gleichzeitig gelingt es den Russen, ihre Wirtschaft trotz einer unglaublichen Zahl ständig neuer Sanktionen und Beschränkungen, die sich vor allem gegen den Öl- und Gassektor richten, zu entwickeln. Der wichtigste geostrategische Verbündete Moskaus ist Peking, das die erste Runde des Handelskriegs mit den USA bereits gewann und auf die zweite Runde in einer viel günstigeren Position als 2017 zugeht.

Saudi-Arabien nähert sich der Normalisierung seiner Beziehungen zu Iran, unter dessen Schirmherrschaft viele bewaffnete Gruppen in der Größenordnung einer ganzen Armee in der Region kämpfen. So schlägt das russisch-chinesische Tandem seit Langem vor, dass Riad die Kaufkraft des Dollars nicht mehr durch seine eigenen Ölfässer stützt, was auch die externen militärischen Bedrohungen für das saudische Königreich drastisch reduzieren würde. Auch die Volksrepublik China, für die die Vereinigten Staaten ein wichtiger Handelspartner sind, entledigte sich in den letzten Jahren aktiv aus US-Staatsanleihen und reduzierte ihre Anlagen von 1,3 Billionen US-Dollar auf 800 Milliarden US-Dollar. Gleichzeitig steigt der Verkauf von arabischen Kohlenwasserstoffen in einem rasanten Tempo, wobei Zahlungsmodelle in Yuan, Yen und Kryptowährungen getestet wurden.

Letzteres ist weitgehend für die aktuellen Ereignisse verantwortlich.

Saudi-Arabien ist seit einigen Jahren Teil des globalen Zahlungssystems CBDC (Multi-Central Bank Digital Currency), das den Handel mit allen gängigen Kryptowährungen ohne Rücksicht auf Dritte ermöglicht. Das Projekt wurde auf der Basis der Reserve Bank of South Africa umgesetzt, wobei sich die Zentralbanken von Israel, Namibia, Frankreich, Bahrain, Ägypten, Jordanien, die EU-Zentralbank, der Internationale Währungsfonds, die Federal Reserve Bank of New York, die Reserve Bank of Australia und die Weltbank anschlossen.

Das von der Zentralbank der Vereinigten Arabischen Emirate, der Bank von Thailand, der Hongkonger Währungsbehörde (Monetary Authority von Hongkong) und der Chinesischen Volksbank geförderte mBridge-Projekt ist seit 2021 ebenfalls erfolgreich in Betrieb.

Dies bedeutet, dass es für Saudi-Arabien beim Auslaufen des fünfzig Jahre alten Abkommens sehr viel schwieriger sein wird, Gründe für eine Verlängerung zu finden, als zum ersten Mal in den "freien Verkehr" zu gehen.

In diesem Zusammenhang sollte man auf einen weiteren Faktor der amerikanischen Politik hinweisen, nämlich die Förderung der "grünen" Agenda. Diese wird sowohl innerhalb der Vereinigten Staaten als auch in jenen Ländern, die das Pech hatten, mit Washington befreundet zu sein, ultimativ durchgesetzt. Ihre aggressivsten Apologeten sind die Demokraten, während die Republikaner dem traditionellen Energiesektor, der sich auf drei Säulen stützt – Kohle, Gas und Öl –, weitaus treuer sind.

Für die Saudis bedeutet eine Fortsetzung der Freundschaft mit Washington neben dem demütigenden Status eines "Benzintanks" die künftige Strangulierung ihrer Schlüsselindustrie, auf der der Staat selbst und sein Reichtum beruhen. Man kann also konstatieren, dass, so wie Nixon seinerzeit das System des Goldstandards zerstörte, so kappte Biden in Verfolgung dieser modischen Agenda die Wurzeln des Petrodollars und verlor damit seinen wichtigsten Lieferanten und seine finanzielle Stütze.

Man könnte sagen, wir leben in interessanten Zeiten.

Übersetzt aus dem Russischen. Der Artikel ist am 16. Juni 2024 zuerst auf RIA Nowosti erschienen.

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