Von Anton Gentzen
Nach mehrtägigem Schweigen hat Israel abgestritten, mittels Explosionen von Pagern und anderen elektronischen Geräten Terroranschläge im benachbarten Libanon verübt zu haben. Der israelische Präsident Jitzchak Herzog hat in einem Interview mit dem britischen Sender Sky News jede Verbindung des von ihm geführten Staates "zu dieser oder jener Operationsquelle" in Abrede gestellt, sogar "entschieden".
Natürlich kann dieses Dementi falsch sein, zumal Herzog sich im selben Interview unversöhnlich zeigt und das vermeintliche Recht Israels zum Einsatz nahezu beliebiger Mittel gegen die Hisbollah und andere Feinde verteidigt. Es ist jedoch die Reaktion von Sky News selbst, die aufhorchen lässt. Nur kurze Zeit nach dem Interview veröffentlichte der Sender einen längeren Kommentar seines Nahostkorrespondenten, in dem dieser Zweifel an Herzogs Aussagen streut und selbst – verdächtig – eine beachtliche Falschaussage trifft.
Der besagte Reporter, Alistair Bunkell, schreibt Folgendes:
"Herzog mag recht haben, wenn er behauptet, die Hisbollah habe andere Feinde, aber abgesehen von den USA, die wiederholt bestritten haben, von den Anschlägen zu wissen, fällt mir kein anderer Staat ein, der die Fähigkeit, den Willen und die Absicht hätte, diese Anschläge durchzuführen."
Kein anderer Staat hat "die Fähigkeit, den Willen und die Absicht" derartige Anschläge durchzuführen, nur Israel und die USA haben sie? Wirklich, Mister Bunkell?
Es ist kein großes Geheimnis, dass der britische Auslandsgeheimdienst "Secret Intelligence Service", besser bekannt als MI6, beziehungsweise dessen Vorläuferstrukturen seit Jahrhunderten auf Schriftsteller und Korrespondenten als Agenten setzten. Wir können es nicht behaupten, aber wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass Bunkell kein Agent des besagten MI6 ist? Und da soll er vergessen haben, dass es sein Land ist, das wie kein anderes – nicht einmal die USA können da mitziehen – auf verdeckte Operationen, Terror, Intrigen und die Aufwiegelung von Völkern und Staaten gegeneinander zur Durchsetzung seiner Interessen in den entferntesten Winkeln der Erde setzte und setzt?
Es ist seit Jahrhunderten das Markenzeichen Londons, mit Hinterlist und teuflischem Geschick im Hintergrund die Fäden von Konflikten und Kriegen zu ziehen, aber ausgerechnet jetzt, wo das kahle Inselchen zwischen Nordsee und Atlantischem Ozean endgültig zu verelenden droht und nicht einmal Heizkostenbeihilfen für seine Alten zahlen kann, soll dem MI6 "die Fähigkeit, der Wille und die Absicht" plötzlich vergangen sein? Mir fällt es schwer, das zu glauben.
Wir sehen es schon am Ukraine-Krieg: London, nicht Washington, ist die treibende Kraft hinter jeder Eskalation. Mit hoher Wahrscheinlichkeit waren es Experten für psychologische Sonderoperationen aus London, nicht aus Langley, die die Provokation von Butscha inszenierten. Zuvor hatten sie in Syrien mit allerlei Aktionen unter falscher Flagge von sich reden gemacht, auch die "Beobachtungsstelle für Menschenrechte", die Schaltzentrale für den Informationskrieg gegen Damaskus, residiert in London. Es war Boris Johnson, nicht Joe Biden, der im April 2022 nach Kiew eilte, um einen russisch-ukrainischen Friedensschluss zu verhindern. Und auch jetzt ist es London, das mit der Idee des Beschusses des russischen Hinterlandes mit seinen und US-amerikanischen Raketen vorprescht, während Washington zumindest öffentlich auf die Bremse tritt.
Warum das kahle Inselchen dringend, am besten sofort, einen großen Weltkrieg, den großen Knall und die Destabilisierung möglichst vieler Regionen der Welt braucht, ist nicht schwer zu durchschauen. Seit Jahrhunderten schon speist sich ihr Wohlstand und besonders der Reichtum der Londoner City aus dem, was ihre Piraten und Geschäftsleute in allen Teilen der Welt rauben und plündern.
Mit dem Zerfall des britischen Imperiums wurden die Möglichkeiten zu rauben und zu plündern zunächst keineswegs geringer. An die Stelle der "Ostindischen Gesellschaft" als Reichtumsbeschaffer für betuchte Briten traten BP und Shell, die mit Knebelverträgen in allen Teilen der Welt ihren Aktionären vor allem aus der Londoner City riesige Profite sichern.
Gas und Öl fördern die Briten unter anderem in Kasachstan, Aserbaidschan, Angola, Algerien, Ägypten, Nigeria und Saudi-Arabien. Ende 2023 ging die Nachricht um die Welt, dass Israel Teile der Konzessionen für die Gasförderung in seinem (und dem palästinensischen) Teil des Mittelmeers an BP erteilte. Und natürlich sind auch die riesigen "Kuchen" in Russland und Iran verlockend. In beiden Ländern hatten britische Konzerne bereits einen Fuß in der Tür: Seit 2011 war BP mit 19,75 Prozent an dem russischen Öl- und Gaskonzern Rosneft beteiligt; 2015 erwarb er von Rosneft 20 Prozent einer riesigen sibirischen Öllagerstätte. Erst nach 2022 verloren die Briten diese Anrechte.
Was Iran angeht, so ist BP aus der Anglo-Persian Oil Company hervorgegangen, die seit 1933 über Jahrzehnte die Reichtümer des iranischen Volkes ausbeutete. Iran selbst blieb unter den mit Reza Schah ausgehandelten Knebelverträgen nur eine miserable Beteiligung von 20 und 25 Prozent am Gewinn. Die Geschichte der Anglo-Persian Oil Company ist ein Lehrstück dafür, wie London die Interessen des britischen Kapitals in fremden Ländern verfolgt und durchsetzt. Nachdem das iranische Parlament 1951 das einzig Richtige tat und die Verstaatlichung der Ölfelder beschloss, setzte London die gesamte Palette der heute gegen Russland verwendeten Instrumente ein: Sanktionen, Embargos, militärische Blockade des Persischen Golfs, Verteufelung Irans in der Propaganda und wütende Reden im UN-Sicherheitsrat.
Die antiiranische Kampagne gipfelte schließlich in der britisch-amerikanischen Operation "Ajax" – dem gewaltsamen Sturz der legitimen iranischen Regierung unter dem demokratisch gewählten Premierminister Mohammad Mossadegh. Heute ist es kein Geheimnis mehr, dass der damalige Putsch unter aktiver Beteiligung britischer und US-amerikanischer Geheimdienste durchgeführt wurde.
Unmittelbar nach dem Putsch wurden 1954 die Ölkonzessionen neu verhandelt. Der iranische Staat konnte seinen Anteil am Gewinn auf 50 Prozent steigern, prinzipiell war es aber wieder das bekannte System neokolonialer Ausbeutung. Neben der AOIC waren auch Shell, die damals in den Niederlanden residierte, Jersey und weitere kleinere Firmen aus den USA sowie die Compagnie Francaise de Petroles aus Frankreich beteiligt. Im Rahmen des Konsortialvertrages wurden nach niederländischem Recht in Iran zwei Gesellschaften mit Sitz in London gegründet, die Iranian Oil Exploration and Producing Co. und die Iranian Oil Refining Co. Diese beiden Firmen gehörten zu 100 Prozent der ebenfalls neu gegründeten Iranian Oil Participants Ltd. mit Sitz in London, deren Anteile sich die im Konsortialvertrag genannten Firmen teilten. Die britischen Profiteure kleideten sich nur neu ein.
Das Fördern und Verarbeiten von Öl ist keine hohe Kunst und keine Hochtechnologie. Die Sowjetunion hat es die gesamte Zeit ihres Bestehens ohne einen Cent westlichen Kapitals selbst bewältigt. Wenn die Öl besitzenden Länder westlichen Konzernen Konzessionen erteilen, sind die Gewinne daraus nichts anderes als eine koloniale Kontribution, die sie zahlen. Anders formuliert: Schutzgeld, das der Mafiaboss kassiert. Der Westen findet leider immer wieder korrupte Aborigines, die ihm diese Knebelverträge unterzeichnen und dem Raub damit den Anschein der Legalität verschaffen. Sputen die Eingeborenen nicht, findet auf die eine oder andere Weise ein "Regimewechsel" statt. Scheitert der "Regimewechsel", gibt es Krieg.
Allein aus Russland hat das westliche Kapital nach 1991 auf diese Weise Tausende Milliarden Dollar gesaugt. Der genaue Schaden für das russische Volk und die anderen Völker der ehemaligen Sowjetunion ist noch nicht genau berechnet, wir reden aber von mindestens 20 Billionen. Die Verluste durch Deindustrialisierung und durch den Ressourcenverkauf unter Marktpreisen sind da nicht einmal einkalkuliert. Wir reden vorerst nur von den unmittelbaren Gewinnen westlicher Konzerne und den ins Ausland gezahlten Dividenden. Die 300 Milliarden eingefrorener russischer Währungsreserven sind dagegen nur eine Randnotiz.
In einer gerechten Weltordnung wäre es vorbei mit dem Schlaraffenland für die Parasiten, die sich am Öl und Blut der Völker festgesaugt haben. Dank BRICS und China bewegt sich die Welt langsam in diese Richtung. Aber die Parasiten wollen weiter saugen, das ist ihr Naturell. Sie wollen die inzwischen verloren gegangenen Profitquellen in Iran und Russland zurück, sie wollen diejenigen, die sie noch haben, behalten, und sie wollen immer neue Stücke vom "Kuchen". Und darum, um den Prozess der Befreiung der Völker der Welt von der neokolonialen Knechtschaft zu stoppen und umzudrehen, brauchen sie eben den großen Weltkrieg.
Und wie lässt sich dieser provozieren? Nun, zum Beispiel, indem man im Nahen Osten etwas so Menschenverachtendes und Empörendes macht, dass die örtlichen Akteure darauf reagieren müssen, und es einer der potenziellen Konfliktparteien in die Schuhe schiebt.
Verschwörungstheorie? Klar doch. Es kann immer noch Israel gewesen sein. Oder die CIA, wobei die USA viel weniger Grund zur Hektik haben, als das in die Bedeutungslosigkeit abgleitende Mikrobritannien. Sicher kann man sich so früh nach dem Ereignis nicht sein, eine Hypothese, die man im Blick behalten sollte, ist es allemal.
Nicht immer ist derjenige, auf den alle Indizien so offensichtlich deuten, auch der tatsächliche Täter. In besseren britischen Kriminalromanen ist es oft derjenige, der davon profitiert, dass der offensichtliche Verdächtige hinter Gittern verschwindet. Und die auffällige Auslassung des zweitnaheliegendsten Verdächtigen in Mr. Bunkells oben zitierter Denunziation nennen Juristen "beredtes Schweigen". Ein Schweigen, das deutlicher spricht als ein Geständnis.
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