Liebe: Mit festem Willen

Und sie erzählte mir von einem Jüngling, der in einen Stern verliebt war. Am Meere stand er, streckte die Hände aus und betete den Stern an, er träumte von ihm und richtete seine Gedanken an ihn. Aber er wusste, oder meinte zu wissen, dass ein Stern nicht von einem Menschen umarmt werden könne.

Er hielt es für sein Schicksal, ohne Hoffnung auf Erfüllung ein Gestirn zu lieben, und er baute aus diesem Gedanken eine ganze Lebensdichtung von Verzicht und stummen, treuem Leiden, das ihn bessern und läutern sollte. Seine Träume gingen aber alle auf den Stern. Einmal stand er wieder bei Nacht am Meere, auf der hohen Klippe, und blickte in den Stern und brannte vor Liebe zu ihm. Und in einem Augenblick größter Sehnsucht tat er den Sprung und stürzte sich ins Leere, dem Stern entgegen.

Aber im Augenblick des Springens noch dachte er blitzschnell: Es ist ja doch unmöglich! Da lag er unten am Strand und war zerschmettert. Er verstand nicht zu lieben. Hätte er im Augenblick, wo er sprang, die Seelenkraft gehabt, fest und sicher an die Erfüllung zu glauben, er wäre nach oben geflogen und mit dem Stern vereinigt worden.

„Liebe muß nicht bitten“, sagte sie, „auch nicht fordern. Liebe muss die Kraft haben, in sich selbst zur Gewissheit zu kommen. Dann wird sie nicht mehr gezogen, sondern zieht…“

Hermann Hesse (1919) 1974, Demian. Die Geschichte von Emil Sinclairs Jugend. Frankfurt a. M., Suhrkamp: 174–176.

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