Sie gilt als makroökonomisch nicht nur als unsinnig, sondern als große Hürde für die wirtschaftliche Entwicklung Deutschlands: Die Rede ist von der Schuldenbremse. Sie wurde vom ehemaligen Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) den Deutschen als Kuckucksei ins Grundgesetz gelegt. Die Schuldenbremse ist Ausdruck von wirtschaftspolitischem Populismus. Ihr zugrunde liegt die falsche Annahme, dass Volkswirtschaften wie Unternehmen und sogar wie Privathaushalte funktionieren. Zur Illustration ihrer Sinnhaftigkeit fand die schwäbische Hausfrau Eingang in die Bildsprache von Politikern und Wirtschaftsjournalisten. Man könne nicht mehr ausgeben als einnehmen, ist die mit dem Bild verbundene These, die zwar für Privathaushalte gilt, für Volkswirtschaften aber in dieser Pauschalität eben nicht.
Seit der Einführung der Schuldenbremse geht es mit Deutschland bergab. Deutschland verliert international den Anschluss, denn schuldenfinanzierte Investitionen sind nicht mehr möglich. Der Verfall der deutschen Infrastruktur sowie die Defizite bei der Digitalisierung hängen unmittelbar mit der Schuldenbremse zusammen. Transnationale Organisationen wie die OECD und der Internationale Währungsfonds mahnen seit Langem höhere Investitionen an. Der Ruf verhallte in Deutschland ungehört.
Bisher hat die CDU eine Reform der Schuldenbremse abgelehnt. Vor allem Kanzlerkandidat Friedrich Merz bestand als eifriger Verfechter des ökonomischen Populismus darauf, an der Schuldenbremse festzuhalten. Nun allerdings änderte Merz seine Position. Auf dem SZ-Wirtschaftsgipfel sagte er, man könne über die Schuldenbremse reden. Grundsätzlich gebe es auch im Grundgesetz nur wenig, das wirklich unveränderbar sei, führte er aus. Allerdings fügte er gleich einschränkend hinzu, dass eine Lockerung der Schuldenbremse nicht für Sozialausgaben oder den Konsum genutzt werden dürfe.
Der Hintergrund des Sinneswandels ist offensichtlich: Im Fall eines Regierungswechsels sieht sich auch Merz den Einschränkungen der Schuldenbremse ausgesetzt. Die Schuldenbremse funktioniert faktisch als Wachstumsbremse, denn ohne Investitionen lässt sich kein Wachstum generieren. Investitionen vor allem im großen Maßstab sind in der Regel aber schuldenfinanziert. Dass Merz allerdings Investitionen in Deutschlands marode Infrastruktur plant, ist fraglich. Bisherige Regierungen unter CDU-Beteiligung haben das abgelehnt. Der Hauptgrund dürfte daher sein, dass die Schuldenbremse die weitere Finanzierung des Ukraine-Krieges verhindert.
Dass es ihm nicht um eine grundsätzliche Kehrtwende geht, macht auch Merz' Festhalten am wirtschaftspolitischen Populismus deutlich. Menschen, die sich wirtschaftlich abgehängt fühlen, machten ihr Kreuz bei Populisten und Verschwörungstheoretikern, behauptet er. Dass die Abkehr der Wähler von den etablierten Parteien dem Umstand geschuldet sein könnte, dass deren Wirtschaftspolitik seit nunmehr fast zwei Dekaden nachweislich zu einer Erosion der Mittelschicht geführt hat, kommt Merz nicht in den Sinn.
Während eine Schuldenaufnahme für den Erhalt der sozialen Sicherungssysteme von Merz verurteilt wird, ist schon jetzt absehbar, dass er eine durch Schulden finanzierte Unterstützung der Ukraine befürwortet. An der Frage, wie der Krieg in der Ukraine von Deutschland weiter finanziert und verlängert werden kann, ist die Ampelkoalition zerbrochen. Finanzminister Christian Lindner (FDP) plädierte für die strikte Einhaltung der Schuldenbremse und für Einsparungen in anderen Bereichen, um die eingesparten Mittel für Waffenkäufe für die Ukraine bereitzustellen.
Unabhängig vom Streit über die Finanzierung ist es Konsens über die Parteigrenzen der etablierten Parteien hinweg, dass Deutschland mehr für die Aufrechterhaltung des Krieges in der Ukraine tun muss, da die USA unter Donald Trump als Finanzier des Krieges ausfallen werden. Trump lehnt eine weitere Unterstützung auf Kosten der US-Steuerzahler ab. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) forderte Lindner ultimativ auf, sein Einverständnis zum Aussetzen der Schuldenbremse zu geben.
Sollten allerdings mit neuen Schulden im Ausland Waffen und Munition eingekauft werden, die dann der Ukraine zur Verfügung gestellt werden, hätte eine Lockerung der Schuldenbremse keinerlei positiven Einfluss auf die wirtschaftliche Entwicklung Deutschlands. Den gibt es nur dann, wenn die aufgenommenen Schulden für Investitionen im Inland ausgegeben werden.
Mehr zum Thema – Scholz-Rede und Bundestagsdebatte: Antirussische Ampelkoalition scheitert an Ukraine-Unterstützung
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