Waisenkinder als Nazi-Saboteure: Russland veröffentlicht geheime Dokumente über Abwehr-Programm

Der Föderale Sicherheitsdienst der Russischen Föderation (FSB) hat anlässlich des Internationalen Kindertages, der jeweils am 1. Juni in zahlreichen Ländern der Welt begangen wird, geheime Archivdokumente veröffentlicht, die perfide Methoden der deutschen Abwehr im Zweiten Weltkrieg belegen. In den Schriftstücken wird über Aufklärungs- und Sabotageschulen berichtet, in denen man sowjetische Waisenkinder auf Anschläge gegen die Rote Armee im Hinterland getrimmt haben soll. In den nun freigegebenen Akten gibt es Berichte und Zeugenaussagen.

Der sowjetische Militärabschirmdienst war seit dem ersten Kriegsjahr mit den Fällen konfrontiert, in denen die Nazis sowjetische Kinder für ihre Ziele missbrauchten. So nahm die Sonderabteilung des Volkskommissariats für innere Angelegenheiten (NKWD) bei der 34. Kavallerie-Division am 15. November 1941 drei Jungen im Alter von acht bis zehn Jahren fest. Einer der Minderjährigen sagte dabei aus, dass die Deutschen in der Stadt Bobruisk bis zu 50 Waisen im Alter von acht bis zwölf Jahren versammelt und in Aufklärung unterrichteten hätten. Nach einer einmonatigen Schulung seien zehn Kinder über den Fluss Sewerny Donez in den Raum der Stadt Isjum im Gebiet Charkow eingeschleust worden. Ihr Ziel sei es gewesen, die Standorte der Roten Armee zu erkunden. Später wurden zwei weitere junge Agenten in der Nähe der Siedlung Drobyschewo festgenommen.

Am 25. Dezember 1941 wurde dem stellvertretenden NKWD-Chef und künftigen Chef der sowjetischen Spionageabwehr SMERSch Wiktor Abakumow über zwei Schulen für minderjährige Agenten berichtet, die die Deutschen in der Stadt Bobruisk und in der Siedlung Protopopowka im besetzten Gebiet Charkow organisiert und als Waisenhäuser getarnt hatten.

In der Aufklärungsschule in Bobruisk gab es demnach zwei Trainingsgruppen je nach Altersstufe der Zöglinge: die eine für bis zu 20 Kinder im Alter von sieben bis zehn Jahren und die andere für bis zu 30 Kinder im Alter von elf bis 15 Jahren. Unter ihnen gab es auch Mädchen. Den Kindern wurde beigebracht, wie sie Pläne mit Standorten der Roten Armee zeichnen sollten. Die etwas älteren Minderjährigen wurden darüber hinaus im Umgang mit Waffen und Sprengsätzen für Anschläge auf Eisenbahnen unterrichtet. Die Nazi-Offiziere schüchterten dabei ihre Zöglinge ein, indem sie ihnen von angeblicher grausamer Folter durch die Bolschewiki erzählten.

Im Jahr 1943 intensivierte die deutsche Abwehr ihre Versuche, verwaiste sowjetische Jugendliche für Anschläge gegen Eisenbahnen im Hinterland zu missbrauchen. So wurden in der Nacht vom 31. August zum 1. September 1943 in den Raum der Stadt Obojan im Gebiet Kursk zwei minderjährige Saboteure mit Fallschirmen eingeschleust. Laut den freigegebenen Dokumenten handelte es sich bei ihnen um den 13-jährigen Walentin Rumjanzew und den 15-jährigen Pawel Gurow. Die beiden waren in eine deutsche Sabotageschule bei der Stadt Smolensk aufgenommen worden. Nach einer einmonatigen Vorbereitung wurden Rumjanzew und Gurow mit 28 anderen Kameraden nach Kassel befördert, wo sie ein Praktikum im Fallschirmspringen machten. Ende August wurden sie vom Flugplatz in der Nähe der Stadt Orscha über die Frontlinie gebracht.

Zwischen dem 28. August und dem 1. September gelangten insgesamt drei Gruppen von jeweils neun bis zehn minderjährigen Saboteuren über die Kontaktlinie. Sie alle hatten zwei bis drei Stück Sprengstoff mit, die als Kohle getarnt waren. Die jungen Agenten hätten sie an Bahnhöfen in Kohlehaufen verstecken sollen, die als Treibstoff für Lokomotiven bestimmt waren. Außerdem hätten die Agenten Lagerhallen und Häuser, in denen Rotarmisten wohnten, in Brand setzen sollen.

An einer solchen im Juni 1943 organisierten Sabotageschule unterrichtete Juri Jewtuchowitsch. Der 32-Jährige gab bei mehreren Verhören im Jahr 1945 Einzelheiten über das Abwehr-Programm bekannt. Ihm zufolge hätten Waisenkinder weniger Verdacht bei der Roten Armee geweckt. Darüber hinaus hätten die Nazis die für alle Jugendlichen typische Neugier missbraucht. Als Zusatzanreiz für die Kinder hätte eine bessere Verpflegung und eine Reise nach Dresden fungieren sollen.

Für das weitere Schicksal der Saboteure interessierte sich das deutsche Kommando offenbar nicht. Den Nazis war es Jewtuchowitsch zufolge recht, wenn zwei von 100 eingeschleusten Kindern ihre Aufgabe erfüllten. Nach sowjetischen Angaben wurden allein Anfang September 1943 insgesamt 28 eingeschleuste Nazi-Saboteure im Alter von 14 bis 16 Jahren verhaftet, wobei 15 von ihnen sich selbst stellten. Erst später gelang es dem sowjetischen Militärabschirmdienst, die Standorte solcher Schulen festzustellen und ihren Betrieb lahmzulegen.

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