US-Zeitschrift sinniert über die Ermordung Putins

Foreign Policy (FP) ist eine der zwei bedeutenden außenpolitischen Zeitschriften der USA. Hier und im Konkurrenzblatt Foreign Affairs werden die Positionen diskutiert, Strategien entwickelt und manchmal auch tatsächliche Handlungen angedeutet. FP war im letzten Jahrzehnt eng mit den US-Demokraten verbunden und hatte 2016 sogar zur Wahl Hillary Clintons aufgerufen.

Am 30.7. erschien in dieser Zeitschrift ein Artikel mit der Überschrift "Würden die USA erwägen, Putin zu ermorden?". Geschrieben wurde dieser Artikel von Douglas London, ehemals Stationsleiter der CIA, dann der Chef der Terrorismusbekämpfung für Süd- und Südwestasien; also kein Analytiker, sondern ein Mitarbeiter der operativen Abteilung. Derzeit ist er Professor für "Intelligence Studies" an der Georgetown University, die wiederum eine bekannte Rekrutierungsstätte für die politischen Positionen der US-Demokraten ist.

Dieser Artikel erschien am Tag, nachdem die Meldung erschienen war, die israelische Regierung habe "Vergeltungsmaßnahmen" wegen des vermeintlichen Angriffs der Hisbollah auf ein drusisches Dorf in den besetzten Golan-Höhen genehmigt. Am selben Tag, als dieser Artikel erschien, erfolgten die beiden israelischen Mordanschläge in Beirut und Teheran. London wie auch die Redaktion von FP müssen gewusst haben, dass das Erscheinen des Artikels mit einem israelischen Attentat zusammenfallen würde; keine der beiden Seiten hat die Veröffentlichung, die online und nicht gedruckt erfolgte (das Magazin erscheint nur viermal im Jahr im Druck), deshalb gestoppt oder zurückgezogen.

London ließ noch am 13. Juli auf seinem Kanal auf X erkennen, dass er Verständnis für eine Politik der Attentate hegt. Er schrieb:

"Ich erwarte, dass Netanjahu glaubt, er könne politisch nicht überleben, wenn er einer Waffenruhe zustimmt, ehe Deif oder Sinwar getötet wurden. Wenn Deif tot ist, könnte er für die Übereinkunft, die derzeit auf dem Tisch liegt, zugänglicher sein."

Er leitet seinen Text, der die Frage eines Anschlags auf Putin durchdiskutiert, als technische Fragestellung ein, und nennt als Auslöser den Tod des iranischen Präsidenten Ibrahim Raisi und Putins Reise nach Pjöngjang, die zu einer Diskussion über dieses Thema geführt habe:

"Sollten die Vereinigten Staaten und ihre Verbündeten versuchen, Putin zu entsorgen, indem sie in seiner Abwesenheit einen Putsch ermöglichen oder ihn bei derartigen Reisen ermorden? Die Antwort liegt in der Abwägung zwischen Risiko und Ertrag."

Das wichtigste Argument, das er gegen einen derartigen Plan vorbringt, lautet, Putin sei berechenbar. Der Rest des langen Textes ist teils eine Liste tatsächlicher Morde und Mordversuche, durch die CIA ebenso wie durch die Israelis, teils eine technische Darstellung möglicher Ansätze. Mit kleinen Einschränkungen: "Regimewechsel haben sich für die US-Interessen nicht gelohnt."

Sein Blick bleibt technisch und sehr auf eine mögliche unmittelbare Wirkung begrenzt:

"Was Russland betrifft, selbst unter den idealsten Umständen, wenn die US-Regierung Putin entfernen und ihre Beteiligung verbergen kann, wie zuversichtlich ist Washington, dass auf ihn eine stabile und weniger feindselige Führung folgen würde?"

Dann werden die russischen Sicherheitsorgane und deren jeweilige Führungen als mögliche Akteure eines Putsches besprochen, angefangen mit dem FSB und dessen neuem Chef Alexander Bortnikow:

"Bortnikow teilt wie Patruschew Putins Weltsicht, die Paranoia dem Westen gegenüber, die politische Philosophie und die Glorifizierung des alten sowjetischen Imperiums."

Wiktor Solotow, Chef der russischen Nationalgarde Rosgwardia, scheint ihm ebenfalls kein geeigneter Putschkandidat:

"Jenseits seiner Loyalität zu seinem Chef ist öffentlich wenig über Solotows politische Ansichten bekannt, aber es gibt keine Belege, dass er eine progressive Alternative böte, die dem Westen gegenüber weniger feindselig ist."

Der Leiter des präsidialen Sicherheitsdienstes, also des russischen Gegenstücks zum Secret Service der USA, Dmitri Kotschnew, wird aus technischen Gründen ausgeschlossen:

"Kotschnew würde immer noch den FSB und Rosgwardia benötigen, um den Auftrag zu erfüllen, also wäre er vielleicht ein Komplize, aber nicht an vorderster Front eines solchen Plans."

Vielleicht der interessanteste Absatz ist der folgende, weil er zumindest die politischen Risiken, die bezogen auf Russland die Folge sein könnten, benennt:

"Sollte Putin im Ausland ermordet werden, würde die alte Garde, unabhängig von der Beweislage, wahrscheinlich die Vereinigten Staaten beschuldigen und dies als Fanal nutzen, um die Macht zu konsolidieren und die Öffentlichkeit zu mobilisieren. Und da sie Putins Paranoia bezüglich einer existenziellen Bedrohung durch den Westen teilen, gibt es ein glaubhaftes Risiko, dass sie direkt militärisch zurückschlagen würden, mit ungewisser Zurückhaltung. Weil sie sich unsicher glauben, würden sie gleichermaßen im Land selbst mit unterschiedsloser Rücksichtslosigkeit durchgreifen, was das lang kontrollierte revolutionäre Feuer in der Bevölkerung entzünden könnte, was eine große, nuklear bewaffnete Macht ins Chaos stürzen würde."

Darauf folgt nun ein Abschnitt über einen von außen organisierten Mordanschlag. Dabei bleibt er nach Darstellung möglicher Probleme innerhalb Russlands wie außerhalb vor allem an einem Punkt hängen:

"Ein schwaches Glied könnte die vom russischen Staatschef selbst geschaffene Verwundbarkeit sein, weil er sich auf den alternden und problematischen, in der Sowjetunion entwickelten Jet des Typs Iljuschin Il-96 verlässt, den er nutzt, wie in seinen jüngsten Reisen nach Nordkorea und Vietnam."

Putin werde nur von seiner Paranoia abgehalten, westliche Flugzeuge zu nutzen, meint London (und übersieht dabei völlig die eigenständige Flugzeugentwicklung in Russland, die im Zivilbereich in den letzten Jahren große Fortschritte gemacht hat).

Natürlich, schließt London seine Ausführungen, bestünden auch bürokratische Hürden, die die Durchführung eines solchen Anschlags erschweren.

"Ausländische Staatschefs auf Grundlage glaubwürdiger Informationen, die ihre kontinuierlichen Bemühungen, den Vereinigten Staaten zu schaden, belegen, zu töten, würde vernünftigerweise immer noch die rechtliche Hürde für präventive Selbstverteidigung nehmen müssen."

Die Ermordung des iranischen Generals Soleimani sei ein begrenztes Risiko gewesen, weil "der Iran keine existenzielle Bedrohung ist". Russland sei immerhin eine Atommacht. Und er schließt mit einem Zitat: "Wenn du auf den König zielst, solltest du ihn nicht verfehlen."

Mehr zum Thema - Ungeklärtes Verbrechen: Heute vor 60 Jahren wurde John F. Kennedy ermordet

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