Staatstrojaner: Wieder Russland-kritische Journalist:innen mit Pegasus angegriffen

Vor Überwachung und Repression in Russland und Belarus flüchteten Journalist:innen und Oppositionelle in die EU. Dort wurden ihrer Handys mit dem Staatstrojaner Pegasus infiziert. Das kanadische Citizen Lab hat die Infektionen nachgewiesen, doch kann keine Beweise liefern, woher die Angriffe rühren.

Die Journalistin Galina Timchenko, umgeben von Mikrofonen.
Galina Timchenko wurde mit Pegasus gehackt, nun sind sieben weitere Betroffene nachgewiesen. – Alle Rechte vorbehalten Imago

Mehrere Journalist:innen und Vertreter:innen der Zivilgesellschaft aus Russland und Belarus sind mit dem Staatstrojaner Pegasus angegriffen worden, darunter der russische Journalist Yevgeny Erlikh und der belarussische Oppositionspolitiker Andrei Sannikov. Das berichtet die Menschenrechtsorganisation Access Now in einer gemeinsamen Untersuchung mit dem kanadischen Citizen Lab, einem IT-Sicherheitslabor an der Universität von Toronto.

Schon im vergangenen September hatte Citizen Lab nachgewiesen, dass das Apple-Smartphone der renommierten Journalistin Galina Timchenko, Leiterin der exilierten unabhängigen russischen Nachrichten-Website Meduza, mit Pegasus infiziert wurde. Mehrere andere Medienvertreter:innen hatten damals ebenfalls Warnungen von Apple zu ihren Geräten erhalten. Jetzt bestätigt Citizen Lab auch diese Infektionen „mit hoher Sicherheit“.

Mehrere Jahre lang, zwischen 2020 und 2023, sollen die sieben Personen demnach immer wieder mit Pegasus angegriffen worden sein. Die Software des israelischen Herstellers NSO wird an staatliche Akteure lizenziert, die damit die Smartphones von Zielpersonen überwachen. Pegasus gilt als Zero-Click-Trojaner, das heißt ohne das Zutun der Zielperson können die Überwacher damit in das Smartphone ihres Opfers eindringen und Nachrichten, Anrufe, Fotos oder Standortdaten sehen und hören.

Auch im Exil nicht sicher

Viele der Zielpersonen haben die russische Regierung öffentlich kritisiert, schreibt Citizen Lab, auch nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine. In der Folge seien sie von russischen und belarussischen staatlichen Sicherheitsdiensten massiv bedroht worden. Ein Großteil lebt inzwischen im Exil in Litauen, wie Meduza-Chefin Galina Timchenko, zwei Personen lebten in Warschau.

Im Exil seien sie zwar sicherer, die Angriffe mit Pegasus zeigten aber, dass auch das Exil nicht vor digitalen Angriffen schützt. Die Notwendigkeit, aus dem Exil zu arbeiten, könne bestimmte digitale Risiken sogar erhöhen, erklärt Citizen Lab, da die Gruppen gezwungen sind, sich fast ausschließlich auf Plattformen Dritter zu verlassen, um zu kommunizieren.

Hinweise, keine Beweise

Mit technischen Details hält sich der Bericht zurück. Jedoch schreibt Citizen Lab, dass für fünf der Personen eine Verbindung zwischen den E-Mail-Adressen besteht, die für den Angriff eingesetzt wurden. Dies deute darauf hin, dass ein einziger Akteur für diese Angriffe verantwortlich sei.

Gleichzeitig machen die Forscher:innen klar, dass sie zwar Hinweise liefern, jedoch keine Beweise dafür, wer für die Angriffe verantwortlich ist. Selbst bei einer nachgewiesenen Infektion mit Pegasus lässt sich technisch von Dritten nicht nachweisen, von welcher Behörde oder welchem Geheimdienst der Angriff ausgeführt wurde. Die Liste der Kunden kennt nur der Hersteller NSO, über dessen Infrastruktur die Infektionen laufen.

Nimmt man Timchenkos Fall aus dem September hinzu, gibt es damit inzwischen acht dokumentierte Fälle von Spionageangriffen mit Pegasus gegen russisch- und belarussischsprachige Oppositionelle und unabhängige Medien, die im Exil leben. Citizen Lab empfiehlt Vertreter:innen der Zivilgesellschaft und Medien, für ihre Apple-Smartphones den „Lockdown Mode“ einzuschalten, der das Gerät vor solchen Angriffen schützen soll. Für Android-Geräte gibt es keinen vergleichbaren Schutz.


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