Sergey Lawrow: Deutsche Konzerne lagern ihre Produktionen nach USA und China schon aus

Episode 3: Der russische Außenminister gab am 19. April 2024 – nur einen Tag bevor der US-Kongress sein Geburtstagsgeschenk über 91 Milliarden US-Dollar an seine treuesten Bandera-Nachfahren auf fernen Kontinenten zeitgerecht verabschiedete – drei russischen Medienagenturen ein Interview:

UNSER-MITTELEUROPA möchte einzelne Themen aus diesem Interview herausgreifen: Heute in Episode 3 geht es um die Gründe hinter dem Kriegsrausch des kollektiven Westens: Was verleitet die Führer der atlantischen Kriegspartei dazu, an ihrem Ostfeldzug gegen Russland bis auf den letzten Ukrainer eisern festzuhalten?

Medienfrage an Lawrow: Handelt es sich bei Macron um den Fall einer gespaltenen Persönlichkeit?

Frage: Wie erklären Sie sich die extreme Hysterie der europäischen Staats- und Regierungschefs, wonach Russland kurz davor stünde, sie anzugreifen? Gibt es diese Bedrohung tatsächlich? Was sagen Sie dazu?

Sergey Lawrow: Wir können sagen, dass es sich um eine Paranoia handelt, die man abhaken kann. Doch, ich vermute, es handelt sich hier um einen raffinierteren Plan: Voller Verzweiflung versuchen sie ihre Parlamentarier dazu zu bringen, ihnen Gelder zu bewilligen, um diesen Krieg fortzusetzen.

Die Vereinigten Staaten haben sich schon etwas beruhigt. Obschon ich nicht weiss, wie sich das Drama um die Freigabe der drei verschiedenen Finanzierungs-Programme, darunter eines zur Ukraine, an diesem Wochenende entscheiden wird .

Im Moment sprechen sich die Europäer am vehementesten dafür aus, weiterhin Geld und Waffen in die Ukraine zu stecken: Dazu zählen der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz, der sich selbst als Führer zur Unterstützung der Ukraine ansieht, wie auch der militante französische Präsident Emmanuel Macron sowie kleine baltische Anrainerstaaten und die Tschechische Republik und einige andere.

Es gibt mehrere Überlegungen: Erstens, die Europäische Union hat, vertreten durch ihren Hohen Vertreter für Außen- und Sicherheitspolitik, Josep Borrell, den deutschen Bundeskanzler Olaf Scholz und die Präsidentin der Europäischen Kommission, Ursula von der Leyen, Russland unverblümt und unmissverständlich zum Feind erklärt: Es sei notwendig, Russland zu vernichten bzw. seinen Sieg zu vereiteln und damit die Ukraine zu retten. Die politischen Karrieren jener Vertreter würden enden, falls sie ihre Rhetorik ändern wollten. Sie würden damit sofort von der Opposition auf frischer Tat ertappt.

Zweitens, es bleibt ihnen wichtig ans Geld zu gelangen, um gleichzeitig ihren Bevölkerungen weiss zu machen, warum ihnen billiges Gas und Pipeline-Öl abhandengekommen, die Preise dafür in die Höhe geschnellt und Deindustrialisierung aufgrund der Sanktionen angelaufen ist. Deutsche Konzerne haben bereits begonnen, ihre Produktion in die USA oder nach China auszulagern. Genau das geschieht, indem der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz von deutschen Unternehmensvertretern bei seinem China-Besuch begleitet wird. Sie kamen nicht, um Verträge für einige beidseitig vorteilhafte Projekte abzuschliessen, sondern sich über die Verlagerung ihrer Produktionen nach China zu verständigen.

Nach ihrer Meinung würde eine Beruhigung oder ein Einfrieren des Konfliktes – in einem Monat gibt es die Wahlen zum Europäischen Parlament, gefolgt von nationalen Wahlen in vielen Ländern der EU – die Opposition in die Lage versetzen aufzuzeigen, wohin besagte Politik in Bezug auf sozioökonomische Faktoren geführt habe: Das Gerede über vermeintliche Pläne von uns die NATO anzugreifen, stellen nur Versuche dar, den Wählern Angst einzujagen, um mit der bisherigen Politik fortfahren zu können.

Es ist unglaublich: Nachdem die spezielle Militäroperation los gegangen war, sagten einige Leute in den USA und Europa, dass der russische Präsident Wladimir Putin es nicht gewagt hätte ein Mitglied der Allianz anzugreifen, wäre die Ukraine in die NATO aufgenommen worden. Was sagen sie jetzt? Die Ukraine darf nicht verlieren, denn wenn sie verlöre, würde Wladimir Putin sodann die NATO angreifen lassen. Lässt sich daraus irgendeine Logik ableiten? Hier geht es nur darum, Angst zu verbreiten und zu drohen. Ich weiß nicht, wie ich das sonst zu interpretieren hätte.

Der Chef der norwegischen Streitkräfte, Eirik Kristoffersen, sagte, es sei jetzt an der Zeit, sich auf eine militärische Konfrontation mit Russland in der Arktis vorzubereiten. Auch das wird Russland unterstellt. Präsident Wladimir Putin hat wiederholt erklärt, es gebe keinen Grund, dort militärisch einzugreifen.

Sie waren es, welche die NATO-Grenze näher an unsere Grenze verschieben wollten. Natürlich werden wir das in der Ukraine nicht zulassen. Ich weiß nicht, was mit der Westukraine geschehen wird. Viele Politiker äußern sich auch zu diesem Thema. Aber die Zukunft der ursprünglich russischen Ukraine, die Teil der russischen Welt bleiben möchte, Russisch spricht, ihre Kinder in dieser Sprache erzieht und Blumen an den Denkmälern der Gefallenen niederlegen lässt, die in der Zeit des Russischen Reiches, der Sowjetunion und des Großen Vaterländischen Krieges Blut für dieses Land vergossen haben, steht außer Zweifel.

Frage: Sie haben gerade gesagt, dass die Opposition keine Gelegenheit auslassen werde, jene Leute, die Russland zu zerstören trachten, hart abzustrafen. Gibt es da draußen irgendwelche Leute – weder Falken noch reine Tauben, aber zumindest relativ vernünftige Leute – mit denen wir verhandeln könnten oder vielleicht schon verhandeln? Wie realistisch stehen die Chancen, dass solche Leute, in Ämter wie in das des Hohen Vertreters der EU für Außen- und Sicherheitspolitik, das derzeit von Josep Borrell bekleidet wird, in das des deutschen Bundeskanzlers Olaf Scholz oder in das des französischen Präsidenten Emmanuel Macron gelangen, um nur einige zu nennen?

Sergey Lawrow: Das ist schwer zu sagen, denn diese Art von Handel findet normalerweise unter dem Tisch statt. Niemand wählt diese Offiziellen. Sobald die Mitglieder des Parlaments gewählt sind, werden die EU-Kommissare von einer kleinen Gruppe von Personen festgelegt. Die Kandidaten für das Amt des Vorsitzenden des Europäischen Rates, der Europäischen Kommission und des Beauftragten für Außen- und Sicherheitspolitik werden auf gleiche Weise ernannt.

Wir haben niemals Kontakte zu irgendwelchen politischen Kräften abgelehnt, insbesondere nicht zu solchen systemisch politischen Kräften wie die Front National von Marine Le Pen oder Alternative für Deutschland oder eine Reihe anderer weniger prominente Bewegungen oder Persönlichkeiten, wie beispielsweise Nigel Farage (Vereinigtes Königreich), der sich aktiv für konservative Verhältnisse stark macht. Es ist bezeichnend, dass sie kürzlich ihren völlig legitimen, offenen und regulären Kongress in Brüssel abhalten wollten: Zwei Stunden nach Beginn dieser Konferenz Konservativer, an der auch der ungarische Ministerpräsident Viktor Orban, Nigel Farage und viele andere systemrelevante Politiker teilnahmen, erschien der Leiter einer belgischen Hauptstadtkommune mit der Polizei und erklärte, dass sie da nicht auftreten dürften.

Eine Frage: Den Wächtern wurde es überdrüssig?

Sergey Lawrow: Stimmt – es wurde den Wächtern überdrüssig und sie haben vermeintlich extremistische Grundstimmungen verbreitet.

Die Doppelzüngigkeit des Westens und sein unerschütterlicher Glaube an seine eigene Straffreiheit und Größe samt Überlegenheitskomplex sind ziemlich bemerkenswert. Die Alternative für Deutschland, die in den Umfragen ein paar Prozentpunkte zugelegt hat, wurde von einer Welle von Anschuldigungen überrollt: Sie würde von Russland gesteuert und agierte als russischer Agent.

Zuletzt wurden zwei Deutsche festgenommen, die Objekte ausspioniert und Terroranschläge auf US-Militärstützpunkte in Deutschland und einige Produktionsanlagen, die Waffen an die Ukraine liefern, geplant hätten. Unser Botschafter in Berlin wurde sofort einbestellt.

Zwei Männer planten terroristische Anschläge: Das heißt, es war kein Problem, diese beiden “Nadeln im Heuhaufen” ausfindig zu machen. Niemand jedoch scheint die Vorbereitungen zu den Terroranschlägen gegen die Nord-Stream-Pipelines wahrgenommen zu haben, deren Vorbereitung und Durchführung Monate in Anspruch genommen haben musste. Es war ein äußerst lukratives Projekt für Deutschland. Die Streitkräfte, Marine und Luftwaffe vieler NATO-Länder waren an der Realisierung dieses Terroranschlags beteiligt, was inzwischen allgemein bekannt ist. Allerdings wurden zwei Personen, die, wie sie behaupteten, Terroranschläge nur planten, sofort gefunden.

Die Anschuldigung, dass diese Oppositionsparteien ihre Aktivitäten verstärkten, weil sie in jeder Hinsicht von Russland, auch mit illegalen Mitteln, “unterstützt” würden, ist überaus bezeichnend. Wir haben den Franzosen, Amerikanern, Briten und anderen EU- und NATO-Mitgliedern immer wieder vorgehalten, dass ihre Botschaften in Russland mehr als nur gerüchteweise in Aktivitäten verwickelt wären. Wir haben sie damit konfrontiert, dass sie Treffen veranstalteten, die gegen die geltenden Regeln verstossen. Es gab eine Kategorie von Mitarbeitern, die als örtlich angestellte Mitarbeiter eingestuft wurden: Sie waren für administrative und technische Arbeiten eingestellt. Unter dem Vorwand, dass sie Mitglieder der lokalen Gesellschaft wären, schickte man sie in Regionen, in denen sie mitwirken sollten regierungsfeindliche Bewegung zu unterstützen, die von allen möglichen ausländischen Agenten orchestriert wurden, was eine Unerhörtheit ist. Sie können sich alles erlauben, während man uns beispielsweise riet, uns nicht mit der Alternative für Deutschland einzulassen.

Frage: Die Räumlichkeiten der Alternative für Deutschland wurden gestern durchsucht. So funktionieren Freiheit und Demokratie dort .

Sergey Lawrow: Das ist eine parlamentarische Partei.

Frage: Wir sollten von ihnen lernen. Wie aus dem Nichts kam eine Einladung zur Teilnahme an den Feierlichkeiten zum 80. Jahrestag der Landung der Alliierten in der Normandie. Werden wir daran teilnehmen? Was hat Herr Macron vor? Ist er ein Fall einer gespaltenen Persönlichkeit oder sonst was?

Sergey Lawrow: Wir sind nicht eingeladen worden. So machen sie es. Wenn sie sich einmal entschlossen haben, etwas zu tun, sind sie nicht in der Lage, sich an die Grenzen des Anstands zu halten. Anständige Leute schicken erst einen Brief und lassen es erst im Anschluss verlauten. Was sie sagten, war jedoch: “Wir werden jemanden einladen, aber nicht Putin.”

Keiner hat jemanden eingeladen: Wir haben nichts erhalten. Wenn wir etwas erhalten, werden wir es Ihnen auf jeden Fall mitteilen.

Ich kann nur sagen, dass Russland vor fünf Jahren bei den Feierlichkeiten zum 75. Jahrestag der Landung der Alliierten in der Normandie durch seinen Botschafter in Frankreich vertreten war.

Vor zehn Jahren, im Jahr 2014, fand ein Treffen statt, das den Beginn des Normandie-Formats zur Ukraine begründete. Es war der Beginn eines Prozesses, der mit der Unterzeichnung von Vereinbarungen endete, die weder Deutschland, noch Frankreich, noch die Ukraine umzusetzen gedachten. Daraus ziehen wir unsere Schlüsse.

Frage: Vielleicht ist es gut, dass wir nicht eingeladen werden?

Sergey Lawrow: Aus der Sicht der historischen Wahrheit und der historischen Gerechtigkeit hätte es ohne den Heldenmut und die Selbstaufopferung von Dutzenden Millionen Sowjetbürgern keine zweite Front gegeben. Es hätte so etwas wie eine zweite Front nie geben können.

Lassen Sie mich ein weiteres Beispiel aus demselben Bereich anführen. Der 11. April ist der internationale Tag der Befreiung der nationalsozialistischen Konzentrationslager. Doch, die Deutschen verkündeten stolz, dass die Russen in diesem Jahr nicht daran teilnehmen werden.

***

Übersetzung aus dem Russischen: UNSER-MITTELEUROPA





 

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