Reisepass: Bundesregierung will privaten Unternehmen Zugriff auf staatliche Biometrie-Daten geben

Die Ampel-Regierung will privaten Unternehmen erstmals Zugriff auf staatlich erhobene biometrische Daten geben. Der Bundesdatenschutzbeauftragte Ulrich Kelber hält dies für nicht erforderlich und für „höchst problematisch“. Er befürchtet, dass die Regierung einen Präzedenzfall schafft, der Begehrlichkeiten weckt.

Menschen warten beim Check-in, von hinten fotografiert
Nach Wunsch der Ampel soll der Check-In bei den Fluglinien in Zukunft mit Gesichtserkennung funktionieren. – Alle Rechte vorbehalten IMAGO / Rupert Oberhäuser

Der Bundesdatenschutzbeauftragte Ulrich Kelber hat das geplante Vierte Bürokratieentlastungsgesetz scharf kritisiert, weil es den Zugriff auf Daten und biometrische Merkmale, die auf dem Chip des Reisepasses hinterlegt sind, massiv ausweiten würde. Nach den Plänen der Ampel-Regierung sollen künftig Luftfahrtunternehmen, Betreiber von Flughäfen und Abfertigungsdienstleister Zugang zu den sensiblen Daten bekommen.

Nach geltender Rechtslage ist die Verarbeitung der auf dem Chip gespeicherten Daten ausschließlich durch Polizeivollzugsbehörden, durch die Zollverwaltung sowie durch Pass-, Personalausweis- und Meldebehörden zulässig – und das auch nur, wenn es zur Prüfung der Echtheit des Passes und zur Prüfung der Identität des Passinhabers erforderlich ist. Die kontrollierten Daten sind unverzüglich nach der Prüfung zu löschen.

Kelber kritisiert in seiner Stellungnahme (PDF), dass mit dem geplanten Gesetz „nunmehr erstmalig auch nichtöffentliche Stellen Zugriff auf die im Chip des Passes gespeicherten Daten erhalten“ würden.

Viel sensible Daten für eine Minute Zeitersparnis

Die Bundesregierung erhofft sich von der Neuregelung, die Passagierabfertigung an Flughäfen zu beschleunigen und das „Reiseerlebnis des Fluggastes“ zu verbessern. Sie geht davon aus, dass jeder Fluggast mit dem neuen Verfahren eine Minute pro Flug einspart. Dem hält der Datenschützer entgegen:

Die zur Erfüllung rein hoheitlicher Aufgaben erhobenen Daten sollen damit für das Angebot optionaler Komfortleistungen nichtöffentlicher Stellen freigegeben werden. Dies würde zu einer grundlegenden Verschiebung des Nutzungsregimes der im Chip der amtlichen Ausweisdokumente gespeicherten Daten führen. Die Freigabe würde einen gänzlich neuen Verarbeitungszweck bereits für die Erhebung und Speicherung der Daten auf dem Chip für kommerzielle Zwecke begründen.

Die Bundesregierung möchte mit dem neuen Gesetz, dass die Passagiere schon beim Check-in am Schalter der Airline fotografiert, biometrisch erfasst und über den Pass identifiziert werden. Die Daten sollen laut Gesetzentwurf nach dem Abflug wieder gelöscht werden. Bislang findet die Identifikation von Fluggästen über eine manuelle Sichtkontrolle statt. Diese reicht laut Kelber auch aus, da es sich nicht um eine hoheitliche Grenzkontrolle handele und somit keine Übertragung hoheitlicher Befugnisse an die Fluglinien nötig sei. Kelber kritisiert, dass das bisherige Verfahren – nämlich das Vorzeigen von Bordkarte und Pass – durch einen deutlich grundrechtssensibleren Prozess unter Verwendung biometrischer Daten ersetzt werden soll.

Präzedenzfall könnte Begehrlichkeiten wecken

Laut Gesetz sollen die Passagiere selbst darüber entscheiden können, ob sie an dem Verfahren teilnehmen. Dennoch befürchtet Kelber, dass datenschutzbewusste Menschen Nachteile wie längere Wartezeiten hinnehmen müssen. Dies widerspräche einer freiwilligen Einwilligung, weil die Passagiere damit indirekt unter Druck gesetzt würden.

Der scheidende Bundesdatenschutzbeauftragte warnt vor einem Präzedenzfall: Die Regelung könne „Begehrlichkeiten auch bei anderen nichtöffentlichen Stellen“ wecken, auf biometrische Daten zugreifen zu wollen, die staatliche Stellen erheben. Die Planungen der Bundesregierung seien „höchst problematisch“.


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