Reisekontrollen: Weiterer Anstieg bei der Fluggastdatenspeicherung

Mehr als 453 Millionen Datensätze von über 125 Millionen Passagieren wurden 2023 vom Bundeskriminalamt analysiert. Damit sollen organisierte Kriminelle und Terrorist*innen aufgespürt werden. Doch während die Zahl der erfassten Datensätze stieg, sank die Zahl der Treffer. Und eine Gruppe von Flugzeugnutzer*innen wird überhaupt nicht registriert.

Wer fliegt wohin? Aufgrund der Fluggastdatenspeicherung weiß das BKA weitgehend Bescheid – Alle Rechte vorbehalten IMAGO / Hartenfelser

Das Flugzeug landet, die Passagiere holen ihr Gepäck und verlassen den Flughafen – doch eine Person wird schon von der Bundespolizei erwartet. Festnahme am Flughafen. 1.484 Menschen waren davon in Deutschland 2023 betroffen. Möglich ist das Vorgehen durch die Erfassung und Speicherung von Fluggastdaten.

Um diese nicht einmal 1.500 mutmaßlich Kriminellen zu fassen, wurden über 453 Millionen Fluggastdatensätze von mehr als 125 Millionen Fluggästen von den Fluggesellschaften erfasst und an das Bundeskriminalamt übermittelt. Das sind etwa 29 Millionen Datensätze und vier Millionen überwachte Passagiere mehr als im Vorjahr. 2021 war die Zahl der Datensätze kaum halb so groß. Sie wächst mit der Zahl der Flüge und auch, weil immer mehr Fluggesellschaften an das Überwachungssystem angeschlossen werden.

Die Informationen entstammen der Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage von Martina Renner und weiteren Bundestagsabgeordneten der Partei die Linke. Dort ist auch beschrieben, was die Sicherheitsbehörden mit den Informationen angefangen haben.

Die Daten werden von der Fluggastdatenzentralstelle des Bundeskriminalamts analysiert, „um Personen zu identifizieren, die mit terroristischen Straftaten oder schwerer Kriminalität in Zusammenhang stehen könnten“, so die Website des BKA. Doch während die Zahl der analysierten Daten stieg, sank die Zahl der Treffer.

Verdächtige Muster

Die Daten werden automatisiert mit den Fahndungsdatenbanken „Informationssystem der Polizei beim Bundeskriminalamt“ sowie „Schengener Informationssystem“ abgeglichen. Außerdem werden sie auf bestimmte, von Ermittlungsbehörden festgelegte Muster überprüft, die verdächtige und entlastende Merkmale beinhalten.

Maschinell wurden daraufhin 383.778 Datensätze als verdächtig markiert, rund 65.000 weniger als vergangenes Jahr. Die verdächtigen Fluggastdaten wurden händisch überprüft und daraufhin polizeiliche Maßnahmen bei 68.856 Reisenden angeordnet, rund 29.000 weniger als vergangenes Jahr. Tatsächlich angetroffen wurden nur 9.800 gesuchte Personen, rund 10.000 weniger als vergangenen Jahr.

Bei 2.517 gesuchten Personen wurde so der Aufenthalt festgestellt, 2.800 wurden durchsucht, 1.484 festgenommen und 2.762 von da an verdeckt beobachtet. 237 Menschen wurde die Einreise verweigert. Die Zahl der Aufenthaltsermittlungen ist dabei im Vergleich zum Vorjahr um rund zwei Drittel gesunken, die Zahl der Festnahmen um rund 100 gestiegen.

Nicht alle Airlines übermitteln Passagierdatensätze. Nur rund 72 Prozent aller Flugreisen sind von der Datensammlung betroffen. 1.639 ausländische und 103 deutsche Fluggesellschaften waren 2023 in Deutschland zugelassen, so das Luftfahrt-Bundesamt. 231 Luftfahrtunternehmen sind an das Fluggastdaten-Informationssystem angebunden, so die Antwort der Bundesregierung.

Die Information, welche Fluggesellschaften Daten übermitteln, und vor allem, welche nicht, hat das Bundesinnenministerium als geheimhaltungsbedürftig eingestuft. Vermutlich weil sonst Fluggäste, die keine Datenerfassung wünschen, auf die nicht vernetzten Fluggesellschaften ausweichen könnten.

Begehrte Daten

Die erfassten Daten enthalten unter anderem den Namen, die Anschrift, Telefonnummer und E-Mail-Adresse, sowie Informationen zum Reiseverlauf, zum Gepäck, zum Tarif, zur Zahlungsweise und zu Mitreisenden. Seit diesem Jahr werden standardmäßig auch „Advanced Passenger Informations“ (API) hinzugefügt, dazu gehören maschinenlesbare Informationen aus gescannten Ausweisdokumenten.

In Deutschland werden seit 2018 Fluggastdaten erhoben. Die EU-Richtlinie, auf der dieses Vorgehen beruht, ist von 2016. 2022 forderte der Europäische Gerichtshof Nachbesserungen in der Datensicherheit. Die dadurch vorgeschriebene Beschränkung der Speicherdauer auf ein halbes Jahr ist in Deutschland seit April 2023 automatisiert. Ausnahmen gelten für verifizierte Treffer.

Ein weiterer Kritikpunkt der Richter:innen bezog sich auf die Datensammlung bei innereuropäischen Flügen. Diese dürfe nur für bestimmte Flugverbindungen, Reisemuster oder Flughäfen möglich sein. Seit Februar 2023 erfolgt deshalb die Datenabschöpfung bei EU-Flügen nur noch mit entsprechender Bedrohungseinschätzung, so die Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Linken.

Verschiedenste Behörden interessieren sich für die gespeicherten Daten. 2023 wurden 3.788 Rechercheersuchen an die deutsche Fluggastdatenzentralstelle im BKA gerichtet, sie kamen vom Bundeskriminalamt, Landeskriminalämtern, Zollverwaltung, Bundespolizei, Verfassungsschutz, Bundesnachrichtendienst, Europol, anderen EU-Mitgliedstaaten und auch Drittstaaten. In 2.134 Fällen wurden daraufhin Passagierdaten übermittelt.

Betroffen von der Fluggastdatenspeicherung sind sowohl die Gäste von Linien-, als auch die von Charterflügen. Unter dem BKA-Radar fliegen derweil Menschen, die Zugang zu einem Privatflugzeug haben. Privatflüge sind vom Anwendungsbereich des Fluggastdatengesetzes nicht erfasst.


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