Politischer Diskurs und Manipulation am Beispiel des Wahl-O-Mat 2025

Von Paul R. Wolf

Kurz nachdem Donald Trump am 5. November 2024 die Präsidentschaftswahlen in den USA gewonnen hatte, ist in Deutschland die Ampelkoalition zerbrochen. Gut einen Monat später stellte Bundeskanzler Olaf Scholz die Vertrauensfrage, die er verlor, und es wurden Neuwahlen ausgerufen. Wie immer vor einer Wahl hat die Bundeszentrale für politische Bildung (BPB) auch diesmal wieder einen Wahl-O-Mat zur Verfügung gestellt, der anhand von 38 Thesen über die Programme der einzelnen Parteien informieren und so Unentschlossenen die Wahlentscheidung erleichtern soll.

Wirft man jedoch einen genaueren Blick auf die Antworten der Parteien, so kristallisiert sich heraus, dass zum einen die gängigen Narrative der letzten Jahre auch weiterhin bedient werden; zum anderen betreiben die Ampelparteien eifrig Selbstbeweihräucherung ob ihrer großen Errungenschaften. Eine Partei, in die viele Wähler bei ihrer Gründung vermutlich große Hoffnungen gesetzt hatten, präsentiert sich hingegen äußerst schmallippig auf dieser Plattform. Eines wird dabei aber überdeutlich: Der Wähler muss weiterhin mit plakativen Begriffen manipuliert werden, damit die zur Wiederwahl antretenden Parteien nicht in einem allzu schlechten Licht dastehen.

Unterstützung der Ukraine

Gleich zu Beginn kommt die These, welche seit Februar 2022 den gesamten medialen Raum in der Bundesrepublik beherrscht hat:

"Deutschland soll die Ukraine weiterhin militärisch unterstützen."

Auf diese Frage antworten die Parteien der bisherigen Regierung mit einem altbekannten Topos: Die Rede ist von einem "völkerrechtswidrigen russischen Angriffskrieg", gegen den sich die Ukraine verteidigen müsse. Verkannt wird dabei freilich, dass der Konflikt in der Ukraine bereits nach dem Maidan-Putsch in Kiew und den Angriffen der ukrainischen Armee auf die Zivilbevölkerung im Donbass ausgebrochen war. Russland hat mehrfach wiederholt, dass es im Februar 2022 den Donbass-Republiken im Rahmen seiner militärischen Sonderoperation zu Hilfe geeilt war, um dem Sterben der russischsprachigen Bevölkerung in der Ostukraine nach acht Jahren Krieg endlich ein Ende zu setzen.

Bemerkenswerterweise hat das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) auf eine ausführliche Beantwortung dieser These verzichtet. Dabei hätte die neue Partei bei ihren Wählern durchaus punkten können, zumal Frau Wagenknecht zusammen mit Alice Schwarzer eine Friedensbewegung initiiert hatte – wenn auch mit eher mäßigem Erfolg. Die kleineren Parteien setzen bei diesem Thema sogar noch einmal auf Eskalation: Die FDP hebt ausdrücklich hervor, dass sie Taurus an Kiew liefern werde und weiterhin auf den NATO-Beitritt der Ukraine bestehe. Die Partei des Fortschritts (PdF) ist gar für "Waffenlieferungen ohne jede Restriktion"; die Partei des Humanismus verkauft ihre Linie der "Lieferung schwerer Waffen" als humanistisch; und die Freien Wähler scheuen sich nicht, gegen Putin die Nazi-Keule zu schwingen und zu behaupten, Appeasement sei "heute so falsch, wie es das 1938 war".

Wir haben ja so viel erreicht

Die Grünen rühmen sich in der Beantwortung der These "Der Ausbau erneuerbarer Energien soll vom Staat weiterhin gefördert werden" mit ihren bis dahin noch nie dagewesenen Leistungen:

"Wir halten Kurs mit dem erreichten Rekord-Ausbautempo ."

Und auch die Einführung des Bürgergeldes – im Wesentlichen nur eine Umbenennung des äußerst unbeliebten Hartz IV – schreibt man sich selbst zu und plädiert, weil wir ja im besten Deutschland aller Zeiten leben, für ein Weiter-so:

"Mit dem Bürgergeld haben wir Instrumente geschaffen, mit denen für viele Menschen Chancen auf dem Arbeitsmarkt entstehen. Dazu gehören Qualifizierung und Coaching oder geförderte Beschäftigung durch den sozialen Arbeitsmarkt."

Dabei verkennt die Partei, dass gerade diese lang erprobten Instrumente in der Realität nicht viel bringen, um die Menschen von der Arbeitslosenverwaltung unabhängig zu machen, die seit der Agenda 2010 unter dem Euphemismus "Jobcenter" firmiert. Ähnlich verhält es sich mit dem grünen Blick auf das Rentensystem, für das von zahlreichen Experten in der Zukunft der Kollaps vorausgesagt wird:

"Wir wollen grundsätzlich an den bisherigen Regeln zum Renteneintritt festhalten."

Mit Blick auf den Atomausstieg, den die Ampelkoalition und das Habecksche Wirtschaftsministerium ohne Rücksicht auf die Folgen übers Knie gebrochen haben, beharren die Grünen darauf, dass eine "Rückkehr zur Atomkraft weder für das Erreichen der Klimaziele noch für die Versorgungssicherheit notwendig" sei; während die SPD – vielleicht ja sogar unfreiwillig – angesichts ihrer eigenen Politik eingestehen muss:

"Alle deutschen Atomkraftwerke wurden stillgelegt. Sie werden inzwischen abgebaut. Dieser Schritt ist unumkehrbar."

Die Piratenpartei beklagt ihrerseits, dass die Versorgungslage der Atomkraftwerke problematisch sei, denn das Uran komme zu großen Teilen aus Russland. Dass Deutschland im Zuge der Ukraine-Krise auf dem Papier auf sämtliche Energielieferungen aus Russland verzichtet hat, über Drittländer aber weiterhin russisches Öl und Gas zu weitaus teureren Konditionen bezieht, ist – mit Verlaub – das Paradebeispiel eines selbst geschaffenen "Problems". Aber die Grünen arbeiten nach eigener Aussage im Wahl-O-Mat ja sogar bereits daran, "unsere Abhängigkeiten von China abzubauen". Was den Wirtschaftsstandort Deutschland freilich nicht stärken dürfte. Aber auch in den Augen der SPD ist die "übermäßige Subventionierung in verschiedenen Branchen durch China" einfach unfair gegenüber den goldenen Prinzipien der freien Marktwirtschaft und der regelbasierten westlichen Ordnung.

Kriegstüchtig durchs Hintertürchen

Während "Verteidigungs"-Minister Pistorius in den zurückliegenden Jahren nicht müde wurde, die Kriegstüchtigkeit Deutschlands bis 2029 einzufordern, wird dieses Thema im Wahl-O-Mat nicht direkt angeschnitten. Es kommt eher durchs Hintertürchen: Die CDU spricht hochtönend von einem "verpflichtenden Gesellschaftsjahr" (sprich: einem Sozialen Pflichtjahr), das sie "mit der aufwachsenden Wehrpflicht" zusammendenke. Man scheint in der Union völlig vergessen zu haben, dass man einst selbst – in Gestalt eines Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) – eifrig die Abschaffung der Wehrpflicht betrieben hatte. Die ach so Freien Wähler verklären die Wehrpflicht gar zu einem "der letzten gesellschaftlichen Bindeglieder", die im Jahr 2011 "ohne Not aufgegeben wurden". Sind wir wieder so weit? Ist es an der Zeit, dass der "Volkskörper" sich endlich wieder in saupreißischer Wehrtüchtigkeit übt?

Klimahysterie und Fachkräftemangel

Vor allem die Parteien links des politischen Spektrums werden nicht müde, das alte Mantra von der dräuenden Klimaapokalypse herunterzubeten. Die Marxistisch-Leninistische Partei (MLPD) spricht in diesem Zusammenhang von der "globalen Umweltkatastrophe", die eine "sofortige Umstellung auf Auf- und Ausbau der Energieerzeugung auf Sonnen-, Wind-, Wellen- und Wasserkraft sowie Erdwärme" dringend notwendig mache. Das sei auf jeden Fall auch möglich, wird versichert. Auch die Piraten sind in heller Aufregung, denn:

"Der Klimawandel ist die aktuell größte Bedrohung für unsere Existenz. Die Erfahrungen der jüngeren Vergangenheit zeigen, dass Extremwetterereignisse in allen Teilen der Welt jederzeit möglich sind."

Deshalb lehne man, genau wie die Grünen und die SPD, das weitere Heizen mit Öl und Gas ab. Vor allem wohl auch, weil Deutschland bisher neben Uran für die Atomkraftwerke gerade Gas und Öl günstig aus der Russischen Föderation bezogen hatte. Eine solche Abhängigkeit von "Putins Russland" will man bekanntlich um jeden Preis vermeiden. Die Grünen geben zu bedenken:

"Mit Öl und Gas zu heizen wird immer teurer, das kann man künftig niemandem mehr zumuten."

Aber warum ist das alles denn so teuer geworden? Weil Putin den Gashahn zugedreht hat? Und warum gibt es gegen diese Politik so viel Widerstand aus der Bevölkerung? Die CDU/CSU jedenfalls hat sich auf der Plattform zu betonen beeilt, dass man das Habecksche Heizungsgesetz unter einem Kanzler Merz auf jeden Fall wieder abschaffen werde. Die Christdemokraten wollen also ein gesetzgeberisches Glanzstück abschaffen, dessen sich die SPD trotz aller Kritik auch im Wahl-O-Mat zur Bundestagswahl zu rühmen weiß.

Der Fachkräftemangel spielt im Wahlkampf – alle Jahre wieder – dieselbe Rolle. Er muss herhalten als Begründung dafür, dass die Politik so viele Zuwanderer ins Land kommen lässt und wenn nötig auch noch Geld für deren Ausbildung berappt. Jedes Jahr "brauchen wir eine Nettozuwanderung von 400.000 Arbeitskräften aus dem Ausland", sagen SPD, Piraten, SSW und PdH. Denn man wolle "weiter von der Zuwanderung profitieren" und "den Standard halten". Ausbeutung durch schlechtere Bezahlung bei fehlenden Sprachkenntnissen und Status quo in der Einwanderungspolitik lassen grüßen. An eine familienfreundlichere Politik und die verbesserte Ausbildung der eigenen jungen Bevölkerung scheint man in Deutschland in diesen Kreisen nicht zu denken.

Unterstützung Israels und Kampf gegen rääächts

Deutschland hat mit der Ukraine und Israel in den letzten Jahren nachweislich faschistoide Regierungen mit Waffen beliefert, die diese deutschen Rüstungsgüter vor allem massiv gegen die Zivilbevölkerung im Donbass beziehungsweise im Gazastreifen eingesetzt haben. Der Internationale Strafgerichtshof hat Berlin deshalb im Falle Israels auch der Beihilfe zum Völkermord an den Palästinensern beschuldigt.

Die SPD beharrt im Wahlkampf dennoch darauf, dass man Israel "unter Wahrung des humanitären Völkerrechts und der Menschenrechte" mit Waffen beliefert habe; während die Grünen aus Angst vor den Konsequenzen der eigenen Politik nunmehr zurückrudern und erklären, man dürfe weder für Israel noch für Rüstungsexporte dorthin einen "Blankoscheck" ausstellen.

Die Freien Wähler wiederum erweisen sich als Musterbeispiel für die Defizite des überheblichen Demokratieverständnisses in den westlichen Ländern. Sie behaupten allen Ernstes, dass Israel – und damit auch die Regierung Netanjahu – "das einzige demokratische Land und der einzige Rechtsstaat im Nahen Osten" seien. Zur Erinnerung: Die herrschende Politik hat in den vergangenen Jahren auch die Ukraine immer wieder als "demokratischen Rechtsstaat" bezeichnet und die Augen vor Parteiverboten, einer Beschneidung der Meinungs- und Pressefreiheit sowie der Unterstützung des internationalen Terrorismus durch Kiew verschlossen.

Im eigenen Land dagegen ist der Kampf gegen angeblich "erwiesenermaßen Rechtsextreme" weiter in vollem Gange. Die MLPD bringt die herrschende Ideologie im Wahl-O-Mat prägnant auf den Punkt:

"Wer AfD wählt, wählt Faschismus!"

Für den eigenen, den linken Flügel wollen die Marxisten aber bitte schön das Brandmal des "Extremismus" gestrichen wissen. Und verschließen damit die Augen vor bewusst destruktiven Aktionen wie der Besetzung eines CDU-Bürgerbüros, Brandanschlägen auf Amazon-Fahrzeuge oder den Zubringerzug zu den Tesla-Werken. Die Partei "Die Basis", deren Mitglieder zur Zeit der Corona-Pandemie ebenfalls den Stempel "rechtsextrem" erhielten, bringt das große Problem im heutigen öffentlichen Raum klar zum Ausdruck:

"Abgesehen davon, dass der Begriff des Rechtsextremismus durch die Medien inzwischen sehr verwässert ist, sind Projekte gegen politische Strömungen einer Gesellschaft als antidemokratisch und spaltend einzustufen."

Gegenüber dem Vorwurf, die Partei von "Nazis" und "Faschisten" zu sein, vertritt die AfD bei genauerer Betrachtung erstaunlich freiheitliche Ansichten bezüglich der Demokratie. Die Partei sei überzeugt, es gebe "bereits zu viele politisch motivierte Einflüsse auf das Verkehrsgeschehen. Die Bürger sind mündig und in der Lage, nach Maßgabe der StVO zu handeln." Daher spreche man sich gegen ein generelles Tempolimit auf deutschen Autobahnen aus. Ebenso befürwortet die Partei die Durchführung von Volksentscheiden, denn "dies ist ein Gebot eines reifen Demokratieverständnisses". Die Behauptung, die Alternative für Deutschland wolle die Demokratie abschaffen, steht dieser Erklärung diametral entgegen.

Und ganz anders als die Hitlerfaschisten bekennt sich die Alternative für Deutschland uneingeschränkt zum Existenzrecht Israels:

"Die grundsätzliche Position der AfD, keine Waffen in Spannungs- oder Kriegsgebiete zu liefern, bleibt davon aber unberührt."

Ein Beweis dafür, dass die Partei gegen Antisemitismus kämpft und gleichzeitig ein Interesse daran hat, sich als Friedenspartei zu positionieren. Ganz anders als der Führer, der nach dem verlorenen Ersten Weltkrieg unbedingt noch einen Zweiten vom Zaun brechen musste. Und auch die als "rechtsextrem" verschrienen Querdenker strafen die Systemparteien Lügen, indem sie erklären:

"Direkte Demokratie, Bürgerentscheide und Volksabstimmungen gehören zur DNA der Basis."

Die ach so demokratische Partei SPD versteht demgegenüber unter Bürgerbeteiligung im vollen Ernst "geloste Bürgerräte als festen Bestandteil unserer Demokratie". Zufällig ausgesuchte Bürger – eine willkürliche und daher mitnichten repräsentative Gruppe – sollen über politische Entscheidungen mitbestimmen können? In der Tat ein fauler Kompromiss zur gelebten Demokratie in Italien und der Schweiz.

Die Grünen wiederum erhoffen sich von ebendiesen Bürgerräten eine "sachlichere und weniger polarisierende Debatte", also den Ausschluss "rechtsextremer" Meinungen. Noch einen Schritt weiter gehen da die Christdemokraten, die Bürgerbeteiligung nur als "Ergänzung zu unserer repräsentativen Demokratie" erlauben wollen – ebenso wie die FDP. Man möchte sich also zwar als Volksvertreter gebaren, aber den Bürger außen vor lassen und im Zweifelsfall im eigenen Interesse Politik machen.

Das BSW – erstaunlich zugeknöpft

Auffallend am Wahl-O-Mat für die Bundestagswahl ist, dass das Bündnis Sahra Wagenknecht eine Reihe von Fragen zwar mit JA oder NEIN beziehungsweise ENTHALTUNG beantwortet, aber im Vergleich zu allen anderen Parteien überdurchschnittlich oft darauf verzichtet hat, eine ausführliche Erläuterung zu geben:

"Diese Partei hat zu dieser These keine Begründung abgegeben."

Schade. Denn als Partei, die unbedingt in den Bundestag einziehen will, und in die auch nicht wenige Wähler ihre großen Hoffnungen auf eine Veränderung der Politik in Deutschland setzen, verpasst das BSW damit die Chance, die eigenen Positionen zu erklären. Warum das so ist, bleibt bis Redaktionsschluss ein Rätsel, wobei der Autor dem Wahl-O-Mat nicht unterstellen will, die Antworten der Partei unterschlagen zu haben. Zumal es auch dem SSW gestattet war, nach Veröffentlichung des Wahl-O-Mats noch Antworten nachzuliefern.

Mehr zum Thema - Wen können sanktionsgeplagte Deutsche noch wählen? Parteiprogramme zu antirussischen Sanktionen

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