Pager-Massaker im Libanon: Psychologische Kriegsführung oder Vorbote eines heißen Krieges?

Von Armin Schmitt

Ein Mann steht an einem Gemüse-Stand in Beirut. Dann detoniert plötzlich etwas in seiner Hosentasche. Der Mann sackt in sich zusammen und kippt um. Umstehende Menschen beim Einkauf flüchten. Zeitgleich ereigneten sich solche Explosionen am Dienstag an vielen Orten im Libanon, bei denen tausende Zivilisten zu Schaden gekommen sind. Die meisten Betroffenen hätten Verletzungen im Gesicht, an der Hand, am Bauch oder sogar an den Augen erlitten. Auch der iranische Botschafter im Libanon wurde Medienberichten zufolge verletzt. Laut den jüngsten Zahlen gab es mindestens neun Tote, darunter auch ein kleines Mädchen.

Bei der Massenexplosion von Pagern der Zivilisten im Libanon handelt es sich offenbar um eine israelische Sabotageaktion. Bei dieser Operation nahm augenscheinlich Israel Hisbollah-Kämpfer ins Visier – ohne Rücksicht auf Zivilisten. 

5.000 Pager waren Berichten zufolge von der libanesischen Hisbollah bei der Firma "Gold Apollo" bestellt und Anfang des Jahres ins Land gebracht worden. Insgesamt 3.000 der Pager seien am Dienstag explodiert, als eine verschlüsselte Nachricht an sie gesendet wurde, die gleichzeitig den Sprengstoff aktivierte.

Die in Taiwan ansässige Marke "Gold Apollo" hat inzwischen eine Verbindung zu dem Vorfall von sich gewiesen. Wie der Vorstand von Gold Apollo in Neu-Taipeh, Hsu Ching-Kuang, sagte, hätten die Geräte lediglich das Logo der Firma getragen und seien nicht von seinem Unternehmen in Taiwan gefertigt worden.

In 5.000 Pagern des taiwanischen Herstellers Gold Apollo sei bereits bei der Produktion eine kleine Menge Sprengstoff versteckt worden, sagten ein ranghoher libanesischer Sicherheitsbeamter und eine weitere mit der Angelegenheit vertraute Person am Dienstag gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters. "Der Mossad hat eine Platine mit Sprengstoff und einem Code in das Gerät eingeschleust", sagte der Sicherheitsbeamte. Die israelischen Geheimdienste haben in der Vergangenheit bereits ähnliche Operationen durchgeführt. Die offensichtlichste Parallele ist die Ermordung von Yahya Ayyash, einem Beamten der Hamas, im Jahr 1996, der mit einem in einem Mobiltelefon versteckten Sprengsatz getötet wurde.

Israelische Zugriffe auf die Kommunikation sind schon länger ein Problem der Hisbollah. Sie war bislang Ziel israelischer Nachrichtendienste, um Daten über den Aufenthaltsort ihrer Kommandeure abzufangen. Diese wurden dann immer wieder durch israelische Drohnenangriffe ermordet. Seit Monaten schon hat die Hisbollah-Führung die Nutzung von Mobiltelefonen untersagt. Deswegen wird vermutet, dass die Miliz Wind von der Sache bekommen habe und Alarm schlagen wollte. Aus diesem Grund habe Israel die Operation nach intensiver Debatte vorgezogen, heißt es.

Bei dieser jüngsten Geheimdienstoperation handelte es sich um einen Terroranschlag, nicht mehr und nicht weniger, da bei der Pager-Sabotage tausende Zivilisten zu Schaden gekommen sind. Im Libanon steht nun die Frage im Raum, ob es sich bei dem jüngsten Massaker um den Vorboten eines heißen Krieges Israels gegen die Hisbollah handeln könnte. Israel hat in letzter Zeit mehrfach gedroht, dass es den Libanon wie Gaza dem Boden gleichmachen könne.

Aufgrund der gescheiterten Waffenruheverhandlungen in Gaza ist aktuell die Wahrscheinlichkeit sehr hoch, dass der Gaza-Krieg sich auf den Libanon ausweitet. Am Dienstag wurde zudem bekannt, dass Tel Aviv ein neues Kriegsziel ausgegeben hat: Zehntausende Menschen, die im Zuge der militärischen Konfrontation mit der Hisbollah aus dem Norden Israels vertrieben wurden, sollen in ihre Häuser zurückkehren können. Mit diesem Beschluss des Sicherheitskabinetts reiht sich faktisch auch eine Lösung an der Nordfront in die Kriegsziele ein, die sich bisher auf den Gazastreifen beschränkt hatten. Tatsächlich scheint ein Grenz-Deal zwischen der Hisbollah und Israel an der Nordfront derzeit in weiter Ferne, da die libanesische Miliz ihre Verhandlungsbereitschaft an ein Ende des Krieges im Gazastreifen knüpft.

Mit einem heißen Krieg zwischen der Hisbollah und Israel würde die Region in Flammen aufgehen. Bei einer Ausweitung dürften auch weitere Verbündete Irans ihre Attacken gegen Israel verstärken, darunter die Huthi im Jemen. Bei einer möglichen Invasion in den Libanon würden auch die USA wieder in einen neuen Israel-Krieg involviert werden.

Mehr zum Thema - "Ursache noch unbekannt": Hisbollah äußert sich zu Pager-Explosionen – 8 Tote und 2.750 Verletzte

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