Ostsee: Chinesischer Frachter soll Datenkabel durchtrennt haben

Am heutigen Mittwoch wurde von der dänischen Marine ein chinesischer Frachter in der Ostsee angehalten, der verdächtigt wird, für die beiden zertrennten Unterseekabel verantwortlich zu sein. Das Schiff soll sich unweit des Ortes aufgehalten haben, an dem die Beschädigung festgestellt wurde.

Die Yi Peng 3, ein 23 Jahre alter chinesischer Schüttgutfrachter, war auf dem Weg vom russischen Hafen Ust-Luga nach Port Said in Ägypten. Das Schiff transportiert in der Regel Getreide, und in Ust-Luga nehmen häufig chinesische Getreidefrachter ihre Ladung auf.

Derzeit liegt der Frachter in der Nähe des Kattegats vor Anker, wo sich auch zwei Schiffe der dänischen Marine, die HDMS Rota und die HDMS Søløven, befinden.

Nach Angaben des bulgarischen Portals bulgarianmilitary.com hatte der lettische Europaabgeordnete Rihards Kols zuerst auf die Yi Peng 3 aufmerksam gemacht. Kols, in Großbritannien ausgebildet und Teil des Chatham-House-Programms zu Russland und Eurasien wie auch Millennium Fellow des Atlantic Council, ist der Verhandlungsführer der ECR-Fraktion im EU-Parlament für Sanktionen gegen das, was in deutschen Medien die "russische Schattenflotte" genannt wird. Mit dieser Etikettierung wird versucht, den Transport von russischem Öl auf Schiffen, die nicht bei Londoner Versicherern versichert sind, zu behindern. Die ECR-Fraktion umfasst unter anderem die polnische PiS sowie die Schwedendemokraten. Kols hatte zuletzt die Freigabe von US-Langstreckenraketen für den Einsatz gegen russisches Gebiet ausdrücklich begrüßt. Er beschuldigte nicht nur die Besatzung der Yi Peng der Sabotage, er twitterte: "Die Achse Iran-Russland-China zeigt ihr Blatt." Die Fahrt der Yi Peng durch das Kattegat beschrieb er als Fluchtversuch des chinesischen Frachters.

In Wirklichkeit gibt es nur zwei Wege, um die Ostsee in Richtung Port Said zu verlassen. Der eine führt durch den Nord-Ostsee-Kanal, die andere um Dänemark herum durch das Kattegat. Theoretisch könnte das Schiff mit einer Breite von 32 und einer Länge von 224 Metern den Nord-Ostseekanal gerade noch nutzen. Aber das Verlassen der Ostsee zur "Flucht" umzudeuten, wie Kols das in seinem Tweet tut, wenn es durch die geplante Route vorgegeben ist, ist kühn. "Dieser Angriff auf Europas Infrastruktur unterscheidet sich nicht von denen der Barbaren, die römische Aquädukte zerstören – dafür geschaffen, Zivilisationen zu verkrüppeln und zu zerstören. 'Tief besorgt' trifft es nicht. Gegenmaßnahmen sind überfällig."

Verglichen damit ist die Behauptung des deutschen Verteidigungsministers Boris Pistorius (SPD) geradezu harmlos. Pistorius sagte: "Wir müssen auch davon ausgehen, ohne es schon zu wissen, versteht sich, dass es sich um Sabotage handelt." Ein Begriff, der für die Sprengung zweier peripherer Datenkabel erstaunt, da er bei der Sprengung der – im selben Gebiet wie das Kabel von Rostock nach Finnland verlaufenden – Pipeline Nord Stream nicht gebraucht wurde. Deren Bedeutung war allerdings um ein Vielfaches größer. Auch die deutsche Innenministerin Nancy Faeser (SPD) hatte sich bereits zur Beschädigung des Kabels geäußert und erklärt: "Wir nehmen diese hohe Bedrohungslage sehr, sehr ernst."

Die Vorwürfe gegen die Yi Peng beruhen aber, was nicht überrascht, auf Indizien. Das wichtigste lautet, der Kapitän sei ein Russe. Eine Aussage, die nur Bedeutung hat, solange man nicht weiß, dass es viele russische Kapitäne auf Frachtern gibt, gleich, ob Container oder Schüttgut oder Massengut, weil die russische Marine viele ausbildet. Aus dieser Tatsache allein ergibt sich gar nichts. Die meisten Schiffe mit russischen Kapitänen haben zudem aus verschiedenen Ex-Sowjetrepubliken stammende Offiziere (darunter auch Letten oder Ukrainer), weil sie miteinander auf Russisch kommunizieren können.

Im vergangenen Herbst war der chinesische Frachter NewNew Polar Bear beschuldigt worden, mit seinem Anker ein Leck in eine Gaspipeline zwischen Estland und Finnland gerissen zu haben. Im Gegensatz zur Yi Peng 3 ist die Newnew Polar Bear allerdings ein in Deutschland, bei der Meyer-Werft in Papenburg gebautes Schiff, das nach diversen Besitzer- und Namenswechseln bei einem chinesischen Besitzer landete. Nachdem nie wirklich geklärt wurde, ob tatsächlich dieses Schiff mit seinem Anker diese Pipeline beschädigt hat – und diese Pipeline außerdem am russischen Pipelinenetz hängt –, bleibt die Geschichte um das Leck in Baticonnector-Pipeline unklar. Zugleich wird sie aber im Zusammenhang mit den beschädigten Untersee-Glasfaserkabeln behandelt, als sei dadurch eine Sabotage vonseiten Chinas bereits belegt.

Was bei diesem Fall allerdings irritiert, ist die Tatsache, dass diese vermeintliche chinesische (oder gar chinesisch-russische) Sabotage ausgerechnet zu einem Zeitpunkt stattgefunden haben soll, an dem die Ostsee vor NATO-Schiffen geradezu wimmelt. An dem Manöver "Freezing Winds 24" nehmen vom 20. bis zum 29. November insgesamt 30 Schiffe und 4.000 Soldaten aus Finnland, Belgien, Dänemark, Estland, Frankreich, Deutschland, Lettland, Litauen, den Niederlanden, Norwegen, Polen, Portugal, Schweden, Großbritannien und den Vereinigten Staaten teil. Auch die Sprengung von Nord Stream geschah in zeitlicher Nähe zu einem NATO-Manöver in der Ostsee, und es gibt Zeugenaussagen, die die Anwesenheit eines Schiffes der US-Marine mit ausgeschalteter Kennung kurz vor dem Anschlag bestätigen.

Dass jüngst vor Norwegen ein US-U-Boot in ein Fischernetz geriet, dürfte ebenfalls mit diesem Manöver zusammenhängen. Wie viele weitere US-U-Boote derzeit in der Ostsee unterwegs sind, und ob nicht womöglich eines davon, absichtlich oder unabsichtlich, die Kabel beschädigt hat, ist eine Frage, die nicht einmal in Betracht gezogen, geschweige denn gestellt wird.

Interessant ist dies angesichts des Verlaufs von einem der beiden Kabel beziehungsweise der Tatsache, dass in Rostock gerade erst – unter Verstoß gegen den Zwei-plus-Vier-Vertrag – ein NATO-Kommandozentrum für die Ostsee eingerichtet wurde, und Finnland für die NATO vor allem deshalb interessant ist, weil Sankt Petersburg nahe der finnischen Grenze liegt. Wenn man betrachtet, von wem und in welchem Tonfall die Beschädigung der Unterseekabel skandalisiert wird, erweckt das den Eindruck, da solle ein militärischer Zwischenfall konstruiert werden.

Über die Schutzvorrichtungen an den betroffenen Unterseekabeln schreibt T-Online:

"Die empfindlichen Glasfasern sind von mehreren Schichten umgeben: Kunststoffhüllen, Stahldrähte und eine wasserdichte Ummantelung schützen vor Druck und äußeren Einflüssen. Kabel, die näher an der Küste verlegt werden, verwenden zusätzliche Panzerungsschichten für einen besseren Schutz. Trotz dieser Schutzmaßnahmen können die Kabel durch Anker, Fischernetze oder gezielte Sabotage beschädigt werden."

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