KW 20: Die Woche, in der wir für Gemeinnützigkeit kämpfen

Die 20. Kalenderwoche geht zu Ende. Wir haben 23 neue Texte mit insgesamt 220.988 Zeichen veröffentlicht. Willkommen zum netzpolitischen Wochenrückblick.

– Fraktal, generiert mit MandelBrowser von Tomasz Śmigielski

Liebe Leser:innen,

was ist eigentlich aus den Demonstrationen im Frühjahr erwachsen? Über Wochen gingen Hunderttausende gegen die AfD auf die Straße. Viel passiert ist seitdem nicht.

Derweil rücken die Wahlen in Ostdeutschland und der EU näher. In Thüringen, Sachsen und Brandenburg führt die AfD in den Umfragen. In Prognosen für die EU-Wahl steht sie auf Platz 2. Allen Spionage-Vorwürfen, Bürodurchsuchungen, Geldstrafen und polizeilichen Ermittlungsverfahren zum Trotz.

Immerhin können wir uns jetzt gegenseitig versichern, dass Deutschland „in der Mehrheit im Großen und Ganzen ein Land der Anständigen“ ist. So sagte es Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt gestern in der Aktuellen Stunde im Bundestag.

Das aber wappnet uns nicht gegen die Gefahren, die der Aufstieg rechtsradikaler Kräfte mit sich bringt. Diese Gefahren erfahren Aktivist:innen und Politiker:innen bereits seit langem am eigenen Leib, wenn sie beleidigt, bedroht und auf offener Straße zusammengeschlagen werden.

Auch die Debatte um ein Verbot der AfD ist wieder weitgehend verstummt. Wohl aus guten Gründen: Viele Jurist:innen zweifeln, dass ein Verbotsantrag erfolgreich wäre. Außerdem würde sich ein entsprechendes Verfahren über Jahre hinziehen.

So bleibt die Frage: Wie können wir die Demokratie und jene, die sich für sie einsetzen, stärken – und zwar jetzt und sofort?

Auch hier tut sich leider nicht viel. CDU-Chef Friedrich Merz verzögert mit seinem Schlingerkurs, das Bundesverfassungsgericht zu stärken. Und die FDP blockiert das im Koalitionsvertrag vereinbarte Demokratiefördergesetz.

Was die Ampel ebenfalls in ihrem Koalitionsvertrag versprochen hat: „Rechtssicherheit für gemeinnützigen Journalismus“. Doch auch hier ist nicht viel zu erwarten, wie mein Kollege Markus Reuter in dieser Woche schrieb. Die Bundesregierung plant offenbar kein Gesetz, sondern nur einen Erlass. Das aber würde „keine Rechtssicherheit bringen und die gemeinwohlorientierten Redaktionen weiterhin der Auslegung der Ämter ausliefern“.

Das Forum Gemeinnütziger Journalismus, in dem auch netzpolitik.org aktiv ist, hat deshalb eine Petition gestartet, die sich an die Bundesregierung richtet. „Wir müssen das Gemeinnützigkeitsrecht dringend reformieren und endlich Rechtssicherheit für gemeinnützigen Journalismus in Deutschland schaffen“, heißt es darin. Bislang haben knapp 40.000 Menschen die Petition unterzeichnet.

Anlass der Petition ist der Fall des „Volksverpetzers“. Das Blog, das eine wichtige Stimme gegen rechtsradikale Verschwörungsmythen ist, hat jüngst seine Gemeinnützigkeit verloren – zur Schadenfreude von Rechten und Rechtsradikalen.

Wie ihr wisst, ist auch netzpolitik.org gemeinnützig. Genauso wie die Kontext:Wochenzeitung. Oder die Redaktion von Correctiv.

Und hier schließt sich der Kreis. Denn es waren bekanntlich die Correctiv-Recherchen zum „Geheimplan gegen Deutschland“, die Anfang Januar das Fass zum Überlaufen brachten und die Menschen auf die Straße trieben. Wäre es solche Arbeit nicht wert, dass ihre Gemeinnützigkeit gesetzlich klargestellt wird?

Habt ein schönes Pfingsten-Wochenende!

Daniel


Vorratsdatenspeicherung: Wenn die Abwehrfront bröckelt

Der Europäische Gerichtshof hat letzte Woche bei der anlasslosen Speicherung von IP-Adressen dem hohen Druck wieder etwas nachgegeben: Unter bestimmten Bedingungen ist eine anlasslose Speicherung möglich. Er tut seiner eigenen Autorität damit keinen Gefallen. Doch was heißt das Urteil für die deutsche Debatte um die Vorratsdatenspeicherung? Von Constanze –
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#282 Off The Record: Drei Startschüsse

Ein Abschied und drei neue Projekte. Wir stellen euch im Schnelldurchlauf die wichtigsten Neuerungen der letzten Monate vor. Ein Ticker, eine Konferenz und unser neuer Doku-Podcast „Systemeinstellungen“. Von Anna Biselli –
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Degitalisierung: Blowing Bubbles

Vor kurzem fand die erste Digitalministerkonferenz statt. Aber was machen die Beteiligten eigentlich thematisch? Eine Textanalyse mit vielen Digitalisierungs-Bläschen. Eine davon: natürlich KI. Von Bianca Kastl –
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Interview mit Rainer Rehak: „Die Nutzung solcher KI-Systeme muss als Kriegsverbrechen eingestuft werden“

Die israelische Armee soll ein KI-gestütztes System eingesetzt haben, um Ziele in Gaza zu markieren. Die Fehlerraten solcher Technologien seien groß, warnt der Verein „Forum InformatikerInnen für Frieden“ und fordert deren Ächtung. Ein Interview mit Rainer Rehak, der das Papier mitgeschrieben hat. Von hekta –
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Digitale Souveränität: Mastodon-Server der EU steht weiter vor dem Aus

Die EU ist im Fediverse mit eigenen Servern auf Mastodon und Peertube präsent und damit fast allen Regierungen der Welt voraus. Am Samstag sollen die Server jedoch abgeschaltet werden, weil keine EU-Institution den Betrieb übernehmen will. Was danach mit den Accounts geschehen soll, ist weiter unklar. Von Maximilian Henning –
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Bundeslagebild Cybercrime: Alles wie immer, nur schlimmer

Die Vorstellung des Bundeslagebilds zur Cyberkriminalität lief ab wie immer: Warnungen vor der Lage, flankiert von Forderungen nach mehr Befugnissen. Doch solange die Verantwortlichen sich nicht für grundlegende IT-Sicherheitsprinzipen einsetzen, ist das Mahnen vor allem eines: unglaubwürdig. Ein Kommentar. Von Anna Biselli –
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Wahlkampf: Olaf Scholz und die auf TikTok herrschenden Datenschutzpraktiken

Olaf Scholz sucht mit seinem neuen TikTok-Kanal mehr Social-Media-Reichweite. Aber nicht alles, was funktioniert, ist auch rechtlich zulässig. In einem Gastbeitrag analysieren Tobias Keber und Clarissa Henning, ob die neue Social-Media-Präsenz des Bundeskanzlers ein Verstoß gegen den Datenschutz ist. Von Gastbeitrag, Tobias Keber, Clarissa Henning –
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Mehrere Klagen eingereicht: Proteste gegen Videoüberwachung in Köln gehen weiter

In Köln wehren sich Aktivist:innen seit Jahren gegen die zunehmend dichte Videoüberwachung in der Stadt. Heute protestierten sie vor dem Verwaltungsgericht und reichten zum siebten Mal Klage ein. Von Markus Reuter –
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Volksverpetzer: Blog gegen Desinformation verliert die Gemeinnützigkeit

Gemeinwohlorientierte, unkommerzielle Medienprojekte müssen in Deutschland immer wieder um ihre Gemeinnützigkeit bangen, wie der Fall des „Volksverpetzers“ zeigt. Eine Petition fordert jetzt die Ampel auf, endlich ihr Versprechen aus dem Koalitionsvertrag einzulösen. Von Markus Reuter –
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Global Digital Compact: Lightlinien fürs Internet

Auf UN-Ebene wird derzeit der Global Digital Compact verhandelt. Die internationale Übereinkunft soll Leitlinien für das Internet und dessen Regulierung definieren. Der aktuelle Entwurf sorgt bei zivilgesellschaftlichen Organisationen allerdings für wachsende Kritik – auch an der Bundesregierung. Von Daniel Leisegang –
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Stalking-Gefahr: Apple und Google wollen vor Tracking warnen

Münzgroße Tracker wie AirTags sollen dabei helfen, etwa verlorene Geldbörsen wiederzufinden. Sie sind zugleich ein ideales Werkzeug, um andere heimlich zu orten. Mit einem gemeinsamen Standard wollen Apple und Google jetzt vor „unerwünschtem Tracking“ warnen. Die Initiative kommt reichlich spät. Von Chris Köver –
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Digitale-Dienste-Gesetz: Hier kannst Du Dich beschweren

Ein Online-Dienst reagiert notorisch nicht auf Widerspruch, ist intransparent bei der Werbung oder versucht mit manipulativen Dialogen die Abo-Kündigung zu verhindern? Für solche Fälle gibt es nun eine neue Beschwerdestelle der Bundesnetzagentur, an die sich Menschen wenden können. Von Markus Reuter –
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Digitales Scheitern: Funklochamt am Ende

Die Mobilfunkinfrastrukturgesellschaft sollte 5000 Mobilfunkmasten errichten und den Funklöchern in Deutschland ein Ende bereiten. Vier Jahre später ist das Projekt selbst am Ende – und kein einziger Mast in Betrieb. Von Markus Reuter –
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Neue Tracking-Firma Utiq: Wie Telekom, o2 und Vodafone im Datengeschäft mitmischen

Die großen Telekommunikationsanbieter wollen das Online-Verhalten von Millionen Mobilfunknutzer:innen auswerten und so dem Silicon Valley bei der Online-Werbung das Wasser abgraben. Der Verein D64 klärt über die neue Tracking-Methode auf und äußert weitreichende Kritik. Von Ingo Dachwitz –
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Für die nächste EU-Kommission: Welche digitalen Baustellen bleiben offen?

Die EU hat in den letzten Jahren eine ganze Liste an großen Digitalgesetzen fertiggestellt. Bei einigen gab es aber bis zum Torschluss kein Ergebnis, etwa zur Chatkontrolle oder zum Digitalen Euro. Bei manchen Gesetzen müssen nun die Mitgliedstaaten nachziehen, bei anderen die Kommission richtig umsetzen. Von Maximilian Henning –
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Mindestversorgung mit Internet: Starlink soll angeblich deutsche Breitbandlücken schließen

In Deutschland haben seit gut drei Jahren alle ein Recht auf Mindestversorgung mit Internet. Doch erst im März hat die Bundesnetzagentur erstmals einen Netzbetreiber dazu verpflichtet, einen Anschluss herzustellen. Nun scheint sich zu erhärten: Es soll sich um den Satellitenanbieter Starlink von Elon Musk handeln. Von Tomas Rudl –
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Client-Side-Scanning: Google will vor Telefonbetrug warnen

Google will die Anrufe seiner Nutzer:innen scannen, um vor Telefonbetrug zu warnen – und sorgt damit für Entsetzen. Fachleute für Datenschutz warnen: Ist die Technologie erst mal auf dem Gerät, werde das weitere Begehrlichkeiten wecken – mit weitreichenden Konsequenzen für die Demokratie. Von Chris Köver –
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Datenschutz und Informationsfreiheit: Drei Großbaustellen für die neue Bundesbeauftragte

Nach der Hängepartie um Ulrich Kelber hat die Ampel-Koalition heute eine neue Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit gewählt. Auf Louisa Specht-Riemenschneider warten zahlreiche Herausforderungen, von der Gesundheitsdigitalisierung bis zur staatlichen Überwachung. Von Ingo Dachwitz –
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Systemeinstellungen: #02 Razzia im Pfarrhaus

Hausdurchsuchungen als Abschreckung? Die Polizei durchsucht Kirchencomputer? Folge #2 unseres Doku-Podcasts „Systemeinstellungen“ erzählt die erschreckende Geschichte einer Pfarrerin, die wegen ihres Engagements für Geflüchtete im Visier des Staates landet. Von Serafin Dinges, Ingo Dachwitz –
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Abschiebungen: Behörden und Polizei brechen immer häufiger Kirchenasyl

Recherchen für den netzpolitik.org-Podcast „Systemeinstellungen“ zeigen, wie der Staat das Kirchenasyl zunehmend bricht. In den vergangenen zehn Monaten gab es mehr Räumungen aus Kirchengebäuden als in den gesamten zehn Jahren davor. Hochrangige Kirchenvertreter:innen appellieren an die Behörden. Von Ingo Dachwitz –
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„Kinderpornografie“-Paragraf: Bundestag senkt Mindeststrafen

Wer sogenannte kinderpornografische Inhalte besitzt oder verbreitet, muss künftig nicht mehr angeklagt werden. Das ermöglicht ein niedrigeres Strafmaß. Dabei es geht nicht um die Verharmlosung sexualisierter Gewalt, sondern um diejenigen, die sich ohne kriminelle Absichten strafbar gemacht haben. Von Anna Biselli –
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EU auf Mastodon: Kommission zieht auf eigenen Server um

Der bisherige EU-Mastodon-Server soll morgen abgeschaltet werden. Danach wird zumindest die Europäische Kommission weiter im Fediverse vertreten bleiben. Andere EU-Institutionen sollen sich eigene Server erstellen. Von Maximilian Henning –
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EM 2024: Steilvorlage für die Polizeidatei „Gewalttäter Sport“

Das Bundesinnenministerium wappnet sich anlässlich der Fußballeuropameisterschaft gegen „alle denkbaren Gefahren“. Für Kontrollen an deutschen Außengrenzen will sie die Datei „Gewalttäter Sport“ nutzen und um Daten anderer Staaten ergänzen. Von Daniel Leisegang –
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