KeepItOn-Bericht: Immer mehr Internetsperren weltweit

In 39 Ländern hatten Menschen im Jahr 2023 keinen freien Zugang zum Internet. Es gab mindestens 283 Sperrungen in verschiedenen Regionen, oft bei Konflikten. Diese gezielten Abschaltungen zeigen, wie stark Regierungen und Behörden das Internet zur Kontrolle und Unterdrückung nutzen.

Ein rot leuchtendes Internet Schild
Immer mehr Menschen werden durch Internet-Shutdowns von Informationen abgeschnitten – Gemeinfrei-ähnlich freigegeben durch unsplash.com Leon Seibert

Im Jahr 2016 hat Access Now zusammen mit der Koalition „KeepItOn“ damit begonnen, Internetabschaltungen aufzuzeichnen und in jährlichen Berichten zu veröffentlichen. Die Zahl der Shutdowns war seitdem noch nie so hoch wie im Jahr 2023.

Im letzten Jahr verzeichnete die Koalition 283 Sperrungen des Internetzugriffs in 39 unterschiedlichen Ländern. Wahrscheinlich umfasst dies nicht einmal alle Fälle. Man kann davon ausgehen, dass nicht alle Menschen in der Lage sind, Internet-Shutdowns zu melden.

Wo das Internet abgeschaltet wird

In der Regel beziehen sich Internetabschaltungen auf einzelne Regionen oder Orte und nicht auf ein ganzes Land. Nicht immer wird das gesamte Netz abgeschaltet, manchmal kommt es auch zu gezielten Blockaden bestimmter Dienste wie Sozialer Medien. Ausgelöst werden die Shutdowns von Regierungen oder Behörden.

Zu den häufigen Anlässen gehören Proteste und politische Instabilität, Militärputsche, Wahlen, Prüfungen, Konflikte, nationale Ereignisse sowie Naturkatastrophen. Die Abschaltungen sollen den Informationsfluss unterbrechen, beschränken oder kontrollieren. Bei Prüfungen soll etwa das Betrügen verhindert werden, was jedoch meist nicht erfolgreich ist und lediglich den Alltag der Menschen einschränkt. Auch Unternehmen erleiden durch eingeschränkte Kommunikationsmöglichkeiten häufig wirtschaftliche Schäden.

Im Jahr 2023 waren laut dem KeepItOn-Report Konflikte der Hauptgrund für Internetabschaltungen. Die Koalition erfasste im Zusammenhang mit Kriegen 38 Internetabschaltungen mehr als im Vorjahr, verursacht durch Kriegsparteien in 9 Ländern. Im Gaza-Streifen kam es laut Access Now etwa zu 16 Shutdowns, verursacht etwa durch die israelische Zerstörung von Telekommunikationsinfrastruktur oder die Knappheit von Energieträgern. Die meisten Internet-Shutdowns in Europa gab es in der Ukraine, wo sechs von acht Shutdowns von Russland ausgingen – teils durch Infrastrukturausfälle, teils auch durch Blockade bestimmter Dienste in besetzten Gebieten.

An der Spitze der Abschaltungen steht Indien mit 116 Fällen, womit das Land zum sechsten Mal in Folge die meisten Abschaltungen verzeichnete. Die Behörden setzen das Abschalten als Standardreaktion auf Krisen ein, zunehmend mehr auf regionaler als auf lokaler Ebene.

Betroffene von Internet-Shutdowns

Die Menschen in den betroffenen Gebieten leiden am meisten unter dem eingeschränkten oder gar nicht vorhandenen Informationsfluss. Ihnen wird teilweise die Möglichkeit genommen, auf Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder andere Missstände aufmerksam zu machen. Auch die Möglichkeit, sich ohne staatlichen Einfluss zu informieren wird ihnen genommen.

Mitglieder der LGBTQ+-Gemeinschaft sind besonders häufig betroffen. Die Dating-App Grindr gehört zu dem meistblockierten weltweit – nach Facebook. Dies sei laut Access Now ein Zeichen dafür, dass Internetsperren maßgeblich dazu genutzt würden, Personengruppen zu marginalisieren. In Jordanien und Tansania sei die Blockade Teil einer weitergehenden Unterdrückungskampagne gegen queere Menschen. Da der LGBTQ+-Gemeinschaft ein wichtiges Unterstützungsnetzwerk genommen wird, sehen sie sich zunehmend Bedrohung, Hass und Hetze ausgesetzt.

Die KeepItOn-Koalition hat es sich zum Ziel gesetzt, auf die vielen Internetabschaltungen aufmerksam zu machen und die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen. So sollen Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kritik an Regierungen nicht ungesehen von der Welt bleiben. Dabei konnte der Zusammenschluss vieler verschiedener Organisationen bereits Erfolge erzielen.

Laut KeepItOn haben sich zum Beispiel drei Regierungen im Rahmen einer Kampagne zur Beobachtung von Shutdowns bei Wahlen dazu bekannt, von Internetabschaltungen im Wahlzeitraum Abstand zu nehmen. Auch wenn die Abschaltungen 2023 zunahmen, ruft die Kampagne zum Weitermachen auf: „Wir dürfen diese Ergebnisse nicht als unvermeidliche Fortsetzung eines sich verschlechternden Trends betrachten, sondern müssen vielmehr unsere gemeinsamen Anstrengungen zur Wahrung der Menschenrechte verdoppeln, insbesondere für die Schwächsten unter uns.“


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