Von Wiktor Schdanow
Kampf der Geschäftemacher
Medienangaben zufolge sollte der Chef des ukrainischen Militärgeheimdienstes GUR, General Kirill Budanow, noch Ende September entlassen werden. Wie das ukrainische Nachrichtenportal Strana berichtete, sei das Vorhaben auf die Zeit nach den Präsidentschaftswahlen in den USA aufgeschoben worden. Selenskij behauptete seinerseits, dass eine solche Frage gar nicht aufgekommen sei und dass er niemanden zu entlassen vorhätte.
"Die Verteidigung gelang, es wird aber eine zweite Runde geben", erklärte eine Regierungsquelle die Lage gegenüber dem ukrainischen Nachrichtenportal New Voice (NV).
Anscheinend ist die Zeit dafür gekommen. Die Initiative wird erneut auf den Leiter des ukrainischen Präsidialamts, Andrei Jermak, zurückgeführt. An der Spitze des GUR werde "eine der Regierung loyalere Person" benötigt, sagen Vertreter der Sicherheitsbehörden.
Budanows Aufsehen erregende Ankündigungen während der vergangenen zwei Jahre wurden für das Bild des Kiewer Regimes als schädlich befunden. So deutete er eine Teilnahme des ukrainischen Militärs an Kampfhandlungen in Afrika an, was die Länder des Globalen Südens sichtlich verstimmte. Seine Ausführungen über eine baldige Eroberung der Krim und einem "Kaffee in Jalta" erwiesen sich ebenfalls, gelinde gesagt, als unangebracht.
Jermak sei unzufrieden, dass sich der GUR-Chef "in fremdes Hoheitsgebiet" begibt und versucht, persönliche Kontrolle über die Drohnenproduktion zu übernehmen, schreibt Strana. Budanow sei noch nicht aufgrund der Machenschaften bei den Waffenkäufen durch die vom Militärgeheimdienst betreute Firma Speztechnoexport zur Verantwortung gezogen worden. Gegenwärtig führt der Staat mit dem Unternehmen einen Prozess um 20 Millionen US-Dollar.
"Es gibt die Realität und objektiv falsche Aktionen. Muss es dafür eine Verantwortung geben? Der Präsident wird es entscheiden", sagte die Quelle bei den ukrainischen Sicherheitsbehörden.
Indessen liegen Budanows Zustimmungswerte nach Angaben des Meinungsforschungsinstituts "Sozialny Monitoring" bei 65 Prozent. Mehr Zustimmung hat nur noch der ehemalige Oberbefehlshaber des ukrainischen Militärs, Waleri Saluschny, mit 66 Prozent. Selenskij kommt auf 46 Prozent.
Selenskijs persönlicher Killer
Bei seinem Vorhaben, Budanow zu untergraben, erhält Jermak Unterstützung vom Leiter der Verwaltung für Gegenaufklärung des ukrainischen Sicherheitsdienstes (SBU), Alexander Poklad, der auf das Amt des GUR-Chefs hofft. Medien berichten selten von diesem Mann. Es ist schwierig, im Internet wenigstens einige Fotos des wichtigsten Gegenaufklärers des Kiewer Regimes zu finden. Bekannt ist, dass er seinen Karriereaufstieg dem Präsidialamt verdankt – und es ist unschwer zu erraten, warum.
Poklad begann seine Karriere bei der Verwaltung zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität in Poltawa. Im Jahr 1996 wurde er wegen Überschreitung der Befugnisse und Erpressung zu einer siebenjährigen Haftstrafe verurteilt. Nach seiner Freilassung schloss er sich der organisierten Kriminalität selbst an und erpresste "Schutzgelder" von Märkten und Öllagern in der Stadt Krementschug.
Nach dem Staatsstreich im Jahr 2014 zog Poklad nach Kiew. Auf Anraten seines ehemaligen Chefs Alexander Pluschnik, den Medien als "reichsten Polizisten des Landes" bezeichneten, nahm er eine Arbeit beim SBU an. Der neue Leiter des ukrainischen Sicherheitsdienstes, Walentin Naliwaitschenko, beauftragte den Major, die Fünfte Verwaltung der Abteilung für Gegenaufklärung, die Morde an Oppositionellen betrieb, zu organisieren und zu leiten.
An der Front war Poklad nie, hat allerdings Kriegsauszeichnungen. Im Jahr 2017 erhielt er von Petro Poroschenko den Tapferkeitsorden dritten Grades, im Jahr 2020 von Selenskij den zweiten Grades. Die "Heldentaten", für die Poklad ausgezeichnet wurde, sind auch im Westen bekannt. The Economist vermerkt dazu: Ukrainische Präsidenten erlaubten ihm "die umstrittensten Einsätze". Kurz, Poklad ist der persönliche Killer des Oberhaupts des Kiewer Regimes.
Der Volksabgeordnete Ilja Kiwa behauptete, dass Selenskij im Jahr 2021 Poklad zum Oberhaupt der Gegenaufklärung ernannt hatte, um den Terror gegen Andersdenkende in der Ukraine zu verstärken. Der Ex-Polizist war am Mord des Oberhaupts der Donezker Volksrepublik Alexander Sachartschenko beteiligt und bereitete Anschläge auf zahlreiche andere Politiker vor.
Auch Kiwa wurde ermordet, offensichtlich von Poklads Leuten. Der SBU-Chef Wassili Maljuk bestätigte dies indirekt. Das Gleiche gilt für den russischen Kriegsberichterstatter Wladlen Tatarski und den Generalstaatsanwalt der Lugansker Volksrepublik, Sergei Gorenko.
Gefährlicher Kandidat
Für einen Kandidaten auf das Amt des Leiters des GUR wurde der Chef der Auslandsaufklärung, Oleg Iwaschtschenko, gehalten, der ein Assistent des Oberbefehlshabers des ukrainischen Militärs, Alexander Syrski, war. Doch Jermak will keine zusätzliche Stärkung der Positionen des Generals, weswegen Poklad benötigt wurde.
Budanow und Poklad sind persönlich verfeindet. Es wird vermutet, dass Poklad im März 2022 den Mord am ukrainischen Banker, Delegationsmitglied bei russisch-ukrainischen Verhandlungen und GUR-Agenten Denis Kirejew organisiert hatte.
Laut Budanows Version erhielt Kirejew an jenem Tag einen Anruf aus dem Sekretariat von Poklad mit der Bitte um ein Treffen. Der Banker kam mit seinen Wachen an, allerdings wurden diese entwaffnet und Kirejew entführt und ermordet. Die Regierung in Kiew führte dies auf Missverständnisse zwischen den Geheimdiensten zurück.
"Kirejew wurde in einem Auto des SBU ermordet. Diese Tatsache steht in Ermittlungsunterlagen. Dass er in diesem Auto von Mitarbeitern des SBU ermordet wurde, ist ebenfalls eine Tatsache. Ein Mann, der auf eine Einladung ins Gebäude des SBU fuhr, wurde keine 200 Meter davor abgefangen, entführt und seine Leiche auf die Straße geworfen", entrüstete sich dazu Budanow.
Wassili Prosorow, ehemaliger Oberstleutnant des SBU, betont: Budanow verfüge über einflussreiche Schutzherren, seine Autorität unter der Kiewer Elite sei in letzter Zeit erheblich gewachsen.
"Er siegte im Kabinettkrieg gegen den SBU-Chef Iwan Bakanow, obwohl dieser ein Kindheitsfreund von Selenskij war. Er überlistete den SBU und presste ihnen Speztechnoexport ab", erklärt Prosorow.
Inzwischen ist Budanow einer von wenigen, der neben Jermak frei in Selenskijs Büro eintreten und mit ihm unter vier Augen sprechen kann, erklärt der ehemalige Rada-Abgeordnete Oleg Zarjow gegenüber RIA Nowosti.
"Er hat hohe Zustimmungswerte und politische Ambitionen. Er hat ein eigenes Team – Politiker, Journalisten, Politologen. Es ist nicht das Team eines Beamten, sondern eines Präsidentschaftskandidaten. Er unterhält Beziehungen zum Fraktionschef von Selenskijs Partei 'Diener des Volkes', Dawid Arachamia, der ebenfalls im Konflikt mit Jermak ist. Von Speztechnoexport kamen ungeheuerliche Schmiergelder. Budanow ist kein Mann, der einfach in der Luft schwebt, er hat Unterstützung und Kontakte, Gelder für eine Wahlkampagne. Das ist eine Gefahr für Selenskij", führt Zarjow aus.
Poklad hafte dagegen ein schlechter Ruf an, fügt er hinzu. Wegen niedrigen Intellekts und sadistischer Neigungen erhielt er von seinen Kameraden den Spitznamen "Würger". Natürlich werden heute gerade diese Eigenschaften von der Regierung in Kiew benötigt, doch eine Figur von einem solchen Ruf wird kaum sowohl einen Teil der ukrainischen Eliten als auch der westlichen Partner zufriedenstellen. Deswegen könnten sich sämtliche Argumente von Jermak als vergeblich erweisen, sodass er diesen Kampf wahrscheinlich verlieren wird.
Übersetzt aus dem Russischen. Zuerst erschienen bei RIA Nowosti am 2. Dezember.
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