Die israelische Regierung hat als Reaktion auf eine Reihe regierungskritischer Berichte einen Boykott der linksliberalen Tageszeitung Haaretz beschlossen. Am Sonntag wurde ein Vorschlag angenommen, der es staatlichen Institutionen verbietet, mit Haaretz zu kommunizieren und in der Zeitung zu werben.
Kommunikationsminister Shlomo Karhi erklärte, sein Vorschlag gegen Haaretz sei von den anderen Ministern einstimmig gebilligt worden.
"Wir werden keine Situation dulden, in der der Herausgeber einer offiziellen Zeitung des Staates Israel dazu aufruft, Sanktionen gegen den Staat zu verhängen, die Feinde des Staates im Krieg unterstützt und vom Staat finanziert wird."
Die Maßnahme ist demnach eine Reaktion auf mehrere Berichte und Kommentare in dem Medium, die als schädlich für die Legitimität Israels und seines Rechts auf Selbstverteidigung angesehen wurden. Besonders umstritten war ein Auftritt von Haaretz-Chefredakteur Amos Schocken auf einer Konferenz in London, bei dem er die israelische Regierung als "grausames Apartheid-Regime" bezeichnete. Haaretz hatte sich wiederholt für ein Ende des Gaza-Krieges und die Freilassung der von der Hamas festgehaltenen Geiseln eingesetzt.
In einer Reaktion auf die Entscheidung kritisierte die Redaktion die Regierung scharf und warf Ministerpräsident Netanjahu vor, die israelische Demokratie zu demontieren. Der Boykott sei "opportunistisch" und Teil eines größeren Plans. "Wie seine Freunde Putin, Erdoğan und Orbán versucht Netanjahu, eine kritische, unabhängige Zeitung zum Schweigen zu bringen", hieß es.
Die Knesset hatte im April 2024 ein Gesetz verabschiedet, das die vorübergehende Schließung ausländischer Nachrichtensender erlaubt, die als Bedrohung für die nationale Sicherheit angesehen werden. Im Mai wurde der Nachrichtensender Al Jazeera aus Israel verbannt und sein Büro in Israel geschlossen, nachdem ihm vorgeworfen worden war, die Hamas zu unterstützen.
Haaretz wurde 1918 gegründet und ist die älteste Tageszeitung Israels. Seit vielen Jahren nimmt die Zeitung eine kritische Haltung gegenüber der israelischen Regierung ein und ist ein Sprachrohr für linke, liberale und humanitäre Positionen im Land. Immer wieder veröffentlichte sie investigative Berichte über mutmaßliche Vergehen hochrangiger israelischer Politiker und Militärs.
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