Innenstadtbereiche mit Pop-up-Radwegen, die kostenintensiv dauergefüllte Autostraßen reduzieren, jedoch gleichzeitig mit folgenreichen Planungsirritationen glänzen. Fehlentscheidungen von zuständigen Behörden und damit verbundener Rückbau von bereits umgesetzten Radstreifen. Beheizte Radbrücken für 300.000 Euro. Dies ist nur eine Auswahl der jüngsten Medienberichte zum politischen Thema "Forcierte Förderungen des Verkehrsmittels Fahrrad in Deutschland".
Der sicherlich spektakulärste Fall ereignet sich gerade in der Hauptstadt. Mehrere Medienberichte erläutern dabei einen sich stetig dynamisierenden Streit zwischen dem Berliner Senat und dem Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf, "der nun ganz konkrete Folgen für hunderte Anwohner haben könnte", berichtet die Webseite Berlin-Live am 19. Oktober. Die B.Z. titelt zu dem Planungsirrsinn:
"Kantstraßen-Bewohner wütend ‒ 'Man kann uns nicht aus den Wohnungen verweisen'".
Was wie ein schlechter Schildbürgerstreich klingt, ist dabei bedrückende Realität für die Bewohner des betroffenen Straßenabschnitts. Dazu heißt es erläuternd:
"Die Feuerwehr könne durch den zu schmalen Pop-up-Radweg bei Löscharbeiten nicht nah genug an brennende Gebäude herankommen. Die Rettung per Leiter sei so nicht möglich. Dies sei ein rechtswidriger Zustand."
Als anscheinend vollkommen unspektakuläre, dabei notwendige, Reaktion und Maßnahme plant der zuständige Stadtrat demnach nun, dass "aus Sicherheitsgründen einige Bewohner der Kantstraße ab dem dritten Stock ihre Wohnungen verlassen sollen". Konkreter formuliert von dem zuständigen Bezirksstadtrat in Charlottenburg-Wilmersdorf, Christoph Brzezinski (CDU), gegenüber dem Tagesspiegel:
"Wir werden aus bauaufsichtlichen Gründen die Nutzungsuntersagung aussprechen."
Diese soll ab dem 1. November 2024 gelten. Vor gut vier Jahren wurde in der vielbefahrenen Straße ein sogenannter Pop-up-Radweg eingerichtet. Die B.Z. erklärt:
"Am rechten Rand der Fahrbahn verläuft die Radspur, dann kommt eine Spur für parkende Fahrzeuge, dann erst die Spur für den fließenden Verkehr. Von der Feuerwehr gab's Kritik an dieser Aufteilung – der Radweg ist für die Einsatzfahrzeuge zu schmal und von der linken Fahrspur ist der Abstand zu den Wohnhäusern zu groß, Leiterwagen können so nicht eingesetzt werden. Die Rettung per Leiter ist bei Gebäuden mit einer Höhe bis 22 Metern ein per Gesetz vorgeschriebener zweiter Fluchtweg."
Gespräche hierzu würden seit 2020 geführt und entsprechende Problemlösungen diskutiert. Nun scheint die Situation laut dem Artikel zu eskalieren:
"Bedeutet konkret: Hunderte Mieter ab der dritten Etage müssten ihre Wohnungen verlassen! Wo sie bleiben sollen, konnte das Bezirksamt nicht sagen."
Bereits im Jahr 2021 berichtete die Morgenpost zum Dauerproblemradweg in der Kantstraße: "Für die Einrichtung des nach nur einem halben Jahr verblassten Radstreifens entlang der Kantstraße entstanden Kosten von mehr als 200.000 Euro." Rund 100.000 Euro mehr investierte die Stadt Tübingen in einen seitens der ARD-Tagesschau wohlwollend vorgestellten Radweg in Baden-Württemberg. Dazu heißt es:
"Die neue Radbrücke in Tübingen ist am Mittwoch eröffnet worden. Mehrere Hundert Leute waren da, um sie gemeinsam mit OB Palmer das erste Mal zu überqueren. Und es wurde bunt!"
Die Brücke soll laut Planung "für viele Menschen eine Erleichterung sein und die Überquerung der Bahnschienen komfortabler machen", aber "Fußgänger sollten die Brücke übrigens nicht nutzen". So möchte es der für seine restriktiven Forderungen und Anordnungen gefürchtete Bürgermeister Boris Palmer (parteilos), laut dem "man sich dort aber schon Mal beim Spazieren hin verirren darf, um den schönen Blick aufs Schloss Hohentübingen zu erleben", so die Tagesschau. Zudem erfährt der Leser:
"Die neue Radbrücke West soll im Winter beheizt werden, damit kein Salz gestreut werden muss. Laut Palmer hat das etwa 300.000 Euro gekostet. Die Heizung verhindere, dass die Brücke kaputt geht, so der OB. Ohne Streusalz, das den Stahl angreift, könne die Radbrücke noch 100 Jahre stehen."
Insgesamt sind vier beheizte Radbrücken in Tübingen bis ins Jahr 2025 geplant. All diese Wege sind dann "mit einer Fußbodenheizung ausgestattet" und haben einen blauen Belag. "Die Gesamtkosten für die vier Brücken liegen bei rund 30 Millionen Euro."
Ein weiteres kontroverses Verkehrsprojekt ist in Berlin zu finden: Zum Streitpunkt "Auto-Durchfahrtsperre und Radstraßenchaos" in der Berliner Tucholskystraße hieß es ‒ infolge von Protesten und Klagen seitens Anwohnern, Gewerbetreibenden und Lieferanten ‒ bereits im August in der Lokalpresse:
"Die Durchfahrtsperre in der Tucholskystraße in Berlin-Mitte ist rechtswidrig. Das Verwaltungsgericht konnte keine Gefahrenlage feststellen. Doch die Poller dürften trotzdem stehen bleiben."
Der Umbau mit verkehrsblockierenden und alltagseinschränkenden Pollern kostete insgesamt 115.000 Euro.
Der letzte aktuelle Schildbürgerstreich aus der Kategorie "Planungsdesaster und Fahrrad" ergab sich jüngst in der Hansestadt Hamburg. So titelte die Bild-Zeitung vor drei Tagen:
"Millionen-Panne an Elbchaussee: Grünen-Senator muss Radweg wieder abreißen!"
Der Artikel informiert, dass seit rund drei Jahren die Strecke, "die den Westen von Hamburg mit der Innenstadt verbindet, für mehr als 30 Millionen Euro saniert wurde", wobei laut Planung der Stadt "neue Trinkwasser-, Strom- und Gasleitungen unter der neuen schönen glatten Fahrbahn verlegt wurden". Das nun klitzekleine, kostenintensive Problem für die Steuerzahler lautet:
"Die neue Spur für Radfahrer war gar nicht erlaubt!"
Die damit verbundene Kritik lautet, das die zuständigen SPD- und Grünenpolitiker "rigoros ihre realitätsferne Verkehrspolitik auf der Elbchaussee durchgezogen haben", so Dennis Thering, Vorsitzender der Hamburger CDU-Fraktion. Aktuell schaue es so aus:
"Unfallschwerpunkte, wegfallende Gehwege und rechtswidrige Radstreifen."
Die gewohnt reißerische Bild-Formulierung der Notwendigkeit eines "Abrisses" stellt sich am Ende des Artikels als zumindest für Nutzer nervenaufreibende Neugestaltung der sanierten Straße dar, da nun ein "Rückbau" erfolgt, verbunden mit einer "Demarkierung des Schutzstreifens" und einer neuen Anordnung der damit benötigten Straßenschilder.
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