BSW: Ohne konsequente Friedenspolitik keine Koalition mit den Altparteien
Neue linke Politik wird in Thüringen von Wagenknecht-Partei angestrebt
Es findet eine wirkliche Zeitenwende in der Politik der Linken statt.
Jürgen Meyer 20.10. 2024
Während Bodo Ramelow (Die Linke) als Ministerpräsident von Thüringen noch Grundsatzpositionen wie den Austritt aus der Nato und eine konsequente Friedenspolitik aus Machtgründen massiv hintertrieben und bekämpft hatte, tritt jetzt mit dem BSW erstmals eine neue Linke auf den Plan, die das Bekenntnis zur Friedenspolitik zu einer Bedingung für eine Koalition mit den Altparteien macht und keine Macht als Selbstzweck anstrebt.
Um die Chance auf eine Koalition aus SPD, Linken und den Grünen nach der nächsten Bundestagswahl zu wahren, durfte sich damals die Linke nach Auffassung von Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow inhaltlich nicht zu dogmatisch geben. "Ich rate meiner Partei, an der Nato-Frage diese Koalitionsmöglichkeit nicht unmöglich zu machen", sagte der Linke-Politiker in Erfurt. "Das heißt ja nicht, dass wir begeisterte Nato-Anhänger werden müssen." Die Erfahrung von eineinhalb Jahren Rot-Rot-Grün in Thüringen zeige, dass Themen, die zwischen den drei Parteien strittig sind, nicht in jedem Fall endgültig entschieden werden müssten, argumentierte Bodo Ramelow schon im Juli 2016 nach 1,5 Jahren Regierung mit den Altparteien.
Der Verrat an linken Positionen war der Markenkern von Bodo Ramelow als erster linker Ministerpräsident im Lande Thüringen.
Als Beispiel nannte Ramelow seinerzeit den Verfassungsschutz, den seine Partei eigentlich auflösen wollte, sich damit aber nicht durchsetzen konnte und dann opportunistisch einknickte. Eine Dreierkoalition müsse lernen, Themen, die wegen unterschiedlicher Positionen der drei Partner nicht zu regeln sind, auch mal beiseite zu legen. Nach Ramelows Einschätzung sind trotz bestehender Differenzen in der Außenpolitik die Schnittmengen zwischen SPD. Grünen und Linken im Bund höher als derzeit zwischen der regierenden großen Koalition aus CDU/CSU und SPD. "Es müssen sich aber alle drei Parteien bewegen."
Mit seinen Äußerungen reagierte Ramelow auf den SPD-Vorsitzenden Sigmar Gabriel, der für ein neoliberales Mitte-Links-Bündnis als Reaktion auf das Erstarken der Rechten plädiert hatte. Dies war als Signal für Rot-Rot-Grün im Bund verstanden worden. Ramelow hatte sich seit seinem Amtsantritt zu den Chancen von Rot-Rot-Grün im Bund kaum geäußert. "Ich gebe meine Zurückhaltung jetzt auf", sagte der Linke-Politiker.
Diese Haltung war sowie auch bei der Frage des Einknickens bei der Autobahnprivatisierung durch die Hintertür, der Ramelow zustimmte, der Anfang vom Ende der Linkspartei. Durch eine solche Politik war der Untergang der einst marxistischen Linkspartei vorprogrammiert. Die Linke verlor immer mehr Wählerstimmen sowie Zuspruch und landete auch in Thüringen und anderen Ostländern in der Bedeutungslosigkeit. Einer der Totengräber der Partei heißt Bodo Ramelow.
Aber es kam noch schlimmer. Ausgerechnet Ramelow setzte sich für die Entsendung deutscher Soldaten für einen Krieg gegen Russland ein - obwohl er gerade einer Partei namens PDS seinerzeit beigetreten war, die sich besonders Russland freundlich aufgestellt hatte. Wie seine Äußerungen zur ehemaligen DDR als Unrechtsstaat betrachteten viele Ostdeutsche seine Äußerungen als Verrat an der Sache der Linken. Er wurde zurecht abgewählt.
Bodo Ramelow (Die Linke) gab eine Reihe von Interviews, in denen er sich voll hinter den Nato-Kriegskurs gegen Russland stellt und sogar einen Einsatz der Bundeswehr ins Spiel bringt.
„Meine Haltung zu Russlands Krieg gegen die Ukraine war und ist eindeutig,“ gibt er gegenüber dem Tagesspiegel zu Protokoll. „Es war Putin, der seine Armee angewiesen hat, ein anderes Land zu überfallen. Das sind die Realitäten. Was bei aller Sehnsucht nach Frieden bleibt, ist, dass ein Staat in der Lage sein muss, sich verteidigen zu können. Für mich gilt die Stärke des Rechts, nicht das Recht des Stärkeren.“
Wen will Ramelow für dumm verkaufen? Natürlich weiß er genau, dass die imperialistischen Mächte – allen voran Deutschland und die USA – nicht auf der „Seite des Rechts“ stehen. Auf dem Balkan, im Nahen Osten und in Zentralasien haben sie in den vergangenen drei Jahrzehnten ganze Länder in Schutt und Asche gelegt und Millionen getötet.
Und auch im Ukrainekonflikt ist die NATO der eigentliche Aggressor. Mit der systematischen militärischen Einkreisung Russlands, dem faschistischen Putsch in Kiew 2014 sowie der Unterdrückung und dem Völkermord im Donbass und Selenskys Drohungen erst die Krim und den Donbass und das Kernrussland mit Atombomben, an denen man baue und die der Westen gefälligst zu liefern habe, dem Erdboden gleich zu machen hat man den russischen Einmarsch regelrecht provoziert. Seitdem eskalieren die USA und die NATO sowie die BRD als dienstbeflissener Vasall des Imperiums den Konflikt immer weiter, um Russland in einen umfassenden Krieg zu zwingen. Dabei geht es nicht, wie behauptet, um „Frieden“ und „Demokratie“, sondern darum, sich die Ukraine einzuverleiben und das rohstoffreiche und geostrategisch wichtige Russland zu unterwerfen.
Diese Pläne werden von der Linken aktiv unterstützt. Mitte Juni nahm der führende Linken-Politiker Dietmar Bartsch an der sogenannten „Ukraine-Wiederaufbaukonferenz“ in Berlin teil, bei der es explizit um die Eskalation des NATO-Kriegs gegen Russland und die Aufteilung der Kriegsbeute unter den imperialistischen Mächten ging.
Im Interview mit dem Tagesspiegel plädiert Ramelow dafür, den Druck auf China und Russland zu erhöhen und sogar eigene Truppen in die Ukraine zu schicken. „China könnte einen Impuls erzeugen, der Russland zu einem Waffenstillstand zwingt,“ erklärt er, und: „Wenn es zu einem Waffenstillstand kommt, müssten wir Europäer bereit sein, Blauhelm-Soldaten in die Ukraine zu entsenden.“ Auf Nachfrage betonte er: „Auch Deutschland sollte im Falle eines Waffenstillstandes für Bundeswehrsoldaten unter UN-Mandat offen sein.“
Ganz anders hatte sich schon damals Sahra Wagenknecht positioniert.
Oskar Lafontaine und Sahra Wagenknecht stellten damals Bedingungen für Rot-Rot-Grün
Mehr noch als die NATO-Frage, bei der es letztlich um die Erfüllung von Verträgen gehe, sehe Ramelow Diskussionsbedarf bei Rüstungsausgaben und -exporten sowie beim Einsatz der Bundeswehr. "Ich bin dagegen, dass die Bundeswehr als Interventionsarmee ständig im Einsatz ist." Alarmiert sei er, wenn darüber diskutiert werde, die deutschen Rüstungsausgaben gemessen am Bruttoinlandsprodukt auf das Niveau der USA anzuheben.
Wer jedoch bei der Bekämpfung von Altersarmut, prekärer Beschäftigung oder Kinderarmut durch Hartz IV Veränderungen in Deutschland wolle, der müsse sich Bündnispartner suchen, sagte Ramelow in Richtung seiner Partei. "Wir sollten noch vor der Bundestagswahl klären, ob es zwischen SPD, Grünen und Linker nicht mehr Gemeinsamkeiten als Trennendes gibt."
Auch der langjährige ehemalige Linken-Fraktionschef Gregor Gysi hatte damals erklärt, die Zeit für das erste Regierungsbündnis aus SPD, Grünen und Linken auf Bundesebene sei gekommen. Auch er lenkte immer mehr den Kurs auf die Anbiederung an die Altpartien.
Gysi plädierte für die Bildung gemeinsamer Arbeitsgruppen. Die damalige Vorsitzende der Bundestagsfraktion, Sahra Wagenknecht, hatte sich diesbezüglich allerdings oft ablehnend geäußert. Im Deutschlandfunk machte sie schon damals einen sozial- und friedenspolitischen Kurswechsel der SPD und der Grünen zur Vorbedingung für Rot-Rot-Grün nach der nächsten Bundestagswahl. Nötig sei "eine Politik zur Wiederherstellung des Sozialstaates", die die "Verheerungen der Agenda 2010 und der Hartz-Gesetze zurücknimmt und die Reichen zur Kasse zieht", sagte sie. Wenn der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel dies auch wolle, "dann hat er uns als Partner". "Aber, wenn er einfach nur Kanzler werden will, aber es soll sich politisch nichts ändern, dann ist es wahrscheinlich keine gute Idee, das mit der Linken zu versuchen." Außerdem forderte sie ein Ende sämtlicher Kriegseinsätze der Bundeswehr, ihre Umwandlung in eine Freiwilligenarmee mit maximal 100.000 Mann, die Abschaffung der Kampfeliteneinheiten wie dem KSK und dass die Bundeswehr generell eigenständig bleibt und nicht in die Militärstrukturen der NATO eingebunden ist und das Parlament über Aufgaben der Bundeswehr entscheidet und Oberkommando nicht bei der NATO liegt, sozusagen als ersten Schritt und Kompromissangebot an die SPD und Die Grünen hin zum kompletten Austritt aus der NATO und den Aufbau einer eurasischen Friedensarchitektur unter Einschluss Russlands und Chinas, was ihr und ihrem Ehemann Oskar Lafontaine immer sehr wichtig war und als rote Linie für mögliche Koalitionen im Bund galt. Oskar Lafontaine erklärte seinerzeit mehrfach, dass Rot-Rot oder Rot-Rot-Grün ein seriöses politisches Angebot für die Verschiebung der politischen Achse nach links sein müsse. Das Volk will und brauche einen radikalen Politikwechsel und keine Farbenspiele.
In Thüringen war ein erster Anlauf für Rot-Rot 2009 gescheitert. Damals war Ramelow noch standhaft, woraufhin der damalige SPD-Spitzenkandidat erklärte, dass wenn Die Linke eine grundsätzlich andere Politik anstrebe, man lieber mit der CDU koaliere. Vor der Landtagswahl 2014 hatte Die Linke dann schließlich Kompromisslinien für Streitthemen wie die Zukunft des Verfassungsschutzes vorgelegt. In der Thüringer Koalition war Die Linke mit Abstand die stärkste Partei und trotzdem keinen Anspruch zur Veränderung der Politik.
Das Bündnis Sahra Wagenknecht will die Fehler, die Die Linke in der Vergangenheit machte, definitiv nicht wiederholen und macht nun grundlegende Veränderungen in der Außen-, Europa- und Bundespolitik, die man durch öffentliche Stellungnahme, eine klare Präambel im Koalitionsvertrag und geeignete Bundesratsinitiativen beeinflussen wolle, auch zur Bedingung des BSW für mögliche Koalitionen und Tolerierungen auf Landesebene.
Thüringen: BSW tritt auf die Bremse und beharrt auf Friedenspolitik
Ohne Friedenspolitik keine Regierungskoalition: Das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) lehnt die Aufnahme von Koalitionsgesprächen in Thüringen so lange ab, bis sich CDU, SPD und BSW auf die Formulierung einer sogenannten "Friedenspräambel" geeinigt haben. Dies teilte BSW-Landeschef Steffen Schütz dem Springerblatt Welt mit, seine Co-Chefin Katja Wolf bestätigte dies. Jene Position zum Ukraine-Krieg und zur Stationierung von US-Raketen dürfe nicht erst am Ende möglicher Koalitionsgespräche stehen.
"Wir bestehen auf einer Einigung zur Friedenspolitik", sagte Schütz. Die Thüringer Landesverfassung enthalte nicht umsonst die Verpflichtung, sich für inneren wie äußeren Frieden einzusetzen. "Dass wir uns für Diplomatie und gegen die Stationierung von Mittelstreckenraketen einsetzen, ist bekannt. Dass wir dazu ein Bekenntnis einer möglichen Regierung haben wollen, ebenfalls. Sonst machen wir nicht mit."
Noch am Freitagmittag hatten CDU, BSW und SPD das Sondierungspapier vorgestellt, das die Ergebnisse der mehrwöchigen Verhandlungen zwischen den drei Parteien festschreibt. Die drei Landesparteien müssen nun entscheiden, ob Koalitionsgespräche eingeleitet werden.
Bereits am Freitagabend ging das BSW in Thüringen dann in die Offensive und verweigerte den Einstieg in die Koalitionsgespräche, bis man sich in friedenspolitischen Fragen einige und der Text der "Friedenspräambel" mit CDU und SPD vereinbart sei. Schütz betont, ohne den versprochenen Politikwechsel keine Regierungskoalition eingehen zu wollen:
"Wer BSW gewählt hat, muss sich darauf verlassen können, dass wir auch liefern."
Gemeint seien angekündigte Veränderungen bei den Themen Bildung, Soziales, Migrationspolitik, innere Sicherheit, Corona-Aufarbeitung und Bürokratieabbau.
Hintergrund für die neuesten Entwicklungen in den Thüringer Sondierungsgesprächen dürfte auch ein Bericht der Welt sein, laut dem es einen Dissens zwischen Bundes- und Landespartei in der Bewertung der bisherigen Ergebnisse gebe. So halte man auf Bundesebene die fehlende "Friedenspräambel" für inakzeptabel, aber auch die landespolitischen Einigungen nicht für ausreichend aus BSW-Perspektive, heißt es aus Parteikreisen.
BSW-Chefin Sahra Wagenknecht soll sich laut Welt auch zu dem Chaos rund um die erste konstituierende Sitzung im Thüringer Landtag geäußert haben. Demnach halte sie es für einen "schweren Fehler", dass BSW-Politiker zusammen mit CDU, SPD und der Linken den AfD-Alterspräsidenten attackiert hätten. Die AfD sei demokratisch gewählt und repräsentiere 1/3 der Thüringer Wähler, die man nicht ausschließen dürfe, weshalb der AfD auch der Vorsitz von Ausschüssen und das Vorschlagsrecht für den Landtagspräsidenten zustehe. "Geschäftsordnungstricks" hätten AfD-Landes- und Fraktionschef Björn Höcke die Gelegenheit "zu einer großen Opferinszenierung" gegeben. Doch "jeder mache Fehler, unsere Fraktion war gerade frisch gewählt, es war eine schwierige Situation", so Wagenknecht. Auch wiederholte Wagenknecht, dass man in den Punkten, in denen es mit der AfD Überschneidungen gebe, also Migration - außer natürlich der völkischen Komponente einiger in der AfD, Energie, Corona, Eurorettung und der militärischen Unterstützung der Ukraine, im Bund und in den Ländern Anträgen und Gesetzentwürfen der AfD zustimmen werde, wenn sie inhaltlich gut sind.
Mit Blick auf die Sondierungen in Thüringen, Sachsen und Brandenburg erklärte Wagenknecht zudem kürzlich , man werde voraussichtlich nicht in jedem Land ins Regierungsgeschäft einsteigen und dämpfte damit die Erwartungen. Die Zuversicht sei "anfangs größer" gewesen.
Wie es mit den Koalitionsverhandlungen in Thüringen nun weitergeht, ist offen. Die Thüringer SPD hatte sich für Koalitionsverhandlungen mit der CDU und dem BSW ausgesprochen, der SPD-Vorstand mache den Weg dafür frei, sagte der Thüringer SPD-Chef und geschäftsführende Innenminister Georg Maier in Erfurt. Es wurde aber auch eine Mitgliederbefragung beschlossen, wenn ein Koalitionsvertrag vorliegt. Erst danach sei klar, ob die SPD in die Koalitionsregierung einsteige. Es habe bereits in den Sondierungsverhandlungen schwierige Momente gegeben, aber "wir haben aber immer wieder Lösungen gefunden". Kritik übte der SPD-Chef an BSW-Bundeschefin Sahra Wagenknecht:
"Ich finde Äußerungen von außerhalb nicht zielführend."
Auch die Thüringer CDU stimmte zunächst für Koalitionsverhandlungen. CDU-Parteichef Friedrich Merz hatte im Vorfeld erklärt, er habe Vertrauen, dass der Thüringer CDU-Landeschef Mario Voigt (wie auch Sachsens CDU-Landeschef Michael Kretschmer) "verantwortungsvoll" handeln und keine Einwände erheben werde. Doch Koalitionen aus CDU und BSW seien für die Union schwer verdaulich, der Unmut in der Partei sei groß, hieß es aus CDU-Kreisen.
Inzwischen gibt es ein Papier führender CDU-ler aus Sachsen, worin eine Koalition mit der als "Neobolschewistin" diffamierten Sahra Wagenknecht grundsätzlich abgelehnt wird:
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