BRICS-Gipfel in Kazan bedeutender als die US-Wahlen im November

Das bevorstehende Gipfeltreffen von BRICS am 23. und 24. Oktober 2024 in Kazan verspricht die BRICS-Vereinigung quantitativ und qualitativ auf ein neues Niveau zu heben.

Eine „BRICS-Friedenstruppe“ in Ergänzung
zur UN könnte
schon bald notwendig werden

‘Es spielt keine Rolle, wie langsam man geht, solange man nicht anhält’. Konfuzius

Von JURY TAWROWSKY | Die ursprünglichen Gründerstaaten Russland, Indien und China – vormals RIC genannt – wurden durch die Aufnahme von Brasilien und Südafrika zunächst zur „Fünf“, doch zählen nach dem Beitritt von Ägypten, Äthiopien, Iran, Saudi-Arabien und die Vereinten Emiraten mittlerweile schon zehn Mitgliedsstaaten.

Inzwischen äußerten rund 30 weitere Länder den Wunsch, ebenfalls BRICS beitreten zu dürfen. Die künftige Integration neuer Mitglieder und erforderliche Entwicklung der dafür benötigten Institutionen werden auf dem Gipfel in Kazan ein Thema sein: Neue Mechanismen zur Vorbereitung, Koordinierung und Entscheidungsfindung werden auf der Agenda stehen. In Vorbereitung dazu wurden unter dem russischen Vorsitz, über das Jahr mehr als 200 Konferenzen und Foren zu verschiedenen Arbeits- & Aufgabenbereichen abgewickelt.

Die wachsende Skepsis des Westens gegenüber einer solchen zwischenstaatlichen und expandierenden Vereinigung wird eine institutionalisierte Sicherheitsarchitektur für alle BRICS Mitgliedstaaten erforderlich machen.

Das Potenzial von BRICS auf militärischem und politischem Gebiet ist beeindruckend: Es umfasst vier Atommächte – Russland, China, Indien und Pakistan. Die Luft-, Land- und Seestreitkräfte der zehn Mitgliedstaaten verfügen über insgesamt mehrere Millionen an Truppen und eine Vielzahl hochmodernen militärischen Geräts. Doch das Zusammenwirken dieser Verbände im komplexen Zusammenspiel sämtlicher Kräfte ist noch lange nicht realisiert.

Die ursprüngliche Ausrichtung von BRICS könnte der erforderlichen Vertiefung der Zusammenarbeit vorerst im Wege stehen. Denn, in vielen BRICS-Dokumenten wird das folgende Mantra von BRICS stets wiederholt: Die Aktivitäten der Organisation wären nicht gegen Dritte oder auf Bildung eines militärischen Blocks gerichtet!

Doch eine solche Feststellung ignoriert die Tatsache, dass gewisse „Drittländer“ die Sicherheit von BRICS-Mitgliedstaaten permanent wachsenden Bedrohungen aussetzen.

Dabei wäre ein Militärblock gar nicht erforderlich, um eine Sicherheitsstruktur zu begründen. Eine ständige Koordinierungsstelle würde schon reichen. Auch die Vereinten Nationen stellen keinen Militärblock dar, sondern verfügen über eine Vielzahl an Friedenstruppen, die von New York aus vom Militärstabsausschuss, der wiederum dem UN-Sicherheitsrat untersteht, geführt werden. Seit der Gründung im Jahr 1956 haben Truppen der Vereinten Nationen 71 größere Friedens-Missionen durchgeführt. Sie stehen auch heute im Einsatz zur Entschärfung von „Krisenherden“ und um humanitäre Hilfe an betroffene Zivilbevölkerungen zu ermöglichen.

Ein anderes Beispiel zeigt das aktive Zusammenspiel zwischen OVKS , GUS und SOZ , denen neben anderen Staaten auch die führenden Länder von BRICS-plus – das sind Russland, China, Indien und Pakistan angehören. Erst kürzlich – am 9. Oktober – fand in Moskau das zwölfte Treffen von OVKS, GUS und SOZ statt: Die Leiter der Exekutivorgane dieser drei größten eurasischen Organisationen tauschten sich über Erfahrungen und aktuelle Fragen zur internationalen Lage aus. Sie diskutierten auch die laufende Entwicklung ihrer Zusammenarbeit in Bezug auf die regionale Sicherheit vor dem Hintergrund künftiger Herausforderungen bzw. wachsender Bedrohungen.

Die Einrichtung eines ständigen BRICS-Gremiums für Sicherheitsfragen in der einen oder anderen Form würde in den Ländern des globalen Südens positive Reaktionen auslösen, so wie schon die Ausweitung der Aktivitäten, der im Jahr 2014 gegründeten BRICS-Entwicklungsbank, auf breite Zustimmung der Mitgliedsstaaten stieß. Denn die Umsetzung alternativer Währungs-Verrechnungs-Systeme, wird den Prozess zu souveränen Entwicklungen hin maßgeblich beschleunigen.

Zum Bereich „Sicherheit“ hat die entschlossene Haltung Moskaus und Pekings die Aufmerksamkeit einer wachsenden Zahl von Ländern der ganzen Welt auf sich gezogen: Letztere sind der westlichen Hegemoniebestrebungen überdrüssig und suchen Schutz und Unterstützung zur Entwicklung eigenständiger Wege.

Die Beteiligung der wichtigsten Regionalmächte aus vier Kontinenten an einem BRICS-Koordinierungsmechanismus würde eine effektive gegenseitige Zusammenarbeit global möglich machen.

Regionale Formate könnten dazu entsprechend beitragen.

Die stete Bedrohung wichtiger Logistik-Korridore behindert die Entwicklung des BRICS-Binnenmarktes wie auch die des Welthandels. Die kombinierte Einsatz der Seestreitkräfte entsprechender Küstenstaaten, verstärkt durch die großen Seemächte der BRICS-Vereinigung könnten das bestehende Sicherheitsvakuum – vor allem im Indischen – und Pazifischen Ozean – wirksam beheben. Der Westen setzt auf dieses Problem und gründete neue politisch-militärische Organisationen wie AUKUS und QUAD . Die praktische Zusammenarbeit zwischen Militärkräften der BRICS-Staaten würde das gegenseitige Vertrauen stärken und die Einmischung außerregionaler Mächte letztlich verhindern können.

Eine weitere Möglichkeit effektiver Zusammenarbeit in Bezug auf Sicherheit wäre die Einrichtung einer BRICS-Friedenstruppe auf Grundlage bestehender Formate, wie von OVKS, GUS und SOZ. Ihre Aktivitäten könnten auf friedenserhaltende Maßnahmen hinauslaufen, die jedoch in den Vereinten Nationen zurzeit von westlichen Ländern blockiert werden. Die Streitkräfte Russlands, Chinas, Indiens und anderer BRICS-Länder verfügen über entsprechende Kapazitäten, um diesbezügliche Arbeit, sobald eine politische Entscheidung getroffen wäre, umgehend aufzunehmen.

Vor unseren Augen wandelt sich BRICS zu einer globalen Organisation auf zwischenstaatlicher Basis. Die Attraktivität des BRICS-Modells liegt auf der Hand. Es verlangt jetzt von den „Gründer-Staaten der ersten Stunde“ angemessene Reaktionen, um die hohen Erwartungen all jener Länder, die neu um Aufnahme ersuchen, weil sie das alte Modell Weltordnung ablehnen, ganz zu befriedigen.

Ohne Sicherheitsarchitektur wird BRICS nicht in der Lage sein, auf die großen Herausforderungen unserer Zeit angemessen zu reagieren. Für den BRICS-Gipfel in Kazan wird gelten, das Fundament für eine neue erweiterte BRICS-Struktur zu legen.

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