Anonyme Zahlungen in Gefahr: Fachleute warnen vor Risiken des digitalen Euros

Der digitale Euro soll kommen. Und er birgt Risiken für Privatsphäre und Datenschutz. Darauf weisen die Datenschutz-Expert:innen der internationalen Berlin Group hin. Und sie geben Empfehlungen, wie sich die digitale Währung möglichst datenschutzfreundlich gestalten lässt.

Die Euro-Skulptur neben dem Sitz der Europäischen Zentralbank in Frankfurt am Main
Welche Voraussetzungen muss der digitale Euro erfüllen, um datenschutzkonform zu sein? – Gemeinfrei-ähnlich freigegeben durch unsplash.com Mika Baumeister

Wer mit PayPal, Visa Card oder Apple Pay seine Einkäufe bezahlt, hinterlässt digitale Spuren. Denn diese Bezahlmöglichkeiten sind alles andere als anonym. Der digitale Euro verspricht hier einige Verbesserungen. Die EU-Kommission will das digitale Zentralbankgeld online und offline als Alternative zu Kreditkarten und Bezahldiensten einführen.

Um aber datenschutzkonform zu sein, muss die digitale Währung bestimmte Voraussetzungen erfüllen. Welche das sind, hat die Internationale Arbeitsgruppe für Datenschutz in der Technologie (IWGDPT), auch bekannt als „Berlin Group“, in einem gestern veröffentlichten Arbeitspapier dargelegt.

Die Berlin Group besteht seit 2021 und erarbeitet regelmäßig Empfehlungen für den datenschutzfreundlichen Einsatz neuer Technologien. Ihr gehören Vertreter:innen von Datenschutzaufsichtsbehörden, Regierungsstellen, internationalen Organisationen und NGOs sowie Forschende aus verschiedenen Ländern an.

In ihrem aktuellen 25-seitigen Arbeitspapier warnen die Datenschützer:innen davor, dass digitales Zentralbankgeld zu mehr Profiling und Überwachung führen, die Datensicherheit gefährden sowie vulnerable Gruppen ausschließen könnte. Sie fordern, die neuen Zahlungsmittel bereits in der Planungsphase so zu gestalten, dass die Privatsphäre Einzelner geschützt und der Datenschutz eingehalten wird.

Allerdings ist das mitunter unvereinbar mit bestehenden Bestimmungen, die Geldwäsche, Terrorfinanzierung oder Steuerflucht verhindern sollen. Daher schlägt die Gruppe unter anderem vor, dass personenbezogene Daten nur bei solchen Transaktionen offengelegt werden, die ausschließlich dafür in Frage kommen.

Digitales Zentralbankgeld birgt Risiken

Bereits seit 2021 wird am digitalen Euro gearbeitet. Er soll direkt von der Europäischen Zentralbank (EZB) ausgegeben werden und als digitale Ergänzung zum Bargeld dienen. Im vergangenen Oktober hat die EZB grünes Licht für das Projekt gegeben.

Mit der geplanten Einführung reagiert die EU auf die Entwicklung in Ländern wie China, Großbritannien, der Schweiz und Japan, die ebenfalls eigene digitale Zentralbankwährungen planen oder schon nutzen. Im Englischen spricht man von Central Bank Digital Currency, kurz: CBDC.

Wie der digitale Euro genau aussehen soll, ist derzeit noch unklar. Klar ist aber: CBDC bergen anders als Bargeld das Risiko, dass Regierungen, Zentralbanken und die beteiligten Finanzinstitute einen bislang ungekannten Zugang zu den Finanzdaten der Bürger:innen erhalten, so das Arbeitspapier der Berlin Group. Damit bringt auch der digitale Euro potenziell erhebliche Gefahren für die Privatsphäre und den Datenschutz mit sich.

Umso wichtiger sei es, den Schutz der Privatsphäre und der Grundrechte bereits in der Planungsphase zu berücksichtigen, so das Arbeitspapier. Nur so ließe sich ein datenschutzkonformes Zahlungsmittel schaffen, dem die Bürger:innen auch vertrauen.

Datenzugriff auf Minimum beschränken

Dazu müsse aber genau geregelt werden, welche personenbezogenen Daten für den Zahlungsverkehr gespeichert und verarbeitet werden. Und der Zugriff von Zentralbanken, Behörden und anderen Akteuren müsse auf ein Minimum beschränkt werden.

Vor allem eine Pseudonymisierung der Transaktionsdaten könne dazu beitragen, dass Zentralbanken die tatsächliche Identität der Nutzer:innen nicht erfahren. Nur Transaktionen, die einen bestimmten Betrag übersteigen, sollte der korrekte Name zugeordnet werden: „Solche Obergrenzen können ein datenschutzfreundlicherer Ansatz für die Geldwäschebekämpfung sein als weit verbreitete Meldepflichten für Transaktionen, die Analyse von Mustern kleiner Transaktionen oder andere Echtzeit-Überwachungsmöglichkeiten“, schreiben die Autor:innen des Papiers.

Peer-to-Peer-Zahlungen und Offline-Zahlungen könnten ebenfalls dazu beitragen, den Datenaustausch zu minimieren. Solche Zahlungen können von Zentralbanken und Intermediären – also Vermittlern zwischen den jeweiligen Akteuren – nicht ohne weiteres zurückverfolgt werden, sodass der Datenschutz aus Sicht der Berlin Group besser gewahrt werden kann. Ohnehin müssten bei Direktzahlungen weniger personenbezogene Daten erhoben und gespeichert werden.

Soziale Ausgrenzung vermeiden

Digitales Zentralbankgeld birgt aus Sicht der Berlin Group darüber hinaus die Gefahr, dass es Menschen mit geringen technischen Kenntnissen, ohne Internetzugang oder ohne Ausweispapiere ausschließt.

Sollte die Einführung einer CBDC dazu führen, dass Bargeld reduziert oder gar abgeschafft wird, hätte dies weitreichende Folgen für vulnerable Gruppen. Digitales Zentralbankgeld sollte daher so konzipiert sein, dass es jegliche Ausgrenzung verhindert – sei sie unbewusst oder durch staatliche Repression gezielt herbeigeführt.

Hier hat die EU-Kommission bereits im vergangenen Jahr einen entsprechenden Gesetzesvorschlag eingebracht. Er soll sicherstellen, dass Bargeld auch künftig in der gesamten Eurozone angenommen wird und zugänglich bleibt.

Bis der digitale Euro zum Einsatz kommt, wird es noch Jahre dauern. Noch fehlt sowohl eine gesetzliche Grundlage als auch ein klares Verständnis darüber, was der digitale Euro den Nutzer:innen überhaupt bringen soll. Seine Einführung, so mahnt die Berlin Group, darf aber nicht allein davon geleitet sein, bei einem technologischen Trend zu folgen – vor allem dann nicht, wenn dieser auf Kosten der Grundrechte geht.


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