Die 49. Kalenderwoche geht zu Ende. Wir haben 20 neue Texte mit insgesamt 617.523 Zeichen veröffentlicht. Willkommen zum netzpolitischen Wochenrückblick.
Liebe Leser*innen,
es gibt die Erzählung vom eher starken Datenschutz in der EU (dank DSGVO) und vom eher schwachen Datenschutz in den USA (mangels DSGVO). Da ist sicher auch etwas dran. Doch was diese Woche passiert ist, steht unter anderen Vorzeichen.
Die US-Bundesbehörde FTC (Federal Trade Commission) hat zwei Databroker auf eine Weise abgewatscht, die die EU ziemlich alt aussehen lässt. Im Mittelpunkt steht die Sammlung von Standortdaten, aus denen sich detaillierte Bewegungsprofile ableiten lassen. Diese maximal gruselige Praxis macht die Handys, die wir alle in der Tasche haben, zu Peilsendern. Wie gefährlich das ist, haben wir jüngst mit dem Bayerischen Rundfunk in den Databroker Files aufgedeckt.
Bei zumindest zwei Databrokern hat die FTC nun gesagt: Schluss damit! Die Überwachung von (leider nur) sensiblen Orten muss aufhören, darunter medizinische Einrichtungen, religiöse Organisationen, Schulen, Gefängnisse, Gewerkschaftsbüros, Orte für die LGBTQ+-Community und Militärstützpunkte. Ansonsten drohen empfindliche Geldstrafen.
Den Datenhahn abdrehen
So einen Move würde ich gerne auch in der EU sehen. Aber von den Datenschutzbehörden kommt wenig. Offenbar ist alles kompliziert und bürokratisch und überfordernd und nicht so einfach. Aber das muss nicht sein.
Würde man Tracking und Profilbildung zu Werbezwecken gleich ganz verbieten, dann hätte man auch weniger Probleme beim Vorgehen gegen Datenhandel. Denn dann wäre der Datenhahn einfach abgedreht. Diese Forderung stammt übrigens nicht vom Wunschzettel weltfremder Datenschutz-Träumer*innen, sondern unter anderem vom Verbraucherzentrale Bundesverband und dem Bundesministerium für Verbraucherschutz.
Tja.
Damit daraus etwas wird, braucht es – leider – immer noch mehr Momentum, mehr Recherchen, mehr Aufklärung. Auch deshalb arbeiten wir weiter zu den Databroker Files. Übrigens ganz intensiv diese Woche und in den nächsten Monaten. Und wir sagen: Finger weg von unserem Privatleben! (Hinter dem Link steckt ein pointierter Text; ihr könnt ihn Menschen schicken, die das Thema Datenschutz einfach nicht fühlen, vielleicht hilft er.)
Mein inzwischen täglicher Blick auf den Spendenbalken sagt: Uns fehlen noch gut 300.000 Euro, um unsere Arbeit nächstes Jahr fortzusetzen. Ufff.
Habt ihr schon gespendet? Wenn ja: vielen Dank. Ansonsten: Wir wären sehr dankbar, jeder Euro hilft! Denn wir haben noch so einiges vor, mit Databrokern und darüber hinaus.
Schönes Wochenende und bis zum nächsten Mal
Sebastian
Trugbild: Die unendliche Inszenierung
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„Toxischer Ort“: Zahlreiche prominente Accounts verlassen X
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Demnächst soll die Chatkontrolle wieder im EU-Rat verhandelt werden. Eines ist in jedem Fall klar: Dem Vorschlag der ungarischen Ratspräsidentschaft werden die Niederlande nicht zustimmen. Von Markus Reuter –
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BKA-Statistik zu digitaler Gewalt: Ein Bild mit Lücken
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Der Beirat des Digital Services Coordinators hat das zweite Mal getagt. Und obwohl die erste Sitzung nicht lange zurückliegt, haben sich schon einige Koordinaten verschoben. Zur Orientierung gibts jetzt eine Geschäftsordnung. Und die Mitglieder stellen sich auf raue Winde ein. Von Svea Windwehr –
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Millarden Datensätze abgegriffen: US-Behörde geht gegen Databroker vor
In den USA gehen Behörden streng gegen zwei Datenhändler vor. Die Entscheidung könnte weitreichende Folgen für die Branche und für den Schutz von US-Amerikaner:innen haben. Menschen in der EU hingegen bleiben aufgrund der Untätigkeit von Politik und Datenschutzbehörden weitgehend ungeschützt. Von Ingo Dachwitz –
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Gegen Multi-Cookie: Finger weg von unserem Privatleben
Die größten Unternehmen der Welt beuten im Netz unsere Privatsphäre aus, angeblich nur zu Werbezwecken. Doch über Databroker fließen intimste Daten an alle, die danach fragen. Dank Deiner Spende decken wir das auf – und kämpfen gegen werbebasierte Massenüberwachung. Von netzpolitik.org –
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Spotify Wrapped: Eine neonfarbene Ablenkung von der eigenen Schäbigkeit
Alle Jahre wieder kommt Spotify mit einem individualisierten Jahresrückblick um die Ecke. Alle Jahre wieder lassen sich Menschen dazu instrumentalisieren, damit kostenlos Werbung auf Social Media zu machen. Und alle Jahre wieder verhüllt die Marketingaktion erfolgreich, wie problematisch das Unternehmen ist. Ein Kommentar. Von Ben Bergleiter –
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Debatte zum Digital Networks Act: „Harmonisierung der Regeln, nicht der Märkte“
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Open Source: „Ohne läuft nichts“
Um Probleme wie die starke Herstellerabhängigkeit anzugehen, fördern Bund und Länder vereinzelt Open-Source-Projekte in der öffentlichen IT. Im Digitalausschuss erklärten neun Sachverständige, wie der Staat verstärkt auf Open Source setzen und welches Potenzial er noch heben kann. Dafür räumten sie mit dem Vorurteil auf, Open Source sei eine Ausnahme. Von Esther Menhard –
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Nach Elon Musk suchen nun auch Jeff Bezos und Mark Zuckerberg die Nähe zu Donald Trump. Ob sie den künftigen US-Präsidenten auch bei Massendeportationen unterstützen würden, beantworten US-Technologieunternehmen nicht. Von Martin Schwarzbeck –
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Breitbandausbau: Warten auf die 100 Prozent
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Digitale Identitäten: Faule Eier der Kommission
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Im Februar 2025 kommt die elektronische Patientenakte für alle, die ihr nicht widersprechen. Die Krankenkassen sind verpflichtet, ihre Versicherten darüber neutral zu informieren. Dieser Pflicht kommen sie in vielen Fällen nicht nach, wie der Verbraucherzentrale Bundesverband herausfand. Von Daniel Leisegang –
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Sie schützen Nutzende vor verstörenden Inhalten auf Facebook und Instagram – doch zu welchem Preis? Für Meta aktive Content-Moderator:innen berichten von niedrigen Löhnen, psychischen Strapazen und fehlender Unterstützung. In einem Brief, den wir hier veröffentlichen, fordern sie Hilfe von der EU. Von Ben Bergleiter –
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