Teil II: Der Präsident der Russischen Föderation im Interview
Zum Konflikt in der Ukraine
Ilya Doronov: Herr Präsident, vielen Dank.
Liegt es an mir oder haben Sie in Ihrer Rede wirklich kein einziges Mal die Ukraine erwähnt?
Wladimir Putin: Gehört dieses Land zum asiatisch-pazifischen Raum? Ich glaube nicht. Und hier auf dieser Konferenz diskutieren wir regionale Fragen, nachdem wir in den Fernen Osten Russlands gereist sind. Aber wenn Sie an irgendwelchen Entwicklungen in dieser Region interessiert sind, bin ich bereit, Ihre Fragen zu beantworten.
Ilya Doronov: Aber natürlich gibt die Situation Anlass zur Sorge, denn obwohl wir hier – ich habe es konkret ausgerechnet – etwa 7.000 Kilometer vom Kampfgebiet entfernt sind, sind die Auswirkungen dessen, was dort passiert, auch hier zu spüren, auch in Fernost.
Wladimir Putin: Ich verstehe!
Ilya Doronov: Man kann wahrscheinlich zwei Arten von Auswirkungen feststellen. In wirtschaftlicher Hinsicht haben wir gesehen, dass sich unsere gewohnte Lebensweise ändert, nachdem wir Bankensysteme, Autohersteller und andere Erzeuger hatten und jene Russland plötzlich verließen. Und darüber gibt es den menschlichen Aspekt, zumal Familien darüber gespalten sind, wenn Verwandte auf verschiedenen Seiten der Grenze aufhören miteinander zu reden – solche Dinge.
Ich habe eine Frage zu unserem Land – was haben wir Ihrer Meinung nach als Staat seit dem 24. Februar gewonnen und was verloren?
Wladimir Putin: Ich denke – ich bin mir sicher – dass wir nichts verloren haben und auch nichts verlieren werden. Zu unseren Errungenschaften kann ich sagen, dass wir in erster Linie unsere Souveränität gestärkt haben, was die unvermeidliche Folge dessen ist, was gerade geschieht.
Tatsächlich findet eine gewisse Polarisierung statt – sowohl draussen in der Welt als auch innerhalb Russlands. Ich glaube, das wird uns, wenn überhaupt nur zugutekommen, weil wir alles Unnötige oder Schädliche und alles, was unseren Fortschritt behindert, loswerden. Wir werden Fahrt aufnehmen, das Entwicklungstempo beschleunigen, denn moderne Entwicklung kann nur auf Souveränität beruhen. Alle unsere Schritte in diese Richtung zielen darauf ab, unsere Souveränität zu stärken. Das ist der erste Punkt.
Zweitens und am wichtigsten – ich möchte dies noch einmal betonen, obwohl es bereits erwähnt wurde, sehe ich es, und möchte betonen, dass dies ein absolut richtiger Punkt ist: Wir haben nichts in Bezug auf Feindseligkeiten begonnen; wir versuchen nur, sie zu beenden.
Tatsächlich begannen die Feindseligkeiten im Jahr 2014 nach dem Putsch in der Ukraine, der von Leuten durchgeführt wurde, die keine normale friedliche Entwicklung wollten und die versuchten, ihr eigenes Volk zu unterdrücken, indem sie eine Militäroperation nach der anderen starteten und die im Donbass lebenden Menschen über acht Jahre einem Völkermord aussetzten.
Nach wiederholten Anstrengungen das Problem friedlich zu lösen traf Russland diese Entscheidung, nachdem wir die Aktionen unseres potenziellen Gegners spiegelten unter Einsatz von militärischer Gewalt. Wir haben dies wissentlich getan, und alle unsere Aktionen zielen darauf ab, den Menschen zu helfen, die im Donbass leben. Das ist unsere Pflicht, und wir werden sie bis zum Ende erfüllen. Letztlich stärkt dies unser Land – von innen her und vom aussenpolitischen Standpunkt.
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Zu den Besonderheiten westlicher Sanktionspolitik
Ilya Doronov: Herr Präsident, gerade hat der Premierminister von Myanmar in seiner Rede davon gesprochen, sowohl Land- als auch Seerouten ausfindig zu machen. Myanmar ist sehr daran interessiert, unsere Düngemittel zu importieren. Aber ich möchte Sie nach dem Getreideabkommen befragen, das diesen Sommer ausgehandelt wurde.
Es sieht so aus, als hätten wir eine Einigung mit gewissen Zugeständnissen, erzielt und jetzt stellt sich heraus, dass wir erstens kein Getreide selbst exportieren dürfen und zweitens nur zwei Schiffe mit Getreide es tatsächlich nach Afrika geschafft haben. Unser Ständiger Vertreter bei den Vereinten Nationen sagte heute, dass Russland sogar erwägen könnte, sich aus dem Abkommen zurückzuziehen. Der Deal soll im November enden.
Wladimir Putin: Was meinen Sie mit dem Deal?
Ilya Doronov: Das Getreideabkommen, die Vereinbarung mit der Ukraine, die in Turkiye über Getreideexporte erzielt wurde.
Wladimir Putin: Offiziell wurden die Sanktionen für unsere Düngemittel und Lebensmittel aufgehoben, aber in Wirklichkeit bleiben bestimmte Einschränkungen bestehen. Dies ist eine komplizierte und hinterfotzige Situation. Es scheint, dass es keine direkten Sanktionen für unsere Produkte gibt, aber es gibt Einschränkungen in Bezug auf Logistik, Schiffs-Charter, Geldtransfers und Versicherungen. Viele dieser Beschränkungen bestehen fort, obwohl den Bemühungen des UN-Generalsekretärs und der Vereinten Nationen im Allgemeinen Anerkennung gezollt werden sollte: Wenn es um das Chartern von Schiffen geht, wurden viele Beschränkungen aufgehoben, trotz der Sanktionen, die gegen die Häfen verhängt wurden, aus denen wir Frachten verschiffen. Dennoch wurde dieser Sektor von den Restriktionen befreit und die Schiffe können bereits unsere Häfen anlaufen. Die Lage verbessert sich also.
Doch gibt es immer noch bestimmte Einschränkungen, die uns daran hindern, sicherzustellen, dass die Interessen aller Verbraucher auf den globalen Märkten für Lebensmittel erfüllt würden. In Folge steigen die Preise auf den Weltmärkten. Jedoch hoffen wir, dass die verbleibenden Beschränkungen aufgehoben werden. Dies ist der erste Punkt.
Zweitens: Sie erinnern sich vielleicht an meine Treffen mit unseren Freunden in Afrika und afrikanischen Organisationen. Wie ich in meiner Rede erwähnte, haben wir versprochen, alles in unserer Macht Stehende zu tun, um den Interessen der Entwicklungsländer zu dienen – insbesondere durch die Sicherstellung der Versorgung ihrer Märkte, einschließlich der Versorgung mit ukrainischem Getreide. Als wir darüber diskutierten, war dies das Verständnis.
Was wir herausfanden, ist eine noch dreistere Täuschung. Doch sie haben nicht uns getäuscht: Sie haben die internationale Gemeinschaft, ihre Partner in Afrika und andere Länder, die dringend Lebensmittel benötigten, getäuscht. Es ist ein Betrugsschwindel, Unverfrorenheit und infames Vorgehen gegenüber den Partnern, denen das Geschäft zugutekommen sollte. Es war ein Reinleger, nicht wahr?
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Zur multipolaren Weltordnung
Ilya Doronov: Herr Präsident, es gibt eine Frage nach der Rede von Herrn Pashinyan. Er sagte, jeder wolle Frieden, aber jeder habe seine eigenen Vorstellungen von der Welt und seine eigenen Vorstellungen von Multipolarität. Das ist das besondere Thema unseres Forums. Was ist Russlands Vorstellung von der Welt und Multipolarität?
Wladimir Putin: Das haben wir schon oft dargelegt, und ich kann es bekräftigen. Unsere Vorstellung von Multipolarität und der Welt ist, dass die Welt viel gerechter sein und die Welt nicht auf dem Diktat eines Landes beruhen sollte, welches sich als Repräsentant Gottes auf Erden, und vielleicht noch darüber, versteht und all seine Politik von seiner angeblichen Aussergewöhnlichkeit ableitet.
Wir müssen die Interessen anderer Länder respektieren und sie gleichbehandeln, unabhängig von der Größe ihres Territoriums, ihres BIP oder ob ihre Armee über moderne Waffen verfügt. Die Grundlagen müssen die Grundsätze des Völkerrechts sein und nicht irgendwelche Regeln, die sich irgendwer ausdenkt.
So erreicht man Gerechtigkeit, so erzielt man eine stabile Weltordnung. Dies ist und wird immer unserer Grundlage bleiben, und wir werden für unsere Souveränität kämpfen. Lassen Sie niemanden daran zweifeln, dass wir bereit sind, unter diesen Bedingungen mit jedem Staat zusammenzuarbeiten, der dies wünscht, und wir dies so tun werden. Ich glaube, dass am Ende sich alles in eine solche Richtung entwickeln und alles wieder zur Normalität zurückkehren wird.
Zu Fragen des Völkerrechts und Rechts auf Selbstbestimmung
Ilya Doronov: Wenn ich das jetzt klarstellen darf: Sie sagten, dass jeder alles frei wählen könne und internationales Recht wertvoll sei. Warum gelingt es uns dann nicht, gewisse Probleme friedlich zu lösen?
Wladimir Putin: Weil internationales Recht immer verletzt wird. Heute sagen viele, Russland verstoße gegen das Völkerrecht. Ich glaube, dass dies in keiner Weise der Realität entspricht.
Wer hat den Krieg im Irak ohne Erlaubnis der Vereinten Nationen begonnen? Wer hat Jugoslawien unter fadenscheinigen Vorwänden zerstört? Wer war das? Wer hat mit der Bombardierung von Belgrad einen Krieg im Zentrum Europas entfesselt? Niemand wollte sich damals an die Grundsätze des Völkerrechts erinnern.
Ich werde eine einfache, auf das Völkerrecht bezogene Argumentation vortragen, um die Gültigkeit unserer Handlungen zu beweisen:
Die UN-Charta enthält eine Bestimmung über das Recht der Nationen auf Selbstbestimmung. Während der Kosovo-Krise entschied der Internationale Gerichtshof, dass, wenn ein Teil eines Territoriums – ein Teil eines Landes die Unabhängigkeit erklärt, er die Zentralregierung dieses Landes nicht um Erlaubnis fragen muss. Dies war der Fall mit dem Kosovo.
Ist die Situation mit der Republik Donezk und der Republik Lugansk nicht das Gleiche? Es ist das Gleiche. Da sie dieses Recht haben – und sie haben es gemäß der UN-Charta und dem Recht auf Selbstbestimmung – haben sie davon Gebrauch gemacht und ihre Unabhängigkeit erklärt. Haben sie dieses Recht nach internationalem Recht und UN-Charta? Das haben sie, und dieses Recht wird durch das entsprechende Urteil des UN-Gerichtshofs in Bezug auf den Kosovo bestätigt. Es ist ein Präzedenzfall.
Wenn sie dieses Recht haben, das sie anwandten, haben wir oder irgendein anderes Land dann das Recht sie anzuerkennen? Wir haben es. Also haben wir sie erkannt. Wenn wir sie anerkennen, können wir mit ihnen einen internationalen Vertrag über Freundschaft, Zusammenarbeit und gegenseitigen Beistand abschließen? Natürlich können wir das. Und wir haben es getan. Dieser Vertrag wurde vom Parlament der Russischen Föderation und ihren jeweiligen Parlamenten ratifiziert, und Russland hat darin bestimmte Verpflichtungen, wie zum Beispiel ihnen Hilfe, auch im Falle einer Aggression, zukommen zu lassen.
In diesem Fall kam die Aggression vom Kiewer Regime, das eigentlich illegitim ist, weil es auf einem Putsch beruht, der heute die ultimative Quelle der Macht in der Ukraine darstellt.
Das ist es, was wir machen. Ist das mit der UN-Charta vereinbar? Es ist. Es gibt Artikel 51 der UN-Charta, der Verteidigung und Selbstverteidigung abdeckt. Als Vertragspartei dieses Vertrags und in Übereinstimmung mit dieser Klausel und diesem Artikel der UN-Charta sind wir verpflichtet, unseren Verbündeten Hilfe zu leisten. Das tun wir.
Hier ist eine einfache Argumentation, die vollständig mit dem Völkerrecht übereinstimmt. Das ist alles, was dazu gehört. War die Situation beispielsweise im Irak dieselbe? Sie bombardierten dieses Land und zerschmetterten es. Dasselbe geschah in Libyen, das ebenfalls zertrümmert wurde. Wo blieb da das Völkerrecht? Es war dort nirgendwo zu sehen.
Jeder, der solches tat, ist sich voll und ganz bewusst, dass dies nicht mit internationalem Recht vereinbar ist. Deshalb sprechen sie immer wieder von einigen weit hergeholten Regeln. Welche Regeln? Was haben sie sich ausgedacht? Von wo haben sie diese Regeln hervorgeholt? Sollen Sie doch selbst nach diesen Regeln leben.
Ilya Doronov: Vielen Dank.
Zu Fragen geänderter Energieversorgung
Ilya Doronov: Herr Präsident, zumal wir über Themen mit Bezug zu Gas diskutieren, geht es nach den letzten Nachrichten um ein Deckeln für Gas- und Ölpreise, was von den G7 oder der EU verabschiedet werden soll. Wie denken Sie darüber, und was werden wir in dieser Hinsicht tun?
Falls die westliche Richtung geschlossen bliebe, wird der Ferne Osten dann in der Lage sein, alle unsere Bedürfnisse zu befriedigen, und werden wir in der Lage sein, alle unsere Ressourcenexporte nach Osten umzulenken?
Wladimir Putin: Zunächst einmal sollten unsere Energieressourcen genutzt werden, um unser Land voranzubringen. Dazu gehören alle Primärenergieträger und alle Bodenschätze. Aber wir haben diese in Hülle und Fülle und können die wachsende Nachfrage aller erfüllen, die bereit sind, mit uns zusammenzuarbeiten. Das ist eine gute und lukrative Zusammenarbeit für unsere Partner und sehr vorteilhaft, auch für die europäischen Länder, denn unser Gas via Pipelines ist um viele Größenordnungen wettbewerbsfähiger als das verflüssigte Erdgas, das über den Ozean gebracht würde. Das ist eindeutig so.
Durch die jahrzehntelange Nutzung von Erdgas aus der Russischen Föderation hatten die führenden europäischen Volkswirtschaften eindeutig Vorteile globaler Tragweite. Wenn sie glauben, diese Vorteile nicht nutzen zu wollen, ist das ok für uns und stört uns nicht in geringster Weise, denn der Energiebedarf weltweit bleibt hoch. Es geht nicht nur um unsere Freunde aus der Volksrepublik China, deren Wirtschaft schnell wächst und wie ich sagte und jeder weltweit sehr wohl weiß, dass der Energiebedarf weiter steigt. Wir sind bereit, mit jedem Land zusammenzuarbeiten. Es gibt viele solcher Länder rund um die Erde.
Natürlich galt der europäische Markt schon immer als erstklassiger Markt, aber die internationale Situation hat sich schnell verändert und hat jüngst mit dem Ausbruch der Ukraine-Krise seinen erstklassigen Status verloren. Sogar die US-Partner der Europäer haben ihre LNG-Tanker in asiatische Länder umgeleitet.
Ilya Doronov: Weil es dort mit einem Aufschlag verkauft werden kann.
Wladimir Putin: Inklusive nach China. Nur weil sie es dort für mehr Geld verkaufen können, so einfach ist das. Amerikaner sind sehr pragmatische Leute.
Sie führten einen Krieg gegen eines unserer LNG-Projekte in der Arktis – und ich werde nicht auf die Führungskräfte dieses Unternehmens eingehen – aber der erste Tanker, der LNG aus diesem Feld und dieser Förderung abtransportierte, fuhr in die Vereinigten Staaten, weil es ein profitabler Handel war.
Als Herr Leonid Michelson (CEO der russischen Gaskonzerns Novatek) mir diese Begebenheit erzählte, war meine erste Reaktion Ungläubigkeit. Ich sagte: „Komm schon, das doch kann nicht wahr sein?“ Doch er sagte, es sei wahr. Ich fragte ihn warum und die Antwort war, weil es ein gutes Geschäft war und sie schlugen sofort ein. Sie sind pragmatische Leute, und wir können in dieser Hinsicht von ihnen lernen.
Was unsere Ressourcen angeht – wissen Sie – ist die Nachfrage auf den Weltmärkten so hoch, dass wir kein Problem haben, sie zu verkaufen, insbesondere wenn wir es mit einer so großen Wirtschaft, wie mit China zu tun haben. In der Tat ist China heute nach Kaufkraftparität die größte Volkswirtschaft der Welt. Die chinesische Wirtschaft ist größer als die amerikanische. Ihr Bedarf ist am steigen, wir haben stabile Vereinbarungen und unsere Beziehungen haben beispiellose Höhen erreicht: Die „Power of Siberia (Kraft von Sibirien)“ Pipeline (Sila Sibiri) arbeitet auf Hochtouren.
Wir studieren auch andere Routen. Übrigens gibt es eine mögliche Route über das Primorje-Territorium oder über die Mongolei. Solche Entscheidungen werden nicht über Nacht getroffen, weil nicht jeder will es – viele wollen es, aber es hängt stark von den wirtschaftlichen und geologischen Bedingungen ab. Soweit ich weiß, haben sich die Wirtschaftsunternehmer geeinigt. Alle meinen, dass eine der Routen durch das mongolische Territorium gehen sollte.
Die Mongolei ist ein freundliches Land. Es ist politisch stabil, und wir sehen hier keine Probleme. Soweit ich weiß, obwohl wir Herrn Miller (Alexei Miller, CEO von Gazprom) später noch fragen können, hat man im Allgemeinen alle Parameter dieses Geschäfts genehmigt. Sie einigten sich sogar mit unseren chinesischen Freunden auf Preisparameter, was nie so ganz einfach ist. Unsere chinesischen Freunde sind harte Verhandler. Natürlich gehen sie bei jedem Deal von ihren nationalen Interessen aus, und das ist der einzige Weg. Aber sie sind stabile und verlässliche Partner und der Markt ist riesig.
Aber es steckt noch mehr dahinter. Wir werden uns auch mit Flüssiggas und dem Verkauf von LNG auf der ganzen Welt befassen. Wie Sie sehen, habe ich bereits ein Beispiel für den ersten arktischen LNG-1-Tanker genannt – aus einer Lagerstätte in der Arktis natürlich. Jeder kauft es. Man wird es kaufen, es wird für sie rentabel sein. Also wir haben überhaupt keine Probleme. Wenn die europäischen Länder darauf verzichten und ihre Wettbewerbsvorteile aufgeben wollten, ist das deren Sache. Lass sie dies machen.
Ilya Doronov: Würden uns Preisobergrenzen für Gas schwer treffen?
Wladimir Putin: Nun, das ist nur eine weitere Dummheit – noch eine nicht marktwirtschaftliche Entscheidung ohne Perspektive. Alle administrativen Restriktionen im Welthandel führen nur zu Disproportionen und Preissprüngen. Was jetzt auf den europäischen Märkten passiert, ist das Ergebnis vollbracht von europäischen Spezialisten und der Europäischen Kommission. Wir haben immer darauf gepocht, dass die Preise auf Grundlage langfristiger Verträge basiert und an dieselbe Marktkategorie gebunden würden, wie die Preise für Öl und Ölprodukte, an denselben Warenkorb. Die Preise für Öl und Ölprodukte werden vom Markt gebildet und der Gaspreis gemäss langfristigen Verträgen ist an diesen Preis gekoppelt. Wieso das? Weil die Förderung große Investitionen erfordert und diejenigen, die in die Produktion investieren, wollen sicher gehen, dass das Produkt verkauft würde. Deshalb ist Gazprom generell an langfristigen Verträgen interessiert.
Sie (die EU-Europäer) sagten uns immer wieder: „Nein, das ist nicht marktbasiert… “ und wir sollten die Preise vom Spotmarkt als Benchmark verwenden. Wir haben versucht, sie umzustimmen – ich persönlich habe das in Brüssel getan. Ich sagte: „Tun Sie das nicht, denn der Erdgashandel ist ein besonderes Segment des Weltmarktes. Diejenigen, die es produzieren und verkaufen, und diejenigen, die es kaufen, müssen darauf vertrauen können, dass ihre Beziehung zuverlässig ist.“ „Nein“, sagten sie, weil sie glaubten, der damalige Preis wäre zu hoch gelegen. Hundert Dollar für 1.000 Kubikmeter schien ihnen damals ein extrem hoher Preis zu sein und später sagten sie dasselbe über den Preis von 300 Dollar. Dort lagen die Preise damals. Heute, mal sehen, hat der Preis 3.000 Euro überschritten. Wir sagten immer wieder: „Machen Sie das nicht!“ Dennoch haben sie ihre Unternehmen praktisch dazu gezwungen, sich für eine Bindung an die Spot zu entscheiden, und haben uns dasselbe auferlegt bzw. aufgezwungen!
Wir haben das nicht gefordert – die Europäer haben es uns aufgezwungen. Zuerst haben sie diese wirklich idiotischen Entscheidungen in Bezug auf den Gashandel durchgesetzt, und nachdem sie gesehen haben, was jetzt passiert, haben sie angefangen, darüber nachzudenken, wie sie da rauskommen. Also, wie? Sie wollen den Preis begrenzen und greifen auf administrative Maßnahmen zurück. Noch mehr an Absurdität und Unsinn, was die Preise auf den Weltmärkten, einschließlich des europäischen Marktes, in die Höhe schiessen lassen würde. Mit administrativen Maßnahmen ist in Wirtschaft und Welthandel nichts zu erreichen.
Ilya Doronov: Haben wir die Nord Stream 2‑Pipeline ohne Grund gebaut?
Wladimir Putin: Nein, wir bauen nichts ohne Grund. Wir haben die nötige Technik bekommen und unsere Arbeit ordentlich erledigt. Bei Bedarf nehmen wir Nord Stream 2 in Betrieb. Falls dieses Thema für Sie von Interesse wäre, kann ich noch ausführlicher darauf eingehen, aber ich würde es vorziehen, keine Zeit darauf zu verschwenden.
Ilya Doronov: Nein – Sie haben viel zu diesem Thema gesagt, Sie sagten, wir seien bereit und die Pipeline sei gebaut.
Wladimir Putin: Nord Stream 1 ist praktisch geschlossen, und alle sagen: „Russland setzt dies jetzt als Energiewaffe ein.“ Noch mehr Unsinn und Quatsch. Welche Waffe benutzen wir? Wir liefern so viel Gas, wie unsere Partner benötigen, so viel, wie sie bestellten. Wir pumpen kein Gas in die Luft, sondern liefern die bestellte Menge. Wir führen die Bestellungen aus, die wir erhalten.
Was ist passiert? Der Betrieb einer der beiden quer durch die Ukraine verlaufenden Gaspipelines wurde von der Ukraine aus erfundenen Gründen eingestellt, indem sie behaupten, es gebe keine Kontrolle darüber. Sie haben sie selbst still gelegt. Nicht wir haben sie abgeschaltet, die Ukraine hat es getan. Das ist mein erster Punkt.
Eine weitere Pipeline, Jamal–Europa, verläuft durch Polen. Polen verhängte Sanktionen gegen diese Gaspipeline und stellte ihren Betrieb ein. Waren wir es, die das getan haben? Nein, die Polen haben es getan. Die Ukrainer haben es getan und die Polen.
In Bezug auf Nord Stream 1 haben sich unsere deutschen Partner darauf verständigt, dass alle technischen Aspekte von Nord Stream 1, einschließlich der Wartung von Gaspump-Turbineneinheiten, britischem Recht unterliegen sollen. Das war mir erst selbst nicht bekannt und ich habe es erst über Herrn Miller erfahren: Gazprom musste einen Vertrag über die Wartung dieser von Siemens hergestellten Einheiten nicht mit der Siemens-Zentrale, sondern mit ihrer in Großbritannien ansässigen Tochtergesellschaft unterzeichnen, die Gazprom mit Sanktionen belegte, und sich bereit erklärten, die Turbinen in einem Siemens-Werk in Kanada reparieren zu lassen.
Was haben wir mit all dem zu tun? Kanada nahm den Auftrag schließlich an, gab aber zahlreichen Anfragen aus Deutschland nach und gab es an Deutschland weiter, während die Turbinen gemäß der Vereinbarung mit der Siemens-Tochter in Großbritannien direkt nach St. Petersburg verschifft werden sollten. Logistikvereinbarungen hatten sich geändert und der Vertrag müsste überarbeitet werden. Doch die britische Siemens-Tochter antwortet nicht einmal auf Anfragen von Gazprom.
Sie können so viele Fotos mit der Turbine machen, wie Sie möchten, aber geben Sie uns die Dokumente – es ist zum Schreien. Es ist unser Eigentum. Wir müssen den rechtlichen Status dieses Gegenstands und seinen technischen Zustand in Erfahrung bringen. Sie geben uns nichts ausser Geschwätz.
Die letzte Turbine ist jetzt außer Betrieb, also kamen Siemens-Vertreter, um sich das anzusehen. Es gibt ein Ölleck, das eine Explosions- und Brandgefahr darstellt. Es gibt keine Möglichkeit, die Turbine in ihrem derzeitigen Zustand im Betrieb zu belassen. Gäben Sie uns die Turbinen, und wir würden Nord Stream 1 über Nacht in Betrieb setzen. Sie geben uns nichts. Sie sagen, wir hätten eine Waffe daraus gemacht. Worüber reden sie? Sie haben selbst alles vermasselt und sind sich jetzt nicht sicher, was sie dagegen machen sollen. Sie manövrierten sich selbst in die Sackgasse ihrer Sanktionen.
Es gibt nur einen Ausweg. Die Menschen in Deutschland machten eine Kundgebung, um Nord Stream 2 in Betrieb zu setzen. Wir unterstützen die Forderungen der deutschen Verbraucher und sind bereit, dies bereits morgen zu tun. Wir müssen nur auf den Knopf drücken, aber wir sind nicht diejenigen, die Nord Stream 2 mit Sanktionen belegt hatten. Dies geschah auf Druck der Vereinigten Staaten. Warum üben sie Druck aus? Weil sie ihr Gas zu einem stattlichen Preis verkaufen möchten. Wir kennen auch die Position der ehemaligen US-Regierung. Sie sagten: „Ja, wir verkaufen zu einem höheren Preis, aber Sie sollen unser Gas kaufen, weil wir ihnen Schutz bieten.“ Lassen wir sie eben kaufen, falls sie sich so entscheiden wollten. Wir werden unsere Produkte verkaufen.
Ilya Doronov: Da wir über Großbritannien sprachen, habe ich eine Anschlussfrage an Sie. Liz Truss ist die neue Premierministerin und Nachfolgerin von Boris Johnson. Welche Erwartungen haben Sie an den neuen Ministerpräsidenten? Habe ich recht mit der Annahme, dass es keine Hoffnung auf eine Verbesserung unserer Beziehungen gibt, nach all dem, was sie zu sagen hatte?
Wladimir Putin: Beachten Sie, dass das britische Verfahren zur Wahl des Staatsoberhauptes weit entfernt von den Grundsätzen einer Demokratie ist. Es ist auf die Partei beschränkt, die die vorangegangene Parlamentswahl gewonnen hat. Die Menschen in Großbritannien haben beim Regierungswechsel kein Mitspracherecht. Die herrschende Elite hält sich an ihre Regeln. Wir wissen, wie die Tories zu diesen Fragen stehen, auch in Bezug auf Russland. Es liegt an ihnen zu entscheiden, wie sie die Beziehungen zur Russischen Föderation gestalten mögen. Unsere Aufgabe ist es, unsere Interessen zu vertreten. Das werden wir konsequent tun, daran besteht kein Zweifel.
Ilya Doronov: Vielen Dank.
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Zur wachsenden Bedeutung der Geschäfte in Richtung Fernost
Ilya Doronov: Herr Präsident, wir haben gerade gehört, dass wir Grenzübergänge öffnen, eine Eisenbahnbrücke in Betrieb nehmen, aber wir stiessen buchstäblich auf Engpässe. Sie haben im September vergangenen Jahres eingeräumt, dass das Land einen Vorteil vergab, weil es die BAM (Baikal Amur Haupteisenbahnlinie) und Transib (Transsibirische Eisenbahn) nicht rechtzeitig modernisiert hat. Zehn Monate sind vergangen, und Herr Yury Trutnev (Vize Premier Minister & Gesandter für den Fernost Distrikt Russlands) sagt, dass die nationale Wirtschaft dieses Jahr 1,5 Billionen Rubel aufgrund von Engpässen im östlichen Betriebsbereich verlieren würde. Können wir uns solche Kosten jetzt leisten? Wann wird sich die Situation ändern?
Wladimir Putin: Das ist nichts, was wir verloren haben. Das haben wir aufgrund dieser Engpässe verabsäumt zu verdienen. Das hätte man natürlich früher machen müssen. Und die damit verbundenen Entscheidungen wurden zum Teil während meiner Reise nach Kusbass (Kusnezker Becken, Sibirien) getroffen. Daran erinnere ich mich sehr gut. Aber damals setzte sich ein anderer Ansatz durch, der besagte, dass es wenig Hoffnung auf große Frachtzuwächse, hauptsächlich Kohle, nach Osten gäbe. Jetzt sehen wir, dass diese Position falsch lag. Aber daran ist nichts Katastrophales – das Verkehrsaufkommen nimmt zu. Es wächst in Richtung Osten und wird weiterwachsen. Unsere Pläne zum Kapazitätsausbau des östlichen Einsatzdistrikts – BAM und Transsib – setzen wir bereits um und werden es weiter umsetzen, und zwar nicht nur durch die Verbesserung des Dispositionssystems, sondern auch durch die Erweiterung der Durchsatzkapazität. Unser Ziel für die nächsten Jahre ist es, die Kapazität um rund 40 Millionen Tonnen zu erhöhen. Ich bin mir sicher, dass dies erreicht wird.
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Ilya Doronov: Jetzt werde ich meinen Assistenten bitten, die Ergebnisse einer Umfrage am Bildschirm einzublenden. Wir haben diese Umfrage selbst – via RBC TV – unter unseren Zusehern und RSPP-Mitgliedern – dem Russischen Verband der Industriellen und Unternehmer – gemacht. Die Ergebnisse von RSPP stehen links und die unserer Zuseher rechts daneben.
Die Hauptfrage lautete: «Wie sind Ihre Erwartungen in Bezug auf die wirtschaftliche Entwicklung bis Jahresende?»
Wir haben dazu drei Zusatz-Fragen gestellt:
- „Die Wirtschaft wird sich weiter erholen?“ RSPP: 42% sagten, ja.
- „Die Wirtschaft wird sich weiter verschlechtern?“ RSPP: 30 % sagten, ja.
- „Schwer zu sagen?“: RSSP: 28% sagten, ja.
Unsere Leser zeigten ein anderes Bild:
62% der Zuseher meinten, dass die Wirtschaft weiter schrumpfen würde, 25%, dass es nach oben ginge und 13% wüssten es nicht.
Ich persönlich habe Bekannte befragt, die in verschiedenen Gegenden des Fernen Ostens leben und sagten: „Preiserhöhungen sind unser größtes Problem!“
Herr Präsident, glauben Sie, dass wir den Tiefpunkt erreicht haben oder noch weiter absinken könnten, oder befinden wir uns im Gegenteil auf dem Weg einer Erholung? Wie kritisch ist die Inflation für uns und das Land?
Wladimir Putin: Preiserhöhungen sind immer eine gewisse Bedrohung. Die Inflation wirkt sich natürlich nachteilig auf unsere Bürger, ihr reales Einkommen und ihren Lebensstandard aus. Sie wirkt sich auch negativ auf die Wirtschaft aus, indem sie die makroökonomische Stabilität erschüttert.
Ich möchte jedoch betonen, wie ich schon in meiner Rede versuchte, darüber zu sprechen: Wir glauben – sowohl die Regierung als auch das Präsidialamt und auch unsere Experten –, dass wir den Höhepunkt der sehr komplizierten Situation überwunden haben, und sich die Lage normalisiert, was sich an den makroökonomischen Indikatoren ablesen lässt. Einige davon habe ich erwähnt.
Erstens sinkt die Inflation. Sie wird eine jährliche Rate von 12 Prozent mit einer Abwärtstendenz bis etwa 5 bis 6 Prozent erreichen, vielleicht sogar das geplante Ziel von 4 Prozent bis zum Ende des ersten Quartals. Ich hoffe, dass wir das im zweiten Quartal sehen werden. Wir haben einen Rekord mit einem Tiefstand der Arbeitslosigkeit von 3,9 Prozent – ein wichtiger Indikator für die wirtschaftliche Lage des Landes. In den entwickelten Volkswirtschaften liegt dieser viel höher.
Unsere Staatsfinanzen haben sich stabilisiert. Ich möchte betonen, dass der diesjährige Haushalt mit einem Überschuss von fast einer halben Billion Rubel, etwa 485 Milliarden, abschliessen wird.
Ilya Doronov: Das widerspricht allen düsteren Prognosen, oder?
Wladimir Putin: Trotz der düsteren Prognosen.
Es mag geplant gewesen sein oder nicht, aber es gab Vorhersagen, dass wir einen starken Rückgang der Wirtschaft und des BIP erleben würden. Es wird zwar einen Rückgang geben, aber er wird unbedeutend sein, etwa 2 oder etwas mehr als 2 Prozent. Ich denke also, dass es der Regierung gelungen ist, diese negativen Entwicklungen durch effektive, energische und sorgfältig bemessene Schritte entgegenzuwirken. Auch die konsolidierten Haushalte der Teilstaaten der Russischen Föderation werden sehr positiv ausfallen, ich erwarte einen Überschuss von 1,5 Billionen Rubel.
Wir implementieren alle unsere Programme, alle Entwicklungsprogramme. Darüber hinaus werden die Ausgaben des Bundeshaushalts in diesem Jahr die des Vorjahres um 20 Prozent übertreffen. Dies zeigt, dass wir alle Bereiche unterstützen, die wir zuvor als Prioritäten festgelegt hatten. Dies wirkt sich sicherlich auf die gesamte russische Wirtschaft aus.
Ich gehe also wirklich davon aus, dass diese Trends und Indikatoren, einschließlich der Preise, sich demgemäss fortsetzen werden. Auf jeden Fall werden wir alles tun, um sie einzudämmen, und wir werden die Inflation kontrollieren.
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Über den Bumerang Effekt und eingefrorenen Wolfsschwanz
Ilya Doronov: Kann man überhaupt nur mit Begriffen wie „profitabel“ oder „unrentabel“ operieren, wenn wir über Fernost sprechen?
Wladimir Putin: Wissen Sie, aus der Perspektive des Staates und seiner zugrunde liegenden Handlungslogik müssen wir uns in erster Linie von den strategischen Zielen der Entwicklung des Territoriums, der Verhinderung der Entvölkerung und der Schaffung günstiger Lebensbedingungen leiten lassen. Daher unsere Unterstützungsmaßnahmen. Ich kann sie später durchgehen, wenn es Fragen gibt.
Worauf reagieren Unternehmen? Unternehmen reagieren auf wirtschaftliche Entwicklungen. Sie haben mich nach Gas und unseren Beziehungen zu den europäischen Verbrauchern gefragt. Polen ging voran und verhängte Sanktionen gegen Jamal-Europa und beendete damit seine Operation. Wurde es aus politischen Gründen getan? Ja, aber nicht nur das.
Es stellte sich heraus, dass die Polen bei uns Gas zu höheren Preisen kauften als die Deutschen. Sie schlossen die Jamal-Europa-Gaspipeline und begannen, unser Gas in umgekehrter Richtung aus Deutschland zu etwas niedrigeren Preisen zu kaufen, als sie Gazprom zahlten. Die Deutschen bekamen das Gas am billigsten, verkaufen es aber gegen einen geringen Aufschlag an die Polen weiter. Das ist alles, und darum geht es in dieser Entscheidung.
Um ehrlich zu sein, haben die betreffenden Unternehmen ihre eigenen Verbraucher getroffen, als sie ihre pragmatischen Interessen verfolgten. Wieso denn? Denn, unsere Gaslieferungen nach Europa gingen zurück, die Preise schossen sofort in die Höhe, und alles war wieder verloren. Sehen Sie? Und das passiert überall, wo man hinschaut. Aber in der Wirtschaft führt kein Weg daran vorbei. Man kann nicht objektive Wirtschaftsgesetze brechen und damit durchkommen. Es kommt auf Sie zurück im Bumerang-Effekt.
Sie haben Abnehmer erwähnt, die Möglichkeiten andachten, um die Preise für unser Öl und Gas zu begrenzen, was absolut einfältig wäre. Würde man dies versuchen umzusetzen, würde es den Entscheidern nichts Gutes bringen.
Denn, es bestehen vertragliche Verpflichtungen und Lieferverträge. Würde es politische Entscheidungen geben, die gegen Vertragsklauseln verstoßen? Wir würden sie ignorieren und Lieferungen einstellen, wenn diese Entscheidungen nicht mit unseren Interessen, in diesem Fall unseren wirtschaftlichen Interessen, vereinbar sind. Wir würden dann die Lieferung von Gas, Öl, Kohle oder Heizöl einstellen, alle unsere Lieferungen einstellen gemäss unseren vertraglichen Verpflichtungen. Vor allem die Leute, die versuchen, uns Dinge aufzuzwingen, werden nicht in der Lage sein, uns ihren Willen aufzuzwingen. Lassen wir sie zur Besinnung kommen. So funktioniert die Wirtschaft, inklusive Binnenwirtschaft.
In Anlehnung an diejenigen, über die wir zuvor gesprochen haben, würden wir nichts außerhalb von Verträgen liefern. Wir werden nichts tun, was sie uns aufzuzwingen versuchen. Stattdessen sitzen wir einfach da und sagen eine berühmte Zeile aus einem russischen Märchen: „Friere, friere, Wolfsschwanz.“ Anmerkung der Redaktion: Es geht in diesem Märchen um einen schlauen Fuchs (hier: Russland), der einen dummen Wolf (hier: EU) stets überlistet, sodass dieser verzweifelt. Schliesslich überredet der Fuchs den Wolf, dass er im Winter mit seinem Schwanz durch Eisloch Fische fangen könnte. Nachdem der Wolf seinen Schwanz in das Eisloch steckte, sagt der Fuchs: „Friere, friere, Wolfsschwanz“. Der Schwanz des Wolfs friert fest, während der Fuchs davonläuft.
Übrigens haben sie mehr als eine Option. Wir sehen, was dort passiert. Sie können entweder hohe Preise subventionieren, was ihnen schadet, weil das Konsumverhalten dadurch nicht geändert wird und die Haushalte weiterhin so viel konsumieren wie zuvor, doch die Preise bei grassierender Verknappung steigen, oder sie den Konsum drosseln, was aus wirtschaftlicher Gründen richtig wäre, aber aus sozialen Gründen ein gefährliches Unterfangen darstellt, da es zu einem Bruch führen kann. Die Einhaltung vertraglicher Verpflichtungen, die Einhaltung der Regeln und die Aufrechterhaltung zivilisierter Beziehungen ist der beste Weg nach vorne.
Wir müssen in unserem Land auf zivilisierte Weise handeln und Anreize schaffen. Wir müssen mit Vorsicht vorgehen, stetig und schrittweise unsere Handlungen setzen und uns stetig unserem Ziel ohne Sprünge nähern. Das ist es, was wir tun, und wir planen, genau das weiterhin zu tun.
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Zum Risiko des Kernkraftwerkes Zaporoshye in der Ukraine
Ilya Doronov: Kommen wir zur internationalen Agenda, zur Energiesicherheit und ganz allgemein zu einer neuen Sicherheitsstruktur.
Am Tag zuvor veröffentlichte die IAEO (Internationale Atomenergie Behörde) einen Bericht über die Vorgänge im Kernkraftwerk Zaporozhye. Der Bericht gibt nicht an, wer die Anlage beschießt. Er beschreibt den Schaden, den die Sachverständigen feststellten.
Wie würden Sie dies kommentieren? Vertrauen Sie diesem Bericht?
Wladimir Putin: Ja, natürlich vertraue ich diesem Bericht. Die IAEO ist eine verantwortungsbewusste internationale Organisation und ihr Leiter ist ein echter Profi. Sie stehen eindeutig unter dem Druck der Länder, in denen sie arbeiten, einschließlich der Vereinigten Staaten und der europäischen Länder, und können nicht direkt sagen, dass die Anlage vom Territorium der Ukraine aus beschossen wird, aber es ist eine offensichtliche Sache. Wir üben die Kontrolle über das Werk aus und haben unser Militärpersonal dort. Ist es möglich, dass wir auf uns selbst beschießen? Es ist totaler Unfug, man kann es nicht anders nennen. Ich sage meinen westlichen Partnern: „Ist es möglich, dass wir auf uns selbst schießen?“ : „Nun, ja, das scheint dem gesunden Menschenverstand zu widersprechen.“ Das ist mein erster Punkt.
Zweitens gibt es dort eine ganze Menge an Trümmern und Teilen des HIMARS (US Mehrfachraketenwerfer-Artilleriesystem) und anderer westlicher Waffensysteme. Stellen sie eine Bedrohung dar? Natürlich sind sie es.
Ich habe in dem Bericht gelesen, dass die IAEO es für notwendig erachtet, militärische Ausrüstung aus dem Gebiet um das Werk herum zu entfernen. Auf dem Territorium des Werks gibt es jedoch keine militärische Ausrüstung. IAEA-Experten hätten das sehen sollen und können es jetzt noch sehen, da zwei Experten sich noch vor Ort befinden. Es gibt Kräfte der Rosgwardija , die das Gebiet entlang der Werksgrenzen und das Innere des Werks bewachen – das ist alles.
Ilya Doronov: Ja, sie haben dort ein paar Fahrzeuge aufgenommen.
Wladimir Putin: Das sind Tigrs , mit denen Rosgwardija das Werk bewacht und für Sicherheit in der Gegend sorgt. Wenn Sie möchten, können wir morgen jeden, den Sie wollen, dorthin bringen, einschließlich einer großen Gruppe europäischer oder amerikanischer Journalisten und diese einen Blick darauf werfen lassen. Es ist leicht zu erkennen, woher die Granaten kommen, um die Stadt Enerhodar zu treffen – direkt von der gegenüberliegenden Seite des Wasserspeichers. Wir wissen, woher sie kommen, und dennoch haben wir im Werk keine Ausrüstung, einschließlich militärischer Ausrüstung, um Gegenfeuer zu erwidern. All dies wird weit entfernt vom Umkreis der Anlage stationiert.
Die ukrainische Seite bedroht jedoch die nukleare Sicherheit. Ehrlich gesagt verstehe ich nicht ganz, warum sie das tut. Ist es einfach, weil sie auf ihre Situation aufmerksam machen und mehr Krisen schaffen wollen?
Übrigens sprechen wir nicht oft darüber, aber wir verbergen auch nicht ihre Versuche, Terroranschläge in der Russischen Föderation zu verüben, indem sie Hochspannungsleitungen in der Nähe unserer Atomkraftwerke sprengen. Das heißt, sie arbeiten konsequent an diesem Ziel. Ehrlich gesagt ist mir nicht ganz klar, warum sie Dinge tun, die ganz Europa bedrohen. Aber genau das tun sie.
Gestern habe ich Herrn Alexey Likhachev, den Leiter von Rosatom gebeten, zusätzliche Vorschläge von Rosatom zur Gewährleistung der Sicherheit vorzulegen, da die Hauptbedrohung nicht vom Reaktor, sondern von den abgebrannten Brennelementen und der Lagerung dafür, ausgeht.
Zur Rolle des Chefdiplomaten der EU und faschistischer Politik
Ilya Doronov: In der Zwischenzeit sagte EU-Chefdiplomat Josep Borrell … Wenn ich darf, würde ich gerne zitieren, was er gesagt hat. Dies ist die Übersetzung, die ich gefunden habe: „Heute treffen wir uns im Rahmen der EU-Beitrittsverhandlungen mit Vertretern der Ukraine. Wir haben noch keinen konkreten Plan, wie wir das faschistische Russland und sein faschistisches Regime besiegen können.“ Was heisst das?
Wladimir Putin: Hat das etwas mit dem Kernkraftwerk Zaporozhye zu tun? Nichts, oder?
Ilya Doronov: Das hat nichts mit dem Kernkraftwerk zu tun. So hat er unser Land einfach beschrieben.
WladimirPutin: Darin ist er ein großer Spezialist.
Wir haben vom Leiter der EU-Diplomatie und Aufrufen gehört, Russland auf dem Schlachtfeld zu besiegen. Das ist ein seltsamer diplomatischer Ansatz. Wenn er Verteidigungsminister eines Landes wäre, könnte man diese Rhetorik verstehen, aber es klingt sehr seltsam, wenn es vom Chefdiplomaten der EU kommt. Lass ihn machen, lass Gott sein Richter sein, lass ihn sagen, was er will.
Was kann ich zu faschistischen Regimen sagen? Sie wissen, ob er in den 1930er Jahren gelebt hat … Er ist Spanier, richtig?
Ilya Doronov: Ja, ein Spanier.
Wladimir Putin: Hätte er in den 1930er Jahren in Spanien gelebt und in einem Wetterbericht einen sakramentalen Satz gehört: „Ein wolkenloser Himmel über ganz Spanien“ – ein Signal für den Beginn des Staatsstreichs von General Franco –, hätte er zu den Waffen gegriffen. Aber auf wessen Seite würde er gestanden haben? Auf der von der damaligen demokratisch gewählten Linksregierung Spaniens oder auf der der Putschisten? Meiner Meinung nach wäre er auf der Seite der Putschisten gestanden, weil er heute die gleiche Art von Putschisten in der Ukraine unterstützt. Die Hauptquelle der heutigen Macht im ukrainischen Staat ist der Staatsstreich von 2014. Er unterstützt diesen und hätte sich sicher auf die Seite der Faschisten gestellt. Das sagt aus, wer auf der Seite der Faschisten steht. Das ist mein erster Punkt.
Nun mein zweiter Punkt. Heute unterstützt er zusammen mit ganz Europa und Nachdruck die ukrainische Regierung. Ich habe diese Themen wiederholt mit unseren europäischen Partnern diskutiert, und wir haben immer wieder auf die Zeichen von Neonazismus in der derzeitigen Regierung in Kiew hingewiesen. Und die Antwort war immer: „Komm schon! Wir alle haben alle Arten von Neonazis.“ Ja, wir haben sie. Aber weder Russland noch irgendein anderes zivilisiertes Land befördert Nazis oder radikale Nazi-ähnliche Nationalisten in einen Nationalheldenstatus. Das ist der Unterschied. Und genau das tut die Ukraine.
Wenn dieser Mann, den Sie erwähnten – Gott segne sein Herz – eine Ahnung hätte, wer Bandera, Schuchewitsch und dergleichen waren (Neonazis, die Russen, Juden und Polen erschossen haben – und auf welche die deutschen Besatzer diese Drecksarbeit größtenteils abgewälzt haben, und sie haben Menschen ausgerottet), wenn er von diesen Überlegungen ausginge, würde er verstehen, wo der echte Nazismus gedeiht und wo er auf Regierungsebene unterstützt wird.
Er sollte Gelegenheit bekommen, der Realität ins Auge zu sehen, und dann würden wir ihm zuhören. Wenn er auch nur einen Quäntchen Gewissen hätte, würde er die richtigen Schlüsse ziehen.
Ilya Doronov: Die damaligen Ereignisse in der Ukraine, das Massaker von Wolhynien, waren auch die persönlichen Tragödien vieler Familien. Jetzt stehen wir auch vor Tragödien.
Anfang März hörte ich auf, mit meinem Freund zu kommunizieren, der in Kiew lebt. Er hat aufgehört mit mir zu kommunizieren. Dimitri Peskow erzählte uns in einem Interview, dass seine Frau auch alle Verbindungen zu ihren Jugendfreunden abgebrochen habe.
Wie können wir mit diesen Tragödien umgehen, wie können wir die Beziehungen zu einfachen Menschen, einfachen Ukrainern wiederaufbauen?
Wladimir Putin: Sehen Sie, die Macht in der Ukraine liegt eigentlich schon seit geraumer Zeit in den Händen von extremen Nationalisten und Neonazis, die dort einfach totalen Terror betreiben. Viele Menschen haben einfach Angst davor, den Mund aufzumachen und zu sagen, was sie wirklich denken.
Schauen Sie einfach, was da los ist. Manchmal kritisieren wir einige unserer Bürger, die ihren eigenen Standpunkt zu unseren Maßnahmen zum Schutz des Donbass haben. Und dort schießen sie auf der Straße und töten ohne Gerichtsverfahren diejenigen, die eine andere Meinung haben als die Machthaber. Sie zerstören sie einfach physisch. Ist da ein Unterschied? Verstehen wir, was dort passiert, oder nicht? Wir müssen es verstehen.
Deshalb versichere ich Ihnen, dass es in der Ukraine eine große Anzahl von Menschen gibt, die dieses Regime hassen, und natürlich müssen wir uns auf diese Menschen verlassen, die verstehen, was passiert, und bereit sind, dagegen anzukämpfen, sie können es einfach nicht. Sie stehen dort unter der Unterdrückung des Neonazi-Regimes. Was können Sie tun? Aber ich versichere Ihnen, es gibt viele solcher Leute, und wir müssen die Beziehungen zu ihnen pflegen, das werden wir tun. Und ich bin sicher, dass die Zukunft der russisch-ukrainischen Beziehungen diesem Teil der ukrainischen Gesellschaft gehört.
Ilya Doronov: Dann müssen wir ihnen erklären, was wir bringen, welche Werte.
Wladimir Putin: Sie können es Ihnen selbst erklären. Gehen Sie nach Donbass und fragen Sie die dort lebenden Ukrainer nach den Werten, die sie verteidigen. Sie verteidigen ihr Vaterland, ihre Identität, ihre Geschichte und ihr Volk.
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Zur strategischen Bedeutung des Fernen Ostens
Ilya Doronov: Ich werde die letzte Frage stellen, und wir werden zum Abschluss kommen. Ich würde es vorziehen, wenn wir mit dem Fernen Osten abschließen. Sie wurden letztes Jahr auch nach Ihrer Meinung zu Russlands Fernem Osten gefragt, aber die Situation hat sich jetzt geändert. Haben Sie Ihre Einstellung zu Fernost und den hier lebenden Menschen überdacht? Was halten Sie jetzt von ihnen?
Wladimir Putin: Nein, daran hat sich nichts geändert. Im Gegenteil – und unser chinesischer Freund sprach darüber, er sagte, dass der Ferne Osten für Russland und seine Nachbarn im asiatischen Raum von großem Interesse sei. Wir sind sehr froh, dass sich unsere Positionen überschneiden. Darüber sprachen auch unser Kollege aus Myanmar, Herr Pashinyan, und unser Kollege aus der Mongolei.
Aber das Wichtigste für uns ist, dass der Ferne Osten und die Arktis die Regionen sind, in denen Russlands Zukunft liegt. Hier gibt es nicht nur Ressourcen, sondern auch Zugang zu einer Region der Welt, die sich aktiv und in einem sehr guten Tempo entwickelt. Wir haben nicht begonnen, den Fernen Osten zu stärken, weil wir eine spezielle Militäroperation im Donbass vorbereitet haben. Das war lange vorher. Es war eine strategische Wahl, die auf Trends in der Entwicklung der Weltwirtschaft und dementsprechend auf der Entstehung neuer Machtzentren in der Welt basiert, basierend auf der Tatsache, dass wir im Allgemeinen sehr gute, freundliche und freundschaftliche Beziehungen und ein hohes Maß an Vertrauen haben in die Beziehungen zu China und zu unseren Nachbarn hier in der Region. Hier ist alles auf dem Vormarsch. Warum sollten wir also abseitsstehen? Im Gegenteil, wir müssen Teil des Trends sein.
Wir haben diese Wahl vor vielen Jahren getroffen, und wir sind sehr froh, dass wir das gemacht haben, und wir sind mit den Ergebnissen zufrieden. Sie mögen bisher bescheiden sein, aber sie sind da. Schließlich besteht die wichtigste Aufgabe hier, wie ich bereits sagte, die Entvölkerung zu verhindern; hingegen diese Region zu einem attraktiven Ort für die Bürger zu machen.
Und sehen Sie, zum ersten Mal in der jüngeren Geschichte sehen wir einen Migrationsstrom in den Fernen Osten. Es ist das erste Mal, dass dies im Jahr 2021 passierte Es gibt sogar einen natürlichen Bevölkerungsrückgang, der jedoch geringer ist als der nationale Durchschnitt. Dies ist der Hauptfokus dessen, was getan wird, und im Prinzip scheint es die Dinge in die richtige Richtung zu bewegen.
Wir haben noch viel zu tun, wir haben noch nicht viel geschafft, aber wir werden auf jeden Fall an diesem Weg festhalten.
Ilya Doronov: Vielen Dank. Ich möchte allen unseren Gästen danken.
Herr Präsident, würden Sie als Gastgeber bitte die Schlussworte sagen.
Wladimir Putin: Ich habe keine Schlussnote vorbereitet. Ich möchte nur dem aufmerksamen Publikum und unseren Freunden danken, die die Zeit gefunden haben, Russland zu besuchen, obwohl sie in ihren eigenen Ländern Geschäfte zu erledigen haben.
Natürlich habe ich keinen Zweifel, dass weitere bilaterale Treffen bevorstehen, ich habe mich bereits mit einigen Kollegen getroffen, und ich werde jetzt weitere treffen. Wir werden die jüngsten Ergebnisse der bilateralen Beziehungen zusammenfassen und Schritte für die Zukunft entwickeln.
Unsere bilateralen Beziehungen und die Zusammenarbeit hier im Fernen Osten, einer für Russland strategisch wichtigen Region, werden davon auf jeden Fall profitieren.
Vielen Dank!
Teil 1 – Putin mit Rede und Antwort am Eastern Economic Forum in Wladiwostok
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