Verkehrsblockade Russlands durch EU: Kleingeistige Boshaftigkeit auf Kosten der Umwelt

Von Alexej Danckwardt

Private Angelegenheiten führten mich letzte Woche in die russische Exklave Kaliningrad. Einen Besuch sind Stadt und ihre Region immer wert: Im mustergültig wiederaufgebauten Königsberger Dom werden stündlich Konzerte auf einer der größten Orgeln der Welt (eine Neuanschaffung nach 1990) dargeboten. Die Stadt ist gepflegt, ihre Tore saniert, und zwischen sowjetischen Bauten legen immer wieder alte Häuser Zeugnis von der deutschen Vergangenheit ab. Weiter draußen locken die Ostsee, die Kurische Nehrung und mondäne Kurorte. Doch nicht die touristischen Reize des von EU und NATO umzingelten Vorpostens Russlands sind das Thema dieses Artikels. 

Dass Deutschland und EU im Frühjahr 2022 die gewohnten direkten Verkehrsverbindungen von und nach Russland gekappt und damit vor allem den eigenen steuerzahlenden Staatsbürgern mit Wurzeln im Osten das Leben erheblich vermiest haben, war schon vor zwei Jahren Thema unserer Kommentare, zum Beispiel hier oder in einem Exkurs in diesem Reisebericht. In Deutschland leben nun mal zwei oder drei Millionen Menschen, größtenteils deutsche Staatsangehörige, die aus verschiedenen, auch unaufschiebbaren, Gründen nach Russland reisen müssen. Zum Mitschreiben für begriffsstutzige deutsche Minister und Abgeordnete mit der langen Leitung: MÜSSEN. 

Vor 2022 standen ihnen täglich Dutzende Direktflüge zur Verfügung: Nach Moskau konnte man von jedem größeren deutschen Flughafen ohne Umsteigen fliegen, von Frankfurt oder München in fast jede Millionenstadt Russlands. Dutzende Fluggesellschaften, von Lufthansa und Aeroflot bis zu deutschen, irischen und russischen Billigfliegern, teilten den Markt unter sich auf. 

Wer gesittet und umweltfreundlich reisen wollte, für den gab es komfortable Nachtzüge von Berlin, Frankfurt, Hannover und anderen Großstädten nach Moskau. Zeitweilig fuhren auch umsteigefreie Schlafwagen von Berlin-Lichtenberg nach Kaliningrad, Sankt Petersburg, Saratow und bis nach Kasachstan oder Sibirien.

Den Schnellzug Berlin–Moskau gab es übrigens immer, seitdem russische und preußische Eisenbahnen irgendwann Mitte des 19. Jahrhunderts an der Memel aufeinandertrafen. Unterbrochen war die Direktverbindung nur zweimal in Kriegszeiten: während des Ersten Weltkrieges und von 1941 bis 1945. Selbst in den kältesten Zeiten des Kalten Krieges, als jederzeit ein heißer Atomkrieg ausbrechen konnte, fuhren Direktzüge von Moskau nach Paris und Direktflüge von Aeroflot oder der jeweiligen nationalen Fluggesellschaft brachten Reisende über alle Staats- und Systemgrenzen hinweg. Man wusste eben, dass es humanitäre Gründe für das Reisen gibt und dass gegenseitige Besuche dem Frieden dienen, und konnte sich immer über vernünftige und praktikable Regelungen verständigen.

Dass niemand jemals daran dachte, Flugverbindungen in die USA oder nach London zu verbieten, als die "Koalition der Willigen" den Irak völkerrechtswidrig angriff, versteht sich von selbst. Nicht einmal Kriegsgegner kamen auf so schräge Ideen. Aber, erinnern wir uns, auch als die Sowjetunion ihre Truppen in Afghanistan stationierte, war bei all der Empörung im Westen, die im Boykott der Olympischen Sommerspiele 1980 gipfelte, von der Behinderung von Verkehrsverbindungen zwischen den verfeindeten Blöcken keine Rede.  

Anders die heutige Generation "umwelt- und klimabewusster" Politiker in Brüssel und Berlin. Nach Beginn der russischen militärischen Intervention in den ukrainischen Bürgerkrieg im Februar 2022 wurde prompt allen russischen Fluggesellschaften die Nutzung des europäischen Luftraums verboten. Dass Russland mit spiegelbildlichen Gegenmaßnahmen reagiert, war voraussehbar. Seitdem gibt es keine Direktflüge aus der EU nach Russland mehr und die deutschen Steuerzahler, die reisen MÜSSEN, nehmen seitdem Umwege über Belgrad, die Türkei oder sogar so exotische Orte wie Dubai auf sich. Statt zwei bis drei Stunden dauert eine solche Umsteigeverbindung mindestens acht, teilweise sogar einen ganzen Tag. Zudem sind die Kosten hoch, und zwar sowohl für die Reisenden, als auch für das den besagten Politikern in Brüssel und Berlin ach so wichtige Klima.

Was erreicht man mit dieser Schikane, außer den eigenen Bürgern, Deutschrussen und Russlanddeutschen, das Leben zu vermiesen? Auf die Politik Russlands hat das keinen Einfluss, und die Profite, die die russischen Fluggesellschaften mit ihren europäischen Routen erwirtschaftet haben, waren, angesichts der intensiven Konkurrenz aus dem Westen, kaum der Rede wert. Insgesamt also eine absolut sinnlose Boshaftigkeit der europäischen Politik. 

Schlimmer noch: Ausgerechnet das umweltfreundlichste (und am geringsten profitable) Verkehrsmittel, die Eisenbahn, wurde sanktioniert und alle grenzüberschreitenden Verbindungen wurden abgeschafft. Wer nicht auf Umwegen um den halben Globus fliegen will, ist nun auf polnische Fernbusse angewiesen, die wie eh und je über die Grenzübergänge zischen. Angesichts der vorstehend geschilderten Geschichte fragt man sich: Ja ist denn Deutschland jetzt im Krieg mit Russland, dass der Zug Berlin–Moskau wie sonst nur in Kriegszeiten auf dem Abstellgleis steht?

Was hat das alles mit Kaliningrad zu tun? Nun, die eingangs erwähnte Reise führte mir die schikanöse Sinnlosigkeit der europäischen Verkehrsblockaden besonders eindrucksvoll vor Augen. Denn die EU nutzt wie ein besonders mieser, stets pöbelnder und aggressiver Nachbar die Exklavensituation Kaliningrads dafür, den Russen auch die innerrussischen Reisen zu erschweren.

Knapp 180 Kilometer Luftraum über dem EU-Mitglied Litauen trennen das Gebiet Kaliningrad vom mit Russland befreundeten Weißrussland. 12 Minuten Flugzeit, der Transit innerrussischer Flüge hier würde niemanden stören, nichts gefährden und Vilnius sogar Einnahmen in Form von Überfluggebühren einbringen. Doch die EU lässt den Transit in luftiger Höhe nicht zu und deshalb müssen die innerrussischen Flüge einen Umweg über Sankt Petersburg, den Finnischen Meerbusen und die internationalen Gewässer der Ostsee nehmen. Die Länge der Flugstrecke ab Moskau beträgt so aktuell 1590 Kilometer statt der auf direktem Weg anfallenden 1085 Kilometer, auch die Flugdauer steigt entsprechend. Um wie viel der CO₂-Ausstoß dadurch zunimmt, kann ausrechnen, wer sich damit auskennt.

Die Russen nehmen es stoisch hin, der Beliebtheit der Route tut die europäische Widerwärtigkeit keinen Abbruch. Täglich sind allein zwischen Moskau und der Exklave an der Ostsee bis zu 20 Flüge verschiedener Fluggesellschaften buchbar, im Einsatz sind die größten verfügbaren Flugzeugmodelle, die Flüge sind meistens bis auf den letzten Platz ausgebucht.

Was nutzen all diese Verkehrssanktionen also? Nichts! Sie sind eine kleinliche Boshaftigkeit auf Kosten der Umwelt und des Klimas. Dass sie ausgerechnet von Grünen besonders engagiert gefordert und unterstützt werden, spricht auch Bände über ebendiese Grünen.      

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