Messermänner – Warum das Verschweigen der Herkunft mehr schadet als nützt

Von Dagmar Henn

Es war vor vielen Jahren schon Thema, lange vor 2015: damals, als die Tageszeitungen immer die Nationalität der Täter nannten, wenn es irgendwo zu einem Überfall oder einem Raub kam. Die These war, durch diese Nennung würde die Wahrnehmung verstärkt, dass vor allem Ausländer und Migranten bestimmte Verbrechen begingen, weil man sich Meldungen mit dieser Information schlicht besser merkt als ohne sie. Es ging dabei um eine Verzerrung; aber die Debatte, vielmehr die Forderung, die Nennung zu unterlassen, stammt aus einer Zeit, als sich die Zahl der Vorfälle tatsächlich kaum unterschied und man mit einer Korrektur um Altersverteilung und Sozialstatus weitgehend auf dieselben Werte kam.

Um das einfacher auszudrücken: Es ist immer und überall so, dass junge arme Männer im Alter bis etwa 25 bei vielen Straftaten die Mehrheit der Täter stellen. Wenn es in einer Bevölkerungsgruppe mehr solche jungen Männer gibt, dann ist auch die Zahl der Straftäter höher.

Inzwischen halten sich die meisten Medien daran, auch wenn es nach dem Beschluss des Deutschen Presserats im Jahr 2011 noch einige Jahre dauerte, bis sich diese Vorgabe bei der Polizei aller Bundesländer durchsetzte. Das Innenministerium von Nordrhein-Westfalen will das jetzt umkehren, doch Hauptgrund dafür scheint zu sein, dass es immer mehr Nachfragen nach eben dieser Information gibt, die zu viel Zeit in Anspruch nehmen.

Dummerweise hat sich die Wirkung der Nichtnennung aber inzwischen umgekehrt. Ganz ehrlich, wer in Deutschland liest noch die Wörter "Messer" und "Mann" in einem Satz, ohne dabei automatisch an "südländisches Aussehen" zu denken? Das Verschweigen, das einmal gedacht war, um Vermutungen zu verhindern, die mit der Herkunft verknüpft werden, bewirkt jetzt das genaue Gegenteil.

Wie gefährlich das wirken kann, zeigten die Ereignisse in Großbritannien in den letzten Tagen. Erst nach längerer Zeit bestätigte die Polizei, dass es sich bei dem jungen Mann, der im Städtchen Southport drei Kinder erstochen hatte, um den auf der britischen Insel geborenen Sohn von Einwanderern aus Ruanda handelt. Zu diesem Zeitpunkt hatte sich bereits das Gerücht verbreitet, es sei ein muslimischer Flüchtling gewesen. Ruander sind jedoch Christen, vor allem Katholiken.

Es kam in der Folge zu Attacken auf Moscheen und zu Auseinandersetzungen zwischen Engländern und Migranten. Der britische Premierminister Keir Starmer nutzte die Gelegenheit, um schärfere Überwachungsmaßnahmen anzukündigen. Das alles wäre aber vermutlich gar nicht passiert, gäbe es nicht die Vorgabe, die Nationalität nicht zu nennen.

Man könnte diese entgegengesetzte Wirkung sogar statistisch begründen. Ab 2015 zeigt die Kriminalstatistik einen deutlichen Anstieg, und dieser Anstieg geht überproportional auf neu Zugewanderte zurück, also solche, die in der Statistik noch als "Ausländer" auftauchen. Weshalb die jährliche Veröffentlichung dazu führt, die Wirklichkeit und die mediale Berichterstattung in scharfen Widerspruch zu setzen.

Sobald die Zahlenverhältnisse kippen, also im Bereich bestimmter Straftaten der Anteil besagter Ausländer extrem hoch ist (und dies durch Erzählungen im privaten Umfeld bestätigt wird), wird der Begriff "Mann" automatisch entsprechend dieser statistischen Verhältnisse interpretiert. Weshalb dann sogar Messerangriffe, die von Deutschen, genauer noch, Biodeutschen begangen werden, in der öffentlichen Wahrnehmung gerade durch die Benennung "Mann" als Taten von Ausländern gelesen werden.

Aber es gibt noch einen weiteren Punkt, an dem diese damals einleuchtend klingende Strategie in ihr Gegenteil umschlägt. Je mehr die Erzählung neutralisiert wird, je weniger persönliche Informationen enthalten sind, desto schwerer ist das Verständnis und Begreifen sozialer Hintergründe. Wenn ich aus einem jungen Mann, der seit Jahren ohne Beschäftigung unter beengten Verhältnissen vor sich hin vegetiert und längst begriffen hat, dass es für ihn keine Perspektive in Deutschland gibt, einen "Mann" mache, dann entferne ich die soziale Wirklichkeit aus der Erzählung des Verbrechens. Diese taucht nur auf, wenn dann mit eben dieser Wirklichkeit extrem milde Urteile begründet werden, bei denen man sich nie sicher ist, ob das jetzt echtes Verständnis ist oder nur die Vorgabe, ohnehin überfüllte Haftanstalten nicht zu überfordern.

Dass diese Art Verständnis auf wenig Gegenliebe bei der Normalbevölkerung stößt, ist nachvollziehbar. Legitim wäre es nämlich nur, wenn es auch entsprechende andere Maßnahmen gäbe, wie, Berufsausbildung zu vermitteln und verpflichtende Therapien durchzuführen. Das aber kostet Geld, dafür braucht es eine Infrastruktur, die es nicht gibt (dafür bräuchte man nämlich beispielsweise zugelassene Therapeuten, die die entsprechende Sprache beherrschen), und überhaupt handelt es sich eher um eine Haltung genereller Wurstigkeit als um irgendeine Form von wirklichem Verständnis.

Das Ergebnis sind dann solche Vorfälle wie in Uelzen vor wenigen Tagen, als ein 18-jähriger Marokkaner einen Mann im Bahnhof die Treppe hinunterstieß, wodurch dieser starb. Das Opfer war afghanischer Hindu, der seit 2013 in Deutschland lebte. Der Marokkaner war gerade erst von der Polizei wieder freigelassen worden, nachdem er am Tag zuvor am Busbahnhof einen anderen Mann geschlagen hatte. "Der Tatverdächtige soll wegen einfacher Körperverletzung, Diebstahl und Drogendelikten seit Juni auffällig gewesen sein, wie die Polizei NDR Niedersachsen mitteilte", schreibt der NDR.

Wem tut man nun wirklich einen Gefallen, wenn man all diese Details nicht nennt oder ihre Nennung so lange wie möglich hinauszögert? Der Hintergedanke jener, die diese Verschleierung durchgesetzt haben, ist ein enormes Misstrauen gegen die deutsche Mehrheitsbevölkerung, die nach ihren Annahmen automatisch aggressiv reagiert, wenn eine offene Nennung üblich wäre. Aber ist es nicht ein komischer Zufall, dass diese Forderung, die jahrelang randständig war, erst in dem Moment wirklich umgesetzt wurde, als sich die realen Zahlen sehr eindeutig entwickelten? Und beispielsweise sexuelle Übergriffe so massiv zunahmen, dass sie statistisch nicht mehr wegzukorrigieren sind?

Ja, es gibt mit jeder Gruppe "frischer" Migranten erst einmal Probleme. Anfang der 1970er hätte die Kombination "Mann" und "Messer" noch zum Begriff "Süditaliener" geführt. Das kann man sich heute kaum mehr vorstellen, aber auch "Ehrenmorde" gab es damals. Zwei Generationen später ist das längst Geschichte. Doch die damalige Gesellschaft bot tatsächlich noch die Chance auf ein gesichertes Auskommen, die damaligen Migranten waren als Arbeitskräfte angeworben worden.

In Deutschland folgt selbst der Umgang mit den Zuwanderern der Losung "satt und sauber", und die Probleme, die dadurch entstehen, werden schon dadurch nicht zum Thema, weil man nicht darüber spricht. Dabei ist die Erwartung, die einheimische Bevölkerung würde bei einer ehrlichen Berichterstattung nur mit blinder Wut reagieren, eine völlig unangebrachte Dämonisierung, die im Kern darauf beruht, dass es die "guten" Deutschen gibt, die sich um Flüchtlinge kümmern, und die "bösen" Deutschen, die nur auf die Gelegenheit warten, die Ausländer loszuwerden.

Wenn man Probleme lösen will, dann ist die erste Voraussetzung dazu, sie wahrzunehmen. Wenn man sich nach Kräften bemüht, die Wahrnehmung zu verhindern, dann begreift man entweder nicht, dass die Wirklichkeit nicht auf Grundlage einer Fantasie verändert werden kann, sondern nur durch Erkenntnis der Wirklichkeit, oder man will eigentlich das genaue Gegenteil und tut nur so, als wolle man Probleme beseitigen.

Dass jetzt immer von "Männern" geschrieben wird, gießt geradezu Öl ins Feuer, und ein Blick nach Großbritannien sollte lehren, dass das Wort Feuer an dieser Stelle keine Übertreibung ist. Das europäische Recht hat eine Situation geschaffen, in der jeder Versuch, noch eine Entscheidung darüber treffen zu können, wer ins Land kommt und wer im Land bleibt, im Grunde bereits kriminalisiert wird, und die Vorstellung, man habe als Bürger eines Landes ein Recht, darüber zu entscheiden, wer sich dort niederlässt, schon als "rechtsradikal" klassifiziert wird. Im Kern ist aber gerade das der Schritt, der die Bereitschaft, andere aufzunehmen, senkt, weil die Wahrnehmung, gar nicht gefragt zu werden, zu Recht Wut erzeugt. Die vielfache Verleugnung der Folgen, die neben der steigenden Kriminalität auch die Verschärfung der Wohnungsnot und die Verschlechterung des Bildungssystems umfassen, tut dann ihr Übriges.

Das einzige Gegenrezept wäre Offenheit. Das Gegenteil der Strategie, die derzeit üblich ist. Aber eine politische Klasse, die sich daran gewöhnt hat, es als einfache Lösung zu betrachten, die Bevölkerung mit Lügen einzudecken (die bei Corona langsam, aber sicher auffliegen, im Zusammenhang mit der Ukraine jedoch mindestens ebenso dicht sind), ist vermutlich nicht nur nicht willens, Schritte zu korrigieren, die erkennbar das Gegenteil des Beabsichtigten bewirken, sie ist auch nicht fähig, dies zu tun.

Also wird es vorerst dabei bleiben, dass in den Zeitungen "Mann" steht und "Migrant" gelesen wird.

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