"Konzentration von Marktmacht gefährlich" – BRICS wollen Wirtschaftsmonopole bekämpfen

Die schiere Existenz der BRICS ist eine Herausforderung für das westliche Machtmonopol, doch die Staatenvereinigung will auch gegen wirtschaftliche Marktmonopole vorgehen. So besagt Punkt 100 der nach dem 16. BRICS-Gipfel verabschiedeten Kasan-Deklaration, dass die Mitgliedstaaten die Zusammenarbeit in Fragen des Wettbewerbsrechts erweitern wollen – "zum Zwecke der nachhaltigen Marktentwicklung, des effektiven Vorgehens gegen grenzübergreifende Anti-Wettbewerbspraxis und der Schaffung einer günstigen Marktkonjunktur." Dabei wird weiter die Rolle des Internationalen Zentrums für Wettbewerbsrecht und -politik der BRICS gewürdigt.

In einem Interview für die Sendung "Meschdunarodnoje obosrenije" (Internationaler Überblick), die vom russischen Fernsehkanal Rossija 24 ausgestrahlt wurde, sprach Alexei Iwanow, Leiter des genannten BRICS-Antimonopolzentrums und Dozent der Wirtschaftshochschule Moskau, über die Gefahren der Monopolisierung und Fragen der Antimonopol-Regulierung.

Iwanow merkte dabei an, dass die Beachtung der Monopolisierung des Marktes in den vergangenen 20 bis 30 Jahren vernachlässigt worden sei:

"Wettbewerbsforschung ist eine etwas vergessene Sache. In vielerlei Hinsicht haben wir aufgehört, zu forschen, wie die Macht des Marktes funktioniert."

Indessen seien in der heutigen Welt Monopole allgegenwärtig. Iwanow verglich dies mit der Monopolisierung des Kapitals am Ende des 19. bis Anfang des 20. Jahrhunderts im Rahmen der sogenannten Zweiten Industriellen Revolution. In Bezug auf die heutigen Monopole führte er aus:

"Wir haben aufgehört, Besonderheiten der Konzentration der Marktmacht zu erfassen. Die Macht des Marktes wird heute in solchen Formen, Arten und Formaten umgesetzt, die schwer zu kalkulieren sind. Dazu gehört die Konzentration von Daten, die Konzentration von technologischen Kapazitäten beispielsweise im Bereich der künstlichen Intelligenz, die Kontrolle über geistiges Eigentum, das bei uns aus der Anti-Monopol-Regulierung gänzlich ausgeschlossen ist."

Ein durch herkömmliche Methoden quantitativ schwer zu erfassendes und zu kontrollierendes, aber problematisches Phänomen sei außerdem die Kontrolle über menschliches Verhalten und Aufmerksamkeit, betonte Iwanow.

Als konkretes Beispiel eines Monopols führte der Experte die internationale Zahlungsplattform SWIFT an. Die Brisanz von deren Monopolstellung – wie nach dem Ausschluss der russischen Banken von SWIFT im Jahr 2023 besonders deutlich – wurde lange außer Acht gelassen. Als Alternative werden gegenwärtig das Zahlungssystem BRICS Pay und die Plattform BRICS Bridge ausgearbeitet, was allerdings nicht problemlos verlaufe. Iwanow räumte ein:

"Mechanismen und Technologien, die vom Antimonopolrecht im Industriezeitalter entwickelt und dafür gut geeignet waren, wirken nicht für moderne IT-, Pharma- oder sogar Getreidehandelsunternehmen – ein traditionelles Gewerbe, doch es hat eine hochtechnologische Komponente, die mit Kontrolle über Information zusammenhängt."

Zum Problem würden dabei die Monopolisierung der Informationskontrolle sowie der asymmetrische Zugang zu Informationen, erklärte Iwanow weiter. Er betonte, dass die Konzentration von Marktmacht in einer Marktwirtschaft gefährlich sei, weil sich dadurch ein wirtschaftliches Subjekt in ein politisches verwandele, sichtbar etwa am Beispiel der Präsidentschaftswahlkampagne in den USA. Die größte Gefahr sei dabei der Kontrollverlust des Staates, infolgedessen auch die Bevölkerung ihre Eingriffsmöglichkeit verlieren würde:

"Das Problem der Monopolisierung besteht darin, dass die Kontrolle vom Staat in die Hände von Unternehmen übergeht, die eine solche Marktmacht erhalten, dass sie selbst die Entwicklung von Branchen und das Funktionieren der Märkte bestimmen können. Der Staat verliert seine regulierende Funktion, die zwar gut oder schlecht sein kann, doch wenn die Funktion des Staates de facto ausgelagert ist, kann er gar nichts beeinflussen. Ein Staat lässt sich immerhin irgendwie durch demokratische Prozesse oder gegenseitige Kontrolle beeinflussen, der Besitzer eines Privatunternehmens dagegen gar nicht."

Ein weiteres Problem stelle die Willkür bei der Preisbildung und das Ausbremsen der technologischen Entwicklung durch die Monopole dar, was auch von einfachen Konsumenten bemerkbar sei:

"Die Menschen sehen den Effekt der Machtkonzentration in ihren Taschen als Konsumenten und bei der Entwicklung von Technologien. Denn bis zu einer gewissen Etappe können Monopole die technologische Entwicklung fördern, doch später bremsen sie sie stark aus."

Iwanow räumte ein, dass Antimonopoldienste weltweit "eine technologische Revolution verpasst" und damit die Möglichkeit verloren hätten, die Konzentration von Marktmacht zu kontrollieren. Aus diesen Gründen gewinne das Antimonopolrecht an Aktualität und werde in sämtlichen BRICS-Staaten und darüber hinaus zu einem politisierten Thema. So hat etwa China, eines der führenden BRICS-Mitglieder, seine Antimonopol-Gesetzgebung seit den Jahren 2018/2019 verschärft. Dies äußerte sich in der Zunahme von Verfahren gegen Unternehmen, die ihre dominante Marktstellung ausgenutzt haben, unter anderem auch gegen den Handels- und IT-Giganten Alibaba.

Das Internationale Zentrum für Wettbewerbsrecht und -politik der BRICS soll nun den Teilnehmerstaaten der Vereinigung ermöglichen, die Vorgehensweisen gegen existierende und potenzielle Monopole zu vereinheitlichen und zu bündeln. Iwanow resümierte dazu:

"Wir arbeiten sie auf der Plattform des BRICS-Antimonopolzentrums heraus. Insgesamt bewegen wir uns langsam, aber stetig voran. Wir sammeln unsere Gemeinsamkeiten zu einer einheitlichen konzeptuellen Plattform, die uns gemeinsame Aktionen und Ermittlungen gegen globale digitale, pharmazeutische und Getreidehandels-Monopole ermöglicht."

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