Britischer Experte: Frieden gibt es nur mit Russland

In einem Interview mit dem russischen Literaturmagazin Literaturnaja Gaseta (hier auf Deutsch) ordnet der britische Russland-Experte Richard Sakwa das Verhältnis des Westens zu Russland in seinen jüngsten historischen Kontext ein. Sakwa ist emeritierter Professor für europäische und russische Geschichte. Er lehrte an der Universität Kent.

Hoffnung auf eine baldige Verbesserung des Verhältnisses hat Sakwa nicht. Voraussetzung dafür wäre, dass die USA ihren Hegemonialanspruch aufgeben. Zwar sei die Macht der USA im Schwinden, von der Aufgabe des Anspruchs, Führungsmacht zu sein, seien die USA jedoch weit entfernt. Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion sah sich der Westen unter Führung der USA als Sieger. Russland hoffte auf gleichberechtigte Beziehungen.

"Doch in der UdSSR sprach man unter Gorbatschow von einer Rückkehr zu den universellen menschlichen Werten und erwartete gleichberechtigte Beziehungen zum Westen unter Anerkennung der Marktwirtschaft und der Menschenrechte. Gorbatschow war sich sicher, dass 1989 der ‘Geist des April 1945’ in die Welt zurückgekehrt war, als sich sowjetische und amerikanische Soldaten an der Elbe umarmten."

Die russischen Hoffnungen haben sich nicht erfüllt. Der Westen ist zu einem gleichberechtigten Verhältnis mit Russland und anderen Staaten außerhalb seiner Sphäre nicht bereit. Dennoch habe die Entstehung einer unipolaren Welt, in der die USA versuchten, ihre Interessen durch Einsatz militärischer Gewalt durchzusetzen, durch ebendiese Gewalt eine Gegenbewegung ausgelöst.

Russland, China und zahlreiche andere Länder streben nach einer neuen Ordnung, in der die Regeln nicht von einem Hegemon vorgegeben werden. Sie streben nach der Demokratisierung der internationalen Beziehungen, in der souveräne Staaten ihre Interessen auf Augenhöhe miteinander aushandeln. Aufgrund seines Hegemonialanspruchs sind dem Westen und vor allem seiner Führungsmacht den USA souveräne Staaten fremd. Daraus ergibt sich der aktuelle Konflikt. 

"Die Hauptursache für die Instabilität ist Amerikas Versuch, die globale Hegemonie aufrechtzuerhalten, was zu einer Reihe von Kriegen und sogenannten Farbrevolutionen führt. Ich bin kein Idealist, aber ich bin überzeugt, dass auch solche Widersprüche friedlich gelöst werden können. Die Idee eines paneuropäischen Hauses von Lissabon bis Wladiwostok ist schön, aber dieser Paneuropäismus widerspricht dem auf der US-Hegemonie basierenden Atlantizismus."

Die EU sei inzwischen von einer Friedensmacht zu einem politischen und wirtschaftlichen Anhängsel der NATO mutiert. Die NATO wiederum, nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion eigentlich überflüssig geworden, expandiere inzwischen auch in den Südpazifik. Die NATO wiederum sei ein Instrument der Durchsetzung US-amerikanischer Interessen. Dort, wo sie auftaucht, bringt sie Krieg und Zerstörung. 

"Wo es die NATO gibt, gibt es auch Krieg. Die Gefahr besteht darin, dass sich die NATO von einem aggressiven regionalen System in ein aggressives globales System verwandelt. Und der politische Osten – wie Russland und China – will keine kollektive Verteidigung, sondern kollektive Sicherheit."

Sicherheit gibt es nur immer gleichzeitig für alle. Wird kein Ausgleich der Interessen gesucht, keine Balance geschaffen, entsteht Krieg. 

Der Ukraine-Krieg ist dafür ein herausragendes Beispiel. Mit dem Vorhaben, die Ukraine in die NATO aufzunehmen, wurde die Sicherheitsarchitektur in Europa zerstört. Das musste notwendigerweise zum Konflikt führen. Frieden gibt es aber nur dann, wenn die Interessen aller Länder Europas berücksichtigt werden, und zu diesem Kreis der Länder zählt auch Russland.

"Ja, es gibt einen Weg zum Frieden, und er führt über das System der europäischen kollektiven Sicherheit, das Russland einschließt. Aber heute ist dieses System zerstört worden."

Mehr zum Thema – Moskau: SOZ könnte Garant der Sicherheit Eurasiens werden

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