Mit den drei anderen Königen hatte er einen Treffpunkt vereinbart, doch sein Pferd lahmte unterwegs. So kam er nur langsam voran und als er bei der vereinbarten hohen Palme eintraf, war niemand mehr da. Nur eine kurze Botschaft, in den Stamm des Baumes eingeritzt, sagte ihm, dass die anderen drei ihn in Betlehem erwarten würden. Artaban setzte seinen Weg fort, doch nach einer Weile entdeckte er am Wegrand ein Kind, das bitterlich weinte. Voll Mitleid hob er es auf sein Pferd und ritt in das Dorf zurück, durch das er zuletzt gekommen war. Er fand eine Frau, die das Kind in Pflege nahm. Aus seinem Gürtel nahm er einen Edelstein und vermachte ihn dem Kind, damit sein Leben gesichert sei. Dann ritt er weiter, seinen Freunden nach. Er fragte die Menschen nach dem Weg, denn den Stern hatte er verloren. So kam er schließlich in eine Stadt, wo ihm ein Leichenzug begegnete. Hinter dem Sarg schritt eine verzweifelte Frau mit ihren Kindern. Artaban sah sofort, dass nicht allein die Trauer um den Toten diesen Schmerz hervorrief. Der Mann und Vater wurde zu Grabe getragen. Die Familie war in Schulden geraten und nun sollten Frau und Kinder als Sklaven verkauft werden. Artaban nahm den zweiten Edelstein aus seinem Gürtel, der eigentlich dem neugeborenen König zugedacht war. „Bezahlt, was ihr schuldig seid, kauft euch Haus und Hof und Land, damit ihr eine Heimat habt!“ Er wandte sein Pferd um und wollte dem Stern entgegen reiten – doch dieser war verschwunden. Die Sehnsucht nach dem göttlichen Kind und tiefe Traurigkeit überfielen ihn. War er seiner Berufung untreu geworden? Würde er sein Ziel nie erreichen?
Waren es Tage, waren es Wochen, Monate oder Jahre? War es ein Traum oder war es Wirklichkeit? Oder war es gar die Geschichte der Menschheit?
Er folgte dem Weg hinaus aus der Stadt und kam eines Tages in ein fremdes Land, in dem ein Krieg wütete. In einem Dorf hatten Soldaten die Bauern zusammengetrieben, um sie zu töten. Die Frauen und Kinder weinten. Artaban sah ihre Verzweiflung, doch er besaß nur noch einen Edelstein – sollte er denn mit leeren Händen vor dem König der Menschen erscheinen? Aber dieses Elend war so groß, dass er nicht lange zögerte, mit zitternden Händen seinen letzten Edelstein hervorholte und damit die Männer vor dem Tode und das Dorf vor der Verwüstung loskaufte.
Müde und traurig ritt Artaban weiter. Sein Stern leuchtete nicht mehr. Jahrelang wanderte er umher. Zuletzt zu Fuß, da er auch sein Pferd verschenkt hatte. Schließlich bettelte er, half hier einem Schwachen, pflegte dort Kranke; keine Not blieb ihm fremd. Und eines Tages kam er am Hafen einer großen Stadt gerade dazu, als ein Vater seiner Familie entrissen und auf ein Sträflingsschiff verschleppt werden sollte. Artaban flehte um den armen Menschen und bot sich selbst an, anstelle des Unglücklichen als Galeerensklave zu arbeiten.
Sein Stolz bäumte sich auf, als er in Ketten gelegt wurde. Jahre vergingen. Er vergaß, sie zu zählen. Grau war sein Haar, müde sein zerschundener Körper geworden.
Waren es Tage, waren es Wochen, Monate oder Jahre? War es ein Traum oder war es Wirklichkeit? Oder war es gar die Geschichte der Menschheit?
Doch irgendwann leuchtete sein Stern wieder auf. Und was er nie zu hoffen gewagt hatte, geschah. Man schenkte ihm die Freiheit wieder – an der Küste eines fremden Landes wurde er an Land gelassen. In dieser Nacht träumte er von seinem Stern, träumte von seiner Jugend, als er aufgebrochen war, um den König aller Menschen zu finden. Eine Stimme rief ihn: „Eile, eile!“ Sofort brach er auf und gelangte in eine große Stadt. Über einem Stall leuchtete sein Stern und dort fand er ein Kindlein in einer Krippe. Er kniete nieder und beugte sein Haupt, beschämt, dass er keine königlichen Gaben mehr für das Gotteskind hatte. Doch da sprach eine Stimme zu ihm: „Artaban, du hast mich getröstet, als ich in Not war und gerettet, als ich in Lebensgefahr war! Was du dem geringsten meiner Brüder und Schwestern getan hast, das hast du mir getan!“
Licht und Frieden strömten durch Artaban´s altes Herz und er wusste: Er hatte das Gotteskind nicht vergebens gesucht, er hatte es doch noch gefunden. Und Gott hatte ihn in all den Jahren immer auf seinem Weg begleitet.
Waren es Tage, waren es Wochen, Monate oder Jahre? War es ein Traum oder war es Wirklichkeit? Oder war es gar die Geschichte der Menschheit?
Nach einer russischen Legende
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