Von Susan Bonath
Mit viel Getöse versprach die Ampel bei ihrem Regierungsantritt 2021 die Lösung drängender Probleme. In Sachen Wohnungsnot spielte das Bundesbauministerium die aktivistische Platte. Doch sein eigens dafür ins Leben gerufenes "Bündnis bezahlbarer Wohnraum" entpuppte sich als Luftnummer. Sein Ergebnis ist letztlich sogar kleiner als null. In aller Stille und ohne jede Information an die Presse simulierte das Bündnis nun, kurz vor dem Auslaufen der ohnehin fast wirkungslosen "Mietpreisbremse", seinen letzten Mini-"Wohngipfel".
Pseudogipfel mit Negativ-Bilanz
Nach all der heißen Luft, die dieses ministeriale "Bündnis" mit 35 Verbänden der Immobilienwirtschaft, Mieterbewegung und Kommunen innerhalb von weniger als drei Jahren produziert hat, ist dieser Abgang an Peinlichkeit schwer zu überbieten. "Mietenkanzler" Olaf Scholz (SPD) war plötzlich unabkömmlich und schickte seine Bauministerin und Parteikollegin Klara Geywitz ins stille Rennen. Rede und Antwort stehen wollte niemand.
Von dem Mini-"Gipfel" und der desaströsen Ampel-Bilanz erfuhr man schließlich beim Deutschen Mieterbund (DMB). "Zentrale Vorgaben des Koalitionsvertrags für mehr Mieterschutz hat die Bundesregierung einfach nicht umgesetzt, obwohl mehr als die Hälfte aller Haushalte in Deutschland zur Miete wohnen", resümierte dessen Präsident Lukas Siebenkotten. So gewinne "die Wohnungskrise weiter an Dynamik: steigende Mieten, hohe Immobilienpreise, unzureichender Neubau und keine Besserung in Sicht".
Ursprünglich plante die Ampel den Bau von 400.000 neuen Wohnungen – jährlich; ein Viertel davon öffentlich gefördert, zu Preisen also, die auch für den Otto-Normal-Bürger bezahlbar sein sollten. Doch tatsächlich waren es im letzten Jahr laut Mieterbund nicht einmal drei Viertel davon, und nur ein winziger Bruchteil davon Sozialwohnungen. Während der Ära Scholz seien die Baugenehmigungen sogar massiv eingebrochen. Was wohl nicht zuletzt an den überhöhten Energiepreisen infolge der Sanktionen gegen Russland liegt.
Und man kann anfügen: Die Obdachlosen-Zahlen sind laut Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe (BAG-W) in die Höhe geschnellt. Die Armut ist laut verschiedenen Berichten gestiegen, und die Zahl der Menschen, die ihre Miete nicht mehr zahlen können, hat sich laut einer Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung in den vergangenen 35 Jahren verdreifacht.
Verarmung durch Wuchermieten
Angesichts des eklatanten "Wohngipfel"-Desasters warnten Mieterbund, Städtetag und Deutscher Gewerkschaftsbund (DGB) am Freitag vor dem Aus der "Mietpreisbremse". Dieses stehe spätestens Ende 2025 an, sofern das Instrument nicht noch in der laufenden Legislaturperiode – also praktisch sofort – verlängert werde.
Wie begrenzt die Wirkung dieser "Preisbremse" ist, zeigt sich in den ernüchternden Analysen der Protagonisten. DMB-Präsident Siebenkotten mahnte zur Dringlichkeit: Die Situation auf den Wohnungsmärkten sei "dramatisch", die Mieten explodieren und schon jetzt hätten Immobilienkonzerne weitere Erhöhungen nach dem Ende dieser "Bremse" angekündigt. Mieten von 17 Euro pro Quadratmeter aufwärts könne sich aber die Normalbevölkerung schlicht nicht mehr leisten. Die gegenwärtige Entwicklung sei "eine Gefahr für den sozialen Frieden" in Deutschland.
Stefan Körzell vom DGB-Vorstand berichtete, dass viele Gewerkschaftsmitglieder bereits heute 30, 40 oder mehr Prozent ihres Einkommens für die Miete aufbringen müssen. "Diese Belastung zwingt viele dazu, an allen möglichen Stellen zu sparen, um über die Runden zu kommen", erläuterte er. Damit sei die Wohnungskrise nicht nur ein sozialpolitischer Skandal. "Sie entwickelt sich zunehmend zu einem wirtschaftspolitischen Problem." Auch dringend benötigte Fachkräfte könnten es sich oft nicht mehr leisten, an den Arbeitsorten zu wohnen.
Der Leipziger Oberbürgermeister und Städtetag-Vizepräsident Burkhard Jung (SPD) verdeutlichte aber auch, dass die Mietpreisbremse allein nicht ausreiche. "Sie schafft keine neuen Wohnungen", sagte er und forderte ein "Bündel an Maßnahmen", darunter "mehr kostengünstigen und sozialen Wohnungsbau".
Das Instrument, das derzeit in allen Bundesländern außer in Sachsen, Sachsen-Anhalt und dem Saarland gilt, soll regeln, dass die Preise bei Neuvermietungen maximal zehn Prozent über den örtlichen Vergleichsmieten liegen dürfen. Damit wird die Maßnahme die Preistreiberei bei den Wohnkosten aber bestenfalls bremsen, zumal es zu einem regelrechten Sport unter Immobilienkonzernen geworden ist, diese Vorgabe mittels zahlreicher Schlupflöcher noch zu umgehen.
Soziales Gefüge erodiert
Besonders problematisch ist die Mietenexplosion in Verbindung mit den stark gestiegenen Heizkosten für Menschen, die auf Sozialleistungen angewiesen sind, beispielsweise Rentner mit geringen Altersbezügen, Erwerbsunfähige, aufstockende Niedriglöhner und Bürgergeldbezieher. Die für sie kommunal festgelegten Mietobergrenzen entsprechen vielerorts schon lange nicht mehr den realen Preisen. Sie müssen also von ihren dürftigen Einkünften zunehmend mehr für die Miete abzweigen – und werden immer ärmer.
Mit anderen Worten: Das soziale Gefüge in Deutschland erodiert. Arbeitslosigkeit und Krankheit werden in dieser Situation zum Abstiegsmotor, im schlimmsten Fall droht sogar Obdachlosigkeit. Die Abwärtsspirale, von den neoliberalen Vorgängerregierungen ins Rollen gebracht, hat die Ampel trotz anderslautender hehrer Versprechen weiter angekurbelt. Mit Friedrich Merz als vermutlich nächstem CDU-Kanzler droht eine exzessive Beschleunigung dieses Desasters. Die Slums in US-amerikanischen Vorstädten lassen grüßen.
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