Seit dem Beginn des Krieges in der Ukraine im Februar 2022 haben Millionen Ukrainer Zuflucht in Europa gesucht. Besonders die Schweiz, Deutschland und Österreich gehören zu den Ländern, die einen großen Teil der Geflüchteten aufgenommen haben. Doch ein unerwarteter Trend zeichnet sich ab: Viele der ukrainischen Geflüchteten planen keine Rückkehr in ihre Heimat – außer für kurze Besuche, etwa in den Ferien oder für Gesundheitschecks.
Geänderte Perspektiven in Deutschland
Deutschland, eines der Hauptzielländer für ukrainische Flüchtlinge, verzeichnet eine hohe Zahl an langfristigen Ansiedlungsplänen. Mehr als die Hälfte der Ukrainer gibt an, dauerhaft in Deutschland bleiben zu wollen.
Dies steht im starken Kontrast zu den Erwartungen zu Beginn des Krieges, als viele Ukrainer die Rückkehr in ihre Heimat als realistisches Ziel angesehen haben. Doch die Realität vor Ort – von zerstörten Städten über politische Unsicherheiten bis zu grassierender Korruption – trübt die Hoffnung auf einen schnellen Wiederaufbau.
Zudem erweist sich die wirtschaftliche und soziale Erholung der Ukraine als weitaus schwieriger, als viele angenommen hatten.
Ähnliches Bild in Österreich
Auch in Österreich sind die Rückkehrpläne vieler Ukrainer drastisch zurückgegangen. Während anfangs ein erheblicher Anteil auf eine Rückkehr hoffte, zeigt eine aktuelle Studie, dass diese Bereitschaft deutlich gesunken ist. Stattdessen hat die Integration vieler Ukrainer in die österreichische Gesellschaft begonnen: Sie finden Arbeit, ihre Kinder besuchen lokale Schulen, und sie bauen sich ein neues Leben auf. Die langfristigen Herausforderungen in der Ukraine, wie der Wiederaufbau und die Verbesserung der Lebensbedingungen, scheinen viele Ukrainer zu entmutigen. Konkrete Pläne zur Rückkehr in ihre Heimat äußerten nur 13 Prozent der nach Österreich geflüchteten Ukrainer.
Die Schweizer Realität
In der Schweiz, in der etwa 66.500 Ukrainer mit Schutzstatus S leben, spiegelt sich dieser Trend wider. Der Bundesrat hält zwar daran fest, dass viele Geflüchtete eines Tages zurückkehren könnten.
Doch diese Einschätzung, so Kritiker, ist naiv und realitätsfern. Tatsächlich planen nur rund 9 Prozent der Ukrainer eine Rückkehr. Die Mehrheit fühlt sich in der Schweiz sicher und hat mit dem Aufbau eines neuen Lebens begonnen. Die Annahmen der Schweizer Regierung über eine baldige Heimkehr vieler Ukrainer wirken angesichts dieser Zahlen unrealistisch.
Auswirkungen auf die Ukraine und Europa
Die Frage bleibt, welche Folgen dies für den Wiederaufbau der Ukraine hat. Besonders der Verlust vieler qualifizierter Arbeitskräfte könnte die wirtschaftliche und infrastrukturelle Erholung des Landes stark beeinträchtigen. Frauen und Kinder fehlen in der Ukraine als wichtige gesellschaftliche Stütze.
Gleichzeitig stellt die langfristige Integration der Ukrainer die Aufnahmeländer vor Herausforderungen. Wie können sie eine erfolgreiche Integration sicherstellen, ohne bestehende soziale Systeme zu überlasten? Welche politischen Strategien sind nötig, um die Bedürfnisse sowohl der Geflüchteten als auch der einheimischen Bevölkerung zu berücksichtigen?
Ein komplexes Phänomen
Die Tatsache, dass so viele Ukrainer in Europa bleiben wollen, zeigt die Vielschichtigkeit der aktuellen Flüchtlingskrise. Sie birgt politische, soziale und wirtschaftliche Implikationen, die weit über die Grenzen der Ukraine hinausgehen. Europa steht vor der Aufgabe, sich langfristig auf diese Entwicklung einzustellen – und dabei die Rolle der Ukraine in der globalen Gemeinschaft neu zu definieren.
Ein entscheidendes Hindernis für eine Rückkehr ist die weitverbreitete Korruption in der Ukraine, die den Wiederaufbau erschwert. Internationale Hilfsgelder werden nicht immer effizient genutzt und verschwinden teilweise in undurchsichtigen Strukturen. Diese Realität entmutigt viele Ukrainer: Warum zurückkehren, wenn die Ressourcen, die ihre Rückkehr erleichtern könnten, schlecht verwaltet werden?
Hinzu kommt die Frage, wie lange es dauern wird, bis die Ukraine wirtschaftlich und infrastrukturell wieder auf die Beine kommt. Der Wiederaufbauprozess, so Experten, wird Jahre, wenn nicht Jahrzehnte in Anspruch nehmen. Für viele, die sich bereits in der Schweiz, Deutschland oder Österreich integriert haben, ist eine Rückkehr in eine unsichere und instabile Heimat schlicht unattraktiv.
Die geringe Rückkehrbereitschaft stellt nicht nur die Ukraine, sondern auch die europäischen Aufnahmeländer vor Herausforderungen. Während die Ukraine mit einem möglichen Fachkräftemangel und einem schleppenden Wiederaufbau kämpfen wird, stehen europäische Länder vor der Aufgabe, ihre Integrationspolitik anzupassen. Für die meisten Ukrainer bleibt die Rückkehr in die Heimat ein fernes und unsicheres Ziel – wenn sie überhaupt in Betracht gezogen wird.
Ein realistischer Umgang mit dieser Situation ist entscheidend, um sowohl den Bedürfnissen der Geflüchteten als auch den Herausforderungen der Aufnahmeländer gerecht zu werden.
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